Daphne Niko

DAS RÄTSEL SALOMONS


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waren. »Denkst du, was ich denke?«

      »Dass es eine Art Siegel ist?«

      »Ja. Der Abdruck einer Bulle. Ein solches Dokument wäre fast sicher mit einem kleinen Stückchen Ton auf der Kordel versiegelt worden. Der Siegelstempel des Schreibers würde ihn und seinen Arbeitsplatz identifizieren.«

      »Deswegen ist die Analyse so wichtig. Wenn tatsächlich Tonspuren auf der Kordel sind, dann sollte das Labor in der Lage sein, den Ursprung dieses Tons zu ermitteln.«

      Er verschränkte seine Hände im Nacken. Sarah hatte recht: Die Molekularanalyse würde das Siegelmaterial bestätigen und vermutlich auf den Ursprung dieses Materials hinweisen. Den Rest würden sie sich erschließen müssen.

      Es war ein Anfang, aber es war nicht genug. Die eine Sache, die ihm keine Ruhe ließ – die Identität des Verfassers der Schriftrolle, die für das Dechiffrieren des kryptischen Textes eine zentrale Rolle spielte – wäre ohne die Bulle selbst beinahe unmöglich zu bestimmen.

      »Die Bulle ist wahrscheinlich irgendwo unter einem Sandhaufen vergraben«, sagte er. »Die Chancen, dass wir sie je zu Gesicht bekommen, stehen schlecht.«

      Sie antwortete nicht. Mit dem Kinn auf ihre linke Faust gestützt starrte sie auf den Computerbildschirm.

      »Sarah?«

      Ihr Blick hing weiter am Monitor. »Vielleicht brauchen wir die Bulle am Ende doch nicht. Schau dir das mal an.«

      Kapitel 7

      Sarah vergrößerte den Abdruck und erhöhte die Auflösung. Da er sehr undeutlich war, war es fast unmöglich, eine Abbildung darin zu erkennen. Trotzdem war sie sich sicher, etwas zu sehen.

      Daniel beugte sich über ihre Schulter. »Was hast du?«

      »Ich weiß, dass es schwer zu erkennen ist, aber ich glaube, hier ist ein Muster.«

      »Für mich sieht das wie ein willkürlicher Klecks aus. Bist du sicher, dass du nicht Gespenstern nachjagst?«

      Sie sah ihn an. Sie wusste, dass er wegen der Ereignisse der letzten Tage außer sich war, und eine solche innere Aufruhr konnte schnell zu Ernüchterung führen. Aber sie war entschlossen, die Dinge weiter voranzutreiben. »Natürlich jage ich Gespenstern nach«, sagte sie. »Das tue ich immer.«

      Sie drehte sich wieder zum Monitor um und fuhr damit fort, das Bild zu verbessern. An manchen Stellen erschien der Abdruck um eine Schattierung dunkler, und sie war überzeugt, dass diese Stellen für einen Siegelstempel sprachen. Es gab keine eindeutig wahrnehmbare Struktur, nur ein Durcheinander leicht dunklerer Flecken, die alles bedeuten konnten – oder gar nichts.

      »Lass uns was anderes ausprobieren«, sagte Daniel. »Versuch mal, alle dunklen Punkte zu markieren und die dann in einen eigenen Layer zu exportieren. Vielleicht bekommen wir so ein deutlicheres Bild.«

      Sarah nickte und machte sich an die aufwendige Arbeit, eine digitale Abbildung der dunkleren Bereiche zu erstellen. Sie waren ganz nahe dran, einen weiteren Hinweis zu finden. Adrenalin schoss durch ihre Adern, und sie kostete den Moment der Beinahe-Entdeckung voll aus.

      Sie überprüfte das Bild sorgfältig, um sicherzugehen, dass sie alle relevanten Bereiche markiert hatte. Mit ihrer Arbeit zufrieden grenzte sie die Abbildung ab und kopierte sie in eine neue Ansicht. Sie lehnte sich zurück und betrachtete das Bild aus einem neuen Blickwinkel. Ja, dachte sie. Ganz eindeutig ein Muster.

      »Siehst du, was ich sehe?«, fragte Daniel.

      Sie drehte sich zu ihm um. »Schriftzeichen.«

      »Bingo. Dann wollen wir uns mal ein vollständiges Bild machen.«

      Das war leichter gesagt als getan. Die Abbildung war so undeutlich, dass mehrere Verbindungen möglich waren. Sarah versuchte die Schriftzeichen der hieratischen Schrift auszumachen, die sich aus Hieroglyphen entwickelt hatte. Manche waren einfach nachzuzeichnen, andere unmöglich; man musste aus dem Kontext erschließen.

      »Es ist eine Mischung aus Buchstaben und Determinativen. Das hier zum Beispiel scheint das Determinativ von ›Mann‹ zu sein.« Sie schüttelte den Kopf. »Besser bekomme ich es nicht hin, fürchte ich.«

      »Du machst das toll.« Er legte ihr eine Hand auf die Schulter, und sein Daumen berührte sachte ihren Hals.

      Das Gefühl seiner Berührung ließ sie ein klein wenig erzittern. Er musste es gespürt haben, denn er zog seine Hand schlagartig zurück. Zu verlegen, um ihn anzusehen, konzentrierte sie sich wieder auf ihre Arbeit.

      »Ich geh noch mal zurück«, sagte sie mit festem Blick auf den Bildschirm. »Ich habe eine Idee.«

      Sie arbeitete rückwärts, indem sie die Punkte zwischen den dunklen Stellen markierte. So hoffte sie, das gäbe ihr eine zweite Vorlage für einen Vergleich. Zusammen würden diese beiden Abbildungen vielleicht etwas Lesbareres erzeugen.

      Ihre Methode stellte sich als erfolgreich heraus. Obwohl sie noch immer nicht alle Worte entziffern konnte, war die erste Buchstabenreihe doch deutlich zu lesen. Es war nur eine partielle Lösung, aber sie verstand sie als Durchbruch.

      »Da haben wir es«, sagte sie. »Seschat.«

      »Die altägyptische Göttin der Schreibkunst«, meinte Daniel mit der größten Aufregung, die er seit Tagen gezeigt hatte.

      »Aber auch der Begriff für Schreiberinnen. Ganz klar. Es gab so wenige Schreiberinnen in der Geschichte, dass es nicht schwer sein sollte herauszufinden, wer das hier niedergeschrieben hat.«

      »Das ist ein großartiger Anfang. Wir können uns auch Mariahs Meinung dazu einholen. Sie sollte in ein paar Stunden hier sein.«

      »Wie bitte?«

      »Es tut mir leid, Sarah. Ich hätte es eher erwähnen sollen, aber es war mir entfallen. Ich war nicht gerade … Sie hat angerufen und gefragt, ob sie uns für ein paar Tage Gesellschaft leisten könne. Sie meinte, sie hätte ein paar brauchbare Theorien über die Schriftrolle, müsste sie aber zuerst sehen. Ich habe gesagt, dass sie kommen kann. Hab gedacht, ihr Input könnte uns nützlich sein.«

      »Danny, hältst du das für eine gute Idee? Ich meine … nach allem, was passiert ist.«

      »Sie ist eine Verbündete, und gerade jetzt können wir alle brauchen, die wir kriegen können. Wir müssen diese Unterhaltung nicht noch einmal führen, oder?«

      »Nein, müssen wir nicht.« Sie schloss das Dokument und stand auf, um zu gehen. »Es ist deine Show.«

      Mariah kam am späten Nachmittag an, als die Sonne im Zenit stand und die Temperaturen fast vierzig Grad im Schatten erreichten. Sie stieg aus der Beifahrertür eines schwarzen Mercedes SUV. Sie trug ein blendend weißes Button-down-Hemd, dessen Ärmel bis knapp über ihre Handgelenke hochgerollt waren, und einen langen, gerade geschnittenen Rock. Ein Hidschab aus Leinen-Ikat war locker um ihren Kopf gewickelt und an den Schultern überkreuzt.

      Daniel reichte ihr zur Begrüßung die Hand. »Willkommen in Qaryat-al-Fau. Wir haben extra für Sie für einen warmen Tag gesorgt.«

      Ihr Händedruck war fest und dauerte etwas länger als nötig. »Oh, mir macht die Hitze nichts aus. Es ist nur schön, zur Abwechslung mal im praktischen Einsatz zu sein. Wir von der Universität bekommen nicht oft die Gelegenheit dazu.«

      »Nun ja, wir werden unser Bestes tun, damit es ein erfreuliches Erlebnis für Sie wird. Im Moment sind wir allerdings auf eine Notbesetzung minimiert. Ich bin sicher, Sie haben davon gehört.«

      »Habe ich. Das mit dem Feuer tut mir sehr leid. Sie müssen am Boden zerstört sein.«

      Nichts lag ihm ferner, als vor einem Universitätsmitglied Emotionen zu zeigen oder eine Niederlage einzugestehen. »Wir kommen klar. Die Arbeit geht weiter und letzten Endes werden wir uns neu organisieren. Rückschläge gehören zu unserem Metier.«

      »Hat die Polizei gesagt, ob es Brandstiftung war?«

      »Nein,