Daphne Niko

DAS RÄTSEL SALOMONS


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Diebe?«

      Ein wenig von ihrer Direktheit überrascht sah er sie an. Er wartete ein paar Sekunden ab, ob sie aus Höflichkeit ihren Kommentar zurücknähme, doch ihr Blick verweilte auf ihm.

      »Ich weiß nicht, was ich glaube«, sagte er. Diese Diskussion wollte er nicht führen. »Warum gehen wir nicht ins Labor? Sarah wartet dort auf uns.«

      Im Labor saß Sarah vor dem Computer und arbeitete noch immer am Entziffern des Siegelstempels.

      »Sarah, du erinnerst dich an Mariah?«, sagte Daniel.

      Sarah schloss das Dokument und erhob sich. »Natürlich. Wie geht es Ihnen?«

      »Sehr gut, danke«, entgegnete Mariah, während ihr Blick durch den Raum wanderte. »Das ist also das berühmte Forschungszentrum von Qaryat-al-Fau.«

      »Hier spielt sich alles ab«, sagte Daniel. »Das, was Sie besprechen wollten, eingeschlossen.«

      »Sind Sie vorangekommen?«

      »Möglicherweise«, sagte Daniel. »Was wissen Sie über ägyptische Schreiberinnen?«

      »Nun ja … sie waren äußerst selten. Wir kennen nur wenige Fälle, in denen Schreiberinnen bestimmt wurden. So oder so waren ihre Aufzeichnungen im Vergleich zu denen ihrer männlichen Kollegen unbedeutend. Allgemein gesagt waren die Frauen des alten Ägyptens nicht schriftkundig, wie Sie wissen. Warum fragen Sie?«

      Daniel sah zu Sarah.

      Sie bedachte ihn mit einen kalten Blick und wandte sich ab.

      Er wusste, dass Sarah Mariahs Anwesenheit für nicht gut hielt, aber für ihn war es ein wichtiger nächster Schritt, und das nicht nur aufgrund des Fachwissens, das die Professorin mitbrachte. Die Universitätsfinanzierung der Expedition ließ keine Fehltritte zu. Laut seiner Vereinbarung mit der König-Saud musste alles offengelegt werden und es durfte keine Alleingänge geben.

      Und ganz sicher keine privaten Verstrickungen. So sehr es ihn schmerzte, Sarah so nah zu sein und doch eine emotionale Distanz zu wahren, so wusste er doch, dass jegliche Verbindung zwischen ihnen einem Harakiri gleichkäme. Nicht nur würden es die Universitätsväter missbilligen; seine Männer würden außerdem jeglichen Respekt vor ihm verlieren und sie als gewöhnliches Flittchen betrachten – oder schlimmeres.

      Daniel war gewarnt worden. Als er Sarah als seine Wahl für den Ersatz des leitenden Archäologen, der die Expedition aus gesundheitlichen Gründen verlassen hatte, vorstellte, hatte Professor Rashid al-Said, Direktor des Fachbereichs für Archäologie an der König-Saud, Skepsis geäußert.

      »Diese Frau«, sagte er. »Sie halten sie für qualifiziert?«

      »Wenn sie nicht qualifiziert wäre, würde ich sie nicht empfehlen, Professor«, sagte Daniel. »Sie wurde in Cambridge ausgebildet und hat ihre gesamte Karriere im Dienst der Universität verbracht. Wir wissen beide, wie hoch Cambridges Standards sind.«

      »Das ist wahr. Aber was ist mit dieser Aksum-Expedition?«

      »Unkontrollierbare Umstände. Ich war dort …«

      »Die Presse beschreibt sie ein wenig als Einzelgängerin. Sie wissen, dass das hier nicht funktioniert.«

      »Das ist mir bewusst. Sie müssen sich keine Sorgen machen. Sie kennt die Regeln, und außerdem habe ich die Leitung.«

      »Ja … ja, das haben Sie. Wenn Sie sie für die Beste in diesem Job halten, dann vertraue ich Ihrem Urteil.«

      »Ja, Sir. Ich werde Sie nicht enttäuschen.« Daniel stand auf, um zu gehen.

      Der Professor blickte über seine Lesebrille. »Daniel? Es gibt da nur … eine Sache.«

      »Ja, Sir?«

      »Während einer anderen unserer Feldforschungen außerhalb Mekkas hatten wir eine Französin in der Crew. Letztendlich … wie drücke ich das vorsichtig aus … letztendlich hatte sie sich mit einem ihrer Mannschaftskollegen angefreundet. Sie hielten es geheim, aber jemand sah sie und … von jenem Tag an wurde sie zur Dirne der Expedition. Um mich kurzzufassen, die Crew hatte etwas freie Zeit und ging in die Stadt, und dieses arme Ding wurde von einer Gruppe Arbeitern vergewaltigt.« Er spitzte die Lippen und schüttelte mitleidig den Kopf. »Sie musste zur ärztlichen Versorgung nach Frankreich zurückkehren und ihr Freund wurde unverzüglich von seinen Pflichten entbunden. Es ist nicht angenehm, das zur Sprache zu bringen, aber ich fürchte, in unserem Land ist es Realität.«

      Daniel lachte in sich hinein. »Seien Sie versichert, Professor, dass es derartige Zwischenfälle mit mir nicht geben wird.«

      Al-Said erhob sich. »Diese Unterhaltung darf diesen Raum nicht verlassen. Sollte das je geschehen, zöge es ernste Konsequenzen nach sich. Es würde mir missfallen, jemandes Karriere geschadet zu sehen.« Er streckte eine Hand aus. »Habe ich Ihr Wort?«

      Daniel hörte die Implikation laut und deutlich. Es war eine unverschleierte Drohung gegen ihn und, schlimmer noch, ein Verrat an Sarah. Aber es war der einzige Weg, sie an seiner Seite haben zu können. Er schüttelte fest die Hand des Professors. »Sie haben mein Wort.«

      Wie durch Sarahs unterkühlte Reaktion auf Mariahs Anwesenheit deutlich wurde, hatte sein Schweigen in der Angelegenheit einen Preis. Aber er vertraute darauf, dass das stumme Band zwischen ihnen ihre Beziehung intakt und das Projekt am Laufen halten würde.

      Daniel wandte sich an Mariah. »Sarah hat etwas gefunden, das wir für die schwachen Abdrücke einer Tonbulle auf dem Pergament halten. Wir haben die Substanz noch nicht testen lassen, aber mit großer Sicherheit haben wir es genau damit zu tun.«

      »Das wäre gar nicht überraschend« sagte Mariah. »Bullen wurden am häufigsten zum Versiegeln von Schriftrollen und Manuskripten benutzt. Ich würde sie gerne sehen. Darf ich?«

      Er nickte in Richtung des Safes. »Wärst du so freundlich, Sarah?«

      Sie betrachtete Mariah, bevor sie ein halbes Lächeln zeigte. »Gern.«

      Mariah zog Handschuhe an und nahm die Schriftrolle von Sarah entgegen. Sie rollte sie langsam auf und studierte die Schriftzeichen. Mit ihrem kleinen Finger streifte sie einen der Buchstaben. Sie wandte sich an Daniel. »Haben Sie die Tinte testen lassen?«

      »Laut des Radiokarbonlabors handelt es sich definitiv um eine Tinte auf Holzkohlebasis.«

      »Interessant.«

      Daniel wusste, worauf sie hinauswollte. Im zehnten Jahrhundert vor Christus waren Tinten üblicherweise auf Karbon basiert gewesen und daher anfällig für Abrieb. Diese Tinte war fest. »Wir werden weitere Tests daran vornehmen. Wir vermuten eine weitere Komponente.«

      Sie drehte die Schriftrolle um und suchte nach dem Fleck auf der Mittelachse. »Ich sehe, was Sie meinen. Das könnte definitiv der Abdruck einer Bulle sein.«

      »Das Spannende ist«, sagte Daniel, »dass wir glauben, einen Teil des Namens der Person lesen zu können, die das Dokument versiegelt hat.«

      Als Mariah ihn ansah, waren ihre tiefbraunen Augen geweitet. »Sie scherzen.«

      »Sarah hat es entdeckt«, sagte er. »Sie ist eine Expertin im Bereich der Computeranalyse antiker Texte.«

      Sarah ging zum Computer, um das digitale Abbild des vergrößerten Abdrucks aufzurufen. »Wir können nicht alles erkennen«, sagte sie, »aber dieser Teil ist recht deutlich.«

      Mariah beugte sich vor und las. »Seschat. Bemerkenswert …«

      Sie schlang die Arme eng um ihren Oberkörper, so als schütze sie sich vor etwas. Ihre dichten schwarzen Brauen waren zusammengezogen, und sie biss sich auf ihre fleischige Unterlippe.

      »Also«, sagte Daniel. »Irgendeine Idee, wer das sein könnte?«

      Sie schüttelte den Kopf. »Seschat ist das weibliche Derivat von sesch, dem ägyptischen Wort für Schreiber.«

      »Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Mann, vermutlich von hohem Stand, eine Schreiberin beschäftigt hatte?«, fragte