Polly Adler

Adieu, Fortpflanz


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Babe«-Periode aus früheren Jahren keimt auf: Da hat sich ihre Selbstverwirklichung wenigstens darauf beschränkt, grunzend und röchelnd auf allen Vieren durch den Supermarkt zu kriechen.

      Im Lichte des Sisischen Wertesystems bin ich natürlich ziemlich uncool geworden. Maman kann nicht reiten, besitzt so was von keine Kronjuwelen – und ihr akuter Liebhaber denkt schon gar nicht daran, ihr einen Antrag zu machen, geschweige denn, dass er Franzl heißt.

      »Das ist ihre Art von Rebellion gegen die Mutter«, hat mir der Kinderpsychologe erklärt.

      Zu meiner Zeit hat man mit viereinhalb noch keine Rebellion gebraucht, sondern höchstens mittags Buchstabensuppe. Aber mich fragt ja keiner.

      Die Stimme des Blutes

      Meine Tochter hätte es wahrhaft schlechter erwischen können, was die Wahl ihrer Mutter betrifft. Lana Turner, Magda Goebbels, Cher, Margot Honecker ..., um nur einige Namen von Supergau-Müttern ins Spiel zu werfen. Dennoch ist sie bisweilen von der dunklen Ahnung geplagt, dass andere Kinder im genetischen Bingo ein weit besseres Los gezogen haben. Diese Ansicht teilt sie auch mit den Aufsichtspersonen ihres Kindergartens. Unter denen macht sich bisweilen Befremden breit, wenn S nach dem Morgenkreis Balladen meiner akuten Lieblings-Combo »Die fröhlichen Thekenschlampen« zum Vortrag bringt.

      Einer der Refrains: »Du fährst Porsche und Corvette, aber du bist schlecht im Bett«, zählt da noch zum harmloseren Textmaterial. In jedem Fall findet S, gut erhaltene vier, es neuerdings »urvollsupercool«, dass ihr Papi nicht mehr über dieselbe Adresse verfügt. Die häusliche Atmosphäre ist dadurch nämlich viel entspannter. Auf den Rettich geht ihr nur der aktuelle Liebhaber, mit dem sie ständig zum Tauziehen um die Aufmerksamkeit der Mutter antreten muss.

      Die leichte Chaotik unserer Verhältnisse provoziert naturgemäß Fragen wie: »Du, Mami, warum wohnt der Papa nicht mehr bei uns?«

      Selbstredend verwirft das Mutterherz Antworten wie: »Weil er ein promiskuitiver Egomane von ungeregeltem Einkommen ist«, sondern kommt mit: »Mami und Papi haben sich einfach viel lieber, wenn sie sich nicht ständig über den Weg laufen.«

      »Hast du den B eigentlich lieber?«

      »Den habe ich ganz anders lieb.«

      »Und warum wohnt der nicht bei uns?«

      Statt mit beinhartem Neo-Realismus à la »Wie jeder Mann über dreißig laboriert auch der an hochgradiger Bindungsparanoia«, habe ich das Erklärungsmodell »Von uns hat er so weit in die Arbeit« in petto.

      Seit gestern bin ich aus dem Schneider: Das kleine Biest hat sich in A, scharfe sechs, verliebt und daher andere Sorgen: »Ruf dem A seine Mami an und sag ihr, dass er ab jetzt bei uns wohnt. Jetzt, wo kein Mann mehr bei dir bleiben will, haben wir doch genug Platz.«

      Manchmal kann einem die Stimme des Blutes ganz schön auf die Nerven gehen.

      Die Aschenputtel-Phase

      Die letzten Tage waren wir alle voll damit beschäftigt, meine Tochter schlecht zu behandeln. Wir konnten sie dennoch kaum zufriedenstellen.

      »Ist es zu viel verlangt, dass ihr mich wirklich gut schlecht behandelt?«, fragte sie ziemlich beleidigt.

      Sie durchlitt gerade ihre Aschenputtel-Phase auf Video, CD und bisweilen sogar im Buchformat. Gleich ihrer Heldin wünschte sie, in harschem Tonfall mit der Anschaffung niedriger Dienste gedemütigt zu werden. Vom Christkind hatte sie sich zu diesem Zwecke ein Bügeleisen samt Brett gewünscht. Stundenlang stand sie jetzt mit Leidensmiene in ihrem Zimmer und plättete grobes Leinen.

      Meine Mutter wollte sofort eine Armee von Kinderpsychologen auf den Plan rufen: »Habe ich unterm Kopfkissen Alice Schwarzer gelesen, damit meine Enkelin jetzt wieder klassisch-weibliche Erniedrigungsrituale auf sich nimmt?«

      »Von mir hat sie’s echt nicht«, flüsterte ich kleinlaut, »ich beute seit Jahr und Tag Frauen aus dem osteuropäischen Raum aus, damit sie diese Dinge für mich erledigen.«

      »Mäuseweibi«, schleimte ich jetzt, »hör doch auf mit diesem Schwachsinn. Bau doch lieber einen Wolkenkratzer oder fahr mit Barbie auf eine schicke Kreuzfahrt.«

      Sie sah mich an, als ob ich des Wahnsinns knusprige Beute wäre. »Ich will einmal einen anständigen Prinzen an Land ziehen«, sagte sie mir, »und in den Märchen schaffen das nur die Mädchen, die wirklich Furchtbares mitmachen. Ich sage nur Aschenputtel, Schneewittchen et cetera.« Dann schleuderte sie kurzfristig ihren Plüschfrosch an die Wand und ertrug es mit Fassung, dass er sich nicht in so einen Prinzen, die in den Disney-Filmen wie Fronttänzer der kalifornischen Strippergruppe Chippendales aussahen, verwandelte. »Schließlich«, so das Monster, »möchte ich später nicht wie du dauernd vor einem Computer sitzen und böse Cheffes haben, die mich andauernd anrufen.«

      Da fiel mir nichts mehr ein.

      Großes

      Indianerinnenehrenwort

      Meine Tochter hat soziales Leben. Nahezu jeden Samstag kippe ich sie, bepackt mit einer Stereotypen festigenden Gabe (zum Beispiel eine Krankenschwester-Barbie; die Ärztin gab es noch nicht im Angebot), auf eine Kinderparty. So gegen sechs kann man dann das Kind wieder kassieren und bei Prosecco und Goldfischli Höflichkeiten mit den Gast-Eltern austauschen.

      Jüngst wurde es richtig spät. Zwischen all den zwitschernden Müttern saßen auch Papis, wovon einer durchaus ein bis zwei schmutzige Gedanken wert war.

      »Seine Frau ist gerade mit ihrem Yoga-Lehrer durchgebrannt«, flüsterte mir die Hausfrau in der Küche. »Der Mann ist Architekt und gebrochen.«

      »Das ist ja bei dem Beruf eher kontraproduktiv«, wollte ich witzig sein.

      Seine Gebrochenheit hielt sich insofern in Grenzen, als dass er mir Stunden später in die Küche nachspürte, wo ich eben eine scharfe Pasta verfasste. Die verbliebenen Kinder lagen bereits halbtot vor dem Fernseher, die dazugehörigen Erwachsenen brauchten dringend feste Nahrung.

      »Ich sehe Ihnen gern beim Kochen zu«, vermerkte der Mann mit den meergrünen Augen. »Darf ich Sie trotzdem einmal zum Essen einladen?«

      So was hatte ich zuletzt in der Zwischenkriegszeit gehört, deswegen versuchte ich meiner Verlegenheit mit einem Zitat aus dem Film »Pretty Woman« beizukommen. Sie erinnern sich: Richard Gere holt sich Julia Roberts, das Mädchen für gewisse Sekunden, auf die Suite – anstelle eines Vorspiels kommt Champagner. Ich borgte mir also den Roberts-Satz: »Du kannst dir die ganze Verführungsnummer sparen, ich bin eine sichere Sache.«

      Das irritierte den Meergrünen, der offensichtlich in einem ganz anderen Humorland wohnte, merklich.

      »Ein Scherz!«, versuchte ich zu retten, was nicht mehr zu retten war. In diesem Moment sah ich F in der Tür stehen.

      »Polly«, sagte sie später, »kannst du nicht wenigstens manchmal so tun, als ob du anders wärst, als du bist?«

      »Großes Indianerinnenehrenwort! Ich versuche es immer wieder. Aber es ist einfach stärker als ich.«

      Das Vampir-Kind

      Früher hatte ich Eltern, heute habe ich eine Tochter. Der Unterschied ist gar nicht so frappant.

      »Wo warst du so lange?«, fragte die Fünfjährige, mit der ich mir die Wohnung teile, als ich weit nach dem Abebben des Berufsverkehrs nach Hause taumelte.

      Mein Freund D, ein Bonmot-Fabrikant, hat übrigens zum Thema Berufsverkehr eine offene Frage: »Was ist denn das bitte für ein Beruf, bei dem man dauernd hin und her fährt?«

      S antwortete ich demütig: »Ich habe bei der F geschlafen. Es ist spät geworden und so ...«

      »Aha. Hast du mit der F gerauft?«

      »Wieso?«