der Übergänge von einer Phase zur anderen, den Transformationen, rüttelt es die Gesellschaft ganz schön durch. Worin bestehen nun die gewaltigen Veränderungen, die innerhalb der Dritten Transformation stattfinden?
Vernetzung: Da wäre zunächst einmal die massive Zunahme von Information und Kommunikation zu nennen. Menschen, Unternehmen und Gesellschaften vernetzen sich untereinander in einem Ausmaß, das noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen wäre. Facebook, das größte virtuelle Netzwerk auf diesem Planeten, hatte im Oktober 2012 nach eigenen Angaben rund eine Milliarde monatlicher, aktiver Nutzer. Ein durchschnittliches Smartphone hat heutzutage mehr Rechenleistung als ein PC vor zehn Jahren. Diese rasante Technisierung und Informatisierung durchdringt mittlerweile all unsere Lebensbereiche.
Unsicherheit: Während Kommunikation und Information alle Sphären des menschlichen Zusammenlebens durchdringen, wirkt sich die Dritte Transformation natürlich speziell auf den Arbeitssektor aus. Hier sind an erster Stelle die Veränderungen in den Arbeitsformen zu nennen. Bereits heute nimmt die Zahl der Niedriglöhner, 1-Euro-Jobber und der Selbstständigen zu. Es gibt weniger Vollzeitstellen und traditionelle Karriereverläufe. In der Arbeitswelt von morgen muss der Einzelne eine größere Unsicherheit ertragen. Das Berufsleben, die Karriere und damit das Leben an sich wird weniger planbar und unterliegt einer größeren Eigenverantwortung und Flexibilität.
Psychische Belastungen: Mit dieser Unsicherheit und der informationellen Überforderung brechen sich neue Krankheiten Bahn. Die Stressbelastung steigt an, Depressionen und Burnout nehmen zu. Psychische Erkrankungen allgemein steigen an. Offensichtlich halten die Bewältigungsmechanismen der Menschen mit den neuen technischen und organisatorischen Anforderungen im Job nicht Schritt. Viele Menschen fühlen sich zudem – trotz der großen Vernetzung – in ihrer Berufswelt isoliert und alleingelassen. Auch diese »virtuelle Einsamkeit« verstärkt das Risiko psychischer Belastungen und Krankheiten.
Sinnsuche: Nicht zuletzt rückt, mit dem Megatrend Gesundheit im Schlepptau, die Frage nach dem Sinn in der Arbeit verstärkt in den Mittelpunkt der individuellen Lebensgestaltung. Immer mehr Menschen verlangen eine Antwort auf die Frage: Wozu tue ich das? Ergibt diese Tätigkeit für mich Sinn? Das bislang vorrangig gelebte Modell »viel Arbeit, viel Geld, wenig Zeit, wenig Familie« verliert für immer mehr Menschen deutlich an Attraktivität. Arbeit und Beruf sollen nicht mehr die einzig tragende Identitätssäule des Lebens sein, sondern sich einreihen in ein Gesamtkonzept von sozialem Leben, intellektueller Befriedigung, Gesundheit und spiritueller Reifung.
Führung: Auch die Organisationen müssen sich der Dritten Transformation stellen. Eine der wichtigsten Fragen lautet hier: Verändert sich durch die Dritte Transformation das Wesen der Führung, die damit verbundenen Anforderungen? Brauchen wir »neue Chefs«? Brauchen wir Führung im traditionellen Sinne überhaupt noch? Vor allem im Bereich der Wissensarbeit stellen Beschäftigte das klassische Oben-Unten von Führen und Geführtwerden infrage. Hier zeigt sich der Wunsch nach neuen Formen der Organisation und der Zusammenarbeit, nach Produktivität bei gleichzeitig erhöhter Eigenmotivation durch Selbstverantwortung.
Die vernetzte Gesellschaft: Informationsflut und kommunikative Überlastung
Informationen sind eine Schlüsselressource der Arbeitswelt. Je mehr der Anteil der vernetzten Wissensarbeit an der gesamten wirtschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Wertschöpfung zunimmt, desto wichtiger wird es auch, schnell an alle Informationen zu kommen, die man für seine Arbeit braucht. Diese Informationen können dann wiederum bearbeitet, verbessert und geteilt werden. In den umfangreichen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung, die dem Menschen zur Verfügung stehen und die uns nicht zuletzt das Internet beschert hat, liegt auch ein großer Pferdefuß: Wir produzieren mehr Informationen, als wir aufnehmen können.
Würde man die Datenmenge des Internets auf DVDs brennen und stapeln, würde der Turm von der Erde bis fast zum Mond reichen
Informationen umfassen ja nicht nur Mails oder SMS, also solche, die von Person zu Person direkt gesendet werden und gezielt auf uns einströmen. Sondern genauso das Magazin, das man liest, oder die iPhone-App, das Radio-Gedudel im Hintergrund zuhause oder der Info-Flyer beim Elternabend. Information ist in Form und Qualität unglaublich vielfältig geworden. Bestes Beispiel dafür ist das Internet. Laut einer Studie des Netzwerkausrüsters Cisco soll sich der gesamte Internetverkehr bis 2016 vervierfachen.14 Das würde bedeuten, dass 2016 so viele Daten im Netz kreisen wie in allen bisherigen Jahren zusammengenommen! Das weltweite Datenvolumen wird bis auf unvorstellbare 1,3 Zettabyte ansteigen. Das sind 1,3 Billionen Gigabyte und entspricht in Summe der Datenmenge von über 276 Milliarden DVDs. Eine ganz schöne Sammlung. Würde man die DVDs (nur die Silberscheiben) übereinanderlegen, ergäbe das einen Turm von knapp 332 000 Kilometern (zum Vergleich: Der Mond ist von der Erde 382 000 Kilometer entfernt). Das alles sind so gigantische Zahlen, dass man sie sich im Grunde gar nicht mehr vorstellen kann.
Cisco geht weiter davon aus, dass 2016 45 Prozent der Weltbevölkerung Zugang zum Internet haben werden. Und diese Menschen werden ja nicht nur konsumieren. Sie werden auch produzieren, kreativ sein, Dinge erfinden, Nachrichten verfassen etc. Dieser enorme Ausstoß an Informationen wird wiederum zu mehr Kommunikation in einem globalen Maßstab führen. Kurz: Ein Ende der Informationsflut ist nicht in Sicht.
Elf Millionen Sinneseindrücke in der Sekunde verarbeitet der moderne Mensch
Was bedeutet diese Informationsflut für uns ganz persönlich? Eine Folge: Wir können uns schlechter konzentrieren. Vielleicht kennen Sie das: Früher ging man in den Keller und vergaß manchmal, warum. Man fragte sich: »Wieso bin ich noch mal hier runtergegangen?« Verwirrt schüttelte man den Kopf und ärgerte sich. Heute sitzt man vor dem Computer und fragt sich: »Wieso, zum Teufel, habe ich dieses Browserfenster noch mal aufgemacht?« Es sind diese kleinen Momente, die uns zeigen, dass unsere Aufmerksamkeit, gebündelt in der sogenannten Exekutivfunktion, die Informationsflut nicht mehr bewältigt. Eine intakte Exekutivfunktion ist überlebensnotwendig, um im Alltag zurechtzukommen. Jede Sekunde stürzen enorme elf Millionen Sinneseindrücke auf uns ein, wovon wir jedoch lediglich einen winzigen Bruchteil auswählen – nur etwa 40.15 Das Allermeiste blendet das Gehirn automatisch aus. Zum Beispiel das Ticken der Wanduhr, das wir nach einiger Zeit nicht mehr hören. Wir wissen irgendwann, dass aus dem Ticken der Uhr für uns keine relevante Information mehr erwächst.
Unser Gehirn zieht daraus den Schluss, dass es im Moment Wichtigeres gibt – vielleicht die Seite des Buches, das wir gerade lesen – und wirft das akustische Ticken aus der Exekutivfunktion. So gleiten wir von Sekunde zu Sekunde durch unser Leben, während im Hintergrund still und unsichtbar die Exekutivfunktion in rasender Geschwindigkeit und Komplexität für uns Reize aus der Umwelt wahrnimmt, sortiert, priorisiert, in den Mittelpunkt stellt und wieder verwirft. Die Exekutivfunktion ist wie der Kellner in einem Restaurant, der die Gäste bedienen muss. Bis zu einer gewissen Anzahl von Gästen hat er die Sache im Griff, ab einem bestimmten Punkt wird es dann mühsam. Er beginnt Fehler zu machen, rechnet Posten falsch zusammen oder schüttet den Kaffee über die Hose eines Gastes. Ist das Lokal schließlich komplett mit Gästen (sprich: Informationen) gefüllt, hat er keine Chance mehr. Dann sinkt der Service rapide, und der Kellner kann nur noch still vor sich hin leiden.
Multitasking ist keine Lösung für das menschliche Gehirn
Wenn wir unser Gehirn (= Lokal) über längere Zeit unkontrolliert bzw. unkritisch mit zu vielen Informationen (= Gäste) füllen, leidet unsere Konzentration. Dann versuchen wir uns mit Dingen wie Multitasking aus der Affäre