Dukaten austauscht; er kann sehen und hören, wie Serenissimus die Front bereiten und Höchstihro Landeskinder vermahnen, auch in der Fremde dem »hessischen, württembergischen oder braunschweig-lüneburgischen Namen« Ehre zu machen und tapfer für das Vaterland und »Unsern« Profit Haut und Haare zu lassen.
Vivat Carolus, Fridericus oder etwas dem Ähnliches! Trommelwirbel – Querpfeifengequiek und Beckenklang! – Heute Abend im Theater Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand, ein Trauerspiel vom Doktor Goethe – morgen zur Feier des Geburtstages der durchlauchtigsten Frau Herzogin große Illumination und Oper, Idomeneo, Re di Creta, vom jungen Herrn Mozart, genannt il cavaliere filarmonico.
Aber im Westen, jenseits des Rheins, auch ein Stimmen von allerlei seltsamen und etwas unheimlichen Instrumenten – plötzlich ein dumpfer, lang anhaltender Paukenschlag: Monsieur Honoré Gabriel Victor Riquetti, Marquis de Mirabeau!… Ratsadvokat Bürger George Jacques Danton!… Citoyen Maximilian Joseph Robespierre!… Allerdurchlauchtigstes Zusammenfahren und höchst gerechtfertigte Entrüstung, welche letztere sich einige Jahre später mit dem Kaiser Napoleon durchschnittlich recht gut abzufinden weiß. Folgt die liebliche Zeit des Rheinbundes, folgt der Deutsche Bund, folgen die russischen und englischen zarten und zärtlichen Verbindungen, welche letztern die landschaftlichen Reize des Vaterlandes sehr vermehren, indem sie griechisch-moskowitische Kapellen und Mausoleen sowie herrschaftliche Landsitze im englisch-normannischen Stil an Stellen aufschießen lassen, von wo aus sie den besten Eindruck auf die Bewohner des angestammten Staates und die denselben mit dem Bahnzug passierenden Fremden machen.
Bah – immer herbei, herbei, meine Hochzuverehrenden! Die Gläser des Guckkastens sind geputzt, die Lämpchen angezündet, es verlohnt sich schon der Mühe, die Hände auf die Knie zu klappen und einen Blick in die Herrlichkeit der Stunde, an welcher Jahrtausende gearbeitet, geputzt und poliert haben, zu werfen.
Wiesen, Hügel und Gewässer dehnen sich behaglich im verschleierten Licht der Sonne des Spätherbstes. Über dem grauen Kern, den zusammengedrängten Turmspitzen der Stadt lagert freilich eine dichtere Dunstmasse; aber die modernen Vorstädte glänzen heiter und weiß, und die italienischen und gotischen Landhäuser sind gleichwie aus einer Nürnberger Schachtel munter in das Gebüsch der Gärten gestreut oder zierlich die Linden- und Kastanienalleen entlang aufgestellt.
Wir folgen einer solchen Allee, in welcher das welke Laub sauber aufgehäufelt ist; es begegnen uns oder gehen mit uns viele anständig gekleidete Menschen, darunter sehr bunte Damen und sehr bunte Offiziere. Reitknechte führen ganz elegante Pferde spazieren, in einem öffentlichen Garten wird Musik gemacht und soll mit anbrechender Nacht ein Feuerwerk, das Bombardement von Sebastopol darstellend, abgebrannt werden. Ein Tor, bewacht von zwei schläfrigen Sandsteinlöwen, ein Schilderhaus, bewacht von einer schläfrigen Schildwache, ein gähnender Akziseeinnehmer, ein sonniger Platz und in der Mitte desselben, umgeben von Ruhebänken, Kindermädchen und Ammen mit ihren Schutzbefohlenen, ein etwas schläfriger Vater des Vaterlandes in Bronze, eine Allee zur Rechten, eine Allee zur Linken; wieder allerlei Spaziergänger, Reitknechte, Droschken, Privatequipagen, wieder sehr viele bunte Damen und sehr bunte Offiziere! Schlagen wir die Allee zur Rechten ein, so wird sie uns, wenn wir im Briefträgertrab gehen, nach Verlauf von drei Viertelstunden von der Linken her zu dem Großpapa in Bronze zurückbringen; nehmen wir den Weg zur Linken, so werden wir den würdigen alten Herrn in derselben Zeit von der Rechten her zu Gesicht bekommen. Gehen wir den Gang des Beobachters, so können wir nach Belieben und vielleicht nicht ohne Nutzen eine halbe Elle unseres Lebensfadens auf ebendiesen Kreis zugeben; folgen wir den Radien des Kreises in die Mitte der Stadt, so – – doch weshalb sollen wir ihnen jetzt schon folgen? Der Abend ist so angenehm, die Luft so weich, die Kieswege entlang der Überbleibsel der Gewässer des einstigen Stadtgrabens so fest und reinlich und die Ruhebänke so zierlich und einladend; das Theater beginnt erst um sieben Uhr. Nehmen wir Platz, bergen wir die träumende Stirn in der Hand; wer weiß, was die Stunde Herrliches, Schönes, Nützliches bringt? Serenissimus oder Serenissima können sechsspännig vorüberfahren, das schönste Mädchen der – Residenz kann uns mit der Schleppe ihres Kleides streifen, unser Schicksal kann uns hier ebenso gut als anderswo auf die Schulter klopfen und unser Anstellungsdekret als wirklich geheimer Kabinettssekretär oder dergleichen aus dem Portefeuille nehmen oder nur unmerklich mit dem Finger deuten und winken: Sieh!, ganz leise, leise flüstern: Achtung, mein Bester! – Das letztere geschieht diesmal; wir sehen und hören und geben Achtung, und zwar mit Eifer, obgleich es nur unser literarisches Schicksal war, das winkte. – – –
Er kam durch eine der Straßen, welche aus dem Innern der Stadt gegen die um die Stadt sich ziehende Promenade führen. Wer kam aus dem Innern der Stadt, um wie andere gewöhnlichere Leute unter den gelben Linden und Kastanien spazierenzugehen? Nicht ein gewöhnlicher Mann, sondern einer, der die anderen um eine Haupteslänge überragte: unser sehr guter Freund aus Bumsdorf und dem Tumurkielande, Herr Leonhard Hagebucher. Sehr verändert, und zwar, was die malerische Seite anbetrifft, nicht zu seinem Vorteil! – Mehr als ein Jahr ist vorübergegangen, seit wir ihn in den Gefilden seiner Kindheit aus dem Gesicht verloren, und ein Jahr ist eine Macht, welche es mit vielen Dingen, die von den Menschen auch für sehr mächtig gehalten werden oder sich selber für sehr stark halten, aufnimmt und in dem Ringkampf mit ihnen recht häufig die Oberhand gewinnt. Zuerst hatte dieses Jahr den Afrikaner geschält, ja geschunden; aus dem Rotbraun der Haut war ein ungemütliches Gelbgrau geworden; die grauen Kreise um die Augen waren dagegen ins Schwarze übergegangen; die Augen selbst hatten ihren Glanz behalten, aber man sah ihnen an, dass sie viel gebraucht worden waren. Der wilde Bart war größtenteils dem Messer zum Opfer gefallen, wogegen das Haupthaar, welches vordem der Mode von Abu Telfan vollständig hatte weichen müssen, mit Bewilligung der zivilisierten Welt treiben durfte, wie es konnte. Es hatte getrieben und war von neuem emporgesprosst, allein leider nicht zur Verschönerung des Mannes. Es war, sozusagen, in allen Farben gekommen, braun und grau, gelb und weiß, und es war sehr borstig und widerspenstig gekommen – jeder Büschel ein Rebell gegen den Kamm und den Salbentopf.
Herr Leonhard Hagebucher trug nicht mehr einen Turban oder Fes, sondern einen sehr schönen, schwarzen, glänzenden Zylinderhut;