Faktor als die Hoheit und das Machtbewusstsein der Frau. Es ist jedenfalls tiefe Bedeutung in der Erzählung, wonach der Römer Heldenvolk von Sabinerinnen ganz amazonischer Erscheinung abstammt. Solchen Frauen können keine Weichlinge und keine gleißenden Wollüstlinge gefallen.« (Mutterrecht, Kreta S. 125) Mögen auch manche Schlüsse des großen Forschers und Pfadfinders wissenschaftlich umstritten sein, der sittlichende Einfluss der Frau, wie ihn Bachofen in Mythe und Frühgeschichte der Menschheit erkennt, wird sich niemals wegleugnen lassen. Man hat so oft Goethe seinen Zug zum Adel, zur Hofgesellschaft vorgeworfen, als ob der Frankfurter Bürgersohn sich damit eines Mangels an Mannes- und Bürgerstolz schuldig gemacht hätte. Und doch wissen wir es aus seinem eigenen Munde, dass eine allseitige Ausbildung der Persönlichkeit im bürgerlichen Stande gar nicht zu erlangen war. »Er hat Person«, sagten unsere Klassiker von einem, der mit dem Anstand des Weltmanns auftrat, und das gab es nur in den höheren Kreisen; der bürgerlich Geborene hatte bloß ein Amt aber keine Person. Er war Schullehrer, Amtmann, Notar, aber als Persönlichkeit hatte er sich auszulöschen, wollte er nicht wegen fratzenhafter Anmaßung verlacht sein. Höhere Umgangsformen waren sonst nur noch auf der Bühne zu gewinnen, wo Wilhelm Meister seinen Kursus durchmacht, der ihn erst befähigen muss, unter den Vornehmen als Gleicher zu stehen. Sollte nun derjenige Deutsche, dem es bestimmt war, seinem Volk auf einem Kulturweg voranzugehen, wo es ihn bis heute nicht eingeholt hat, auf die Entwicklung seiner beispielhaften Persönlichkeit von vornherein verzichten? Gewiss lag der Reiz, den Frau von Stein auf ihn ausgeübt hat, wesentlich in der Selbstverständlichkeit vollendeter Weltformen und dem genauen Wissen, »was sich ziemt«, worin sie ihm Lehrmeisterin war. Aus Kindheitstagen erinnere ich mich noch gewisser unwahrscheinlich grotesker Gestalten der älteren Generation, die aus Unschick und Blödigkeit über ihre eigenen Beine stolperten. Nicht einmal im Besitze seiner Gliedmaßen war vielfach der deutsche Mann, bevor er durch die allgemeine Dienstpflicht gedrillt, durch den Sport geschmeidigt, durch gesellschaftlichen Umgang, den Umgang mit gebildeten Frauen, verfeinert wurde. Es ist klar, dass wo die Frau eine kulturelle Bedeutung hat, der Mann niemals in solchem Grade äußerlich ausarten kann, weil sie sich nicht mit dem ersten besten begnügen und weil sie auch auf das Werden des Sohnes ein Auge haben wird.
Als ich in Florenz lebend zum ersten Mal von der in Deutschland eingeleiteten Bewegung zugunsten des Frauenstudiums und der höheren Frauenberufe las, schüttelte ich den Kopf; ich hielt davon so wenig wie der verbissenste Frauenverächter. Zu gut war mir der weibliche Ungeist bekannt, wenn ich auch unterdessen weibliche Gemütseigenschaften hatte schätzen lernen. In Frauengesellschaften ging ich nie, und wenn ich vor der Türe umkehren musste bei der Entdeckung, dass nur weibliche Gäste am Teetisch saßen. Die Armut der Belange und die Unfähigkeit zur Begriffsbildung, die jedes ernstere Gespräch verhinderten, wirkten auf mich wie lähmendes Gift. Wie gründlich sollte ich späterhin umlernen, als mir in Deutschland ein neues, in geistigem Lichte herangewachsenes Frauengeschlecht entgegentrat. Es hatte genügt, den Blickpunkt auf den Mann zu ändern und den Sinn für das Überpersönliche zu wecken, so stand die Frau – nicht wesensgleich, aber ebenbürtig neben ihm. Ich darf die tapferen Wegbereiterinnen rühmen, denn ich habe nicht zu ihnen gehört. Sie haben den Nachkommenden einen Boden geschaffen, auf dem sich wohnen und werken lässt. So glücklich war die Welt noch nicht, in die ich Ende des Jahres 1853, am Tag der Wintersonnenwende, trat.
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Da meine Geburt mit der Neugeburt des Lichtes unter dem Zeichen des Steinbocks, dem Juelfest unserer germanischen Vorfahren, zusammenfiel, so wurde die nahe Weihnacht auf diesen Tag vorverlegt. Es gab für mich somit nur ein Fest im Jahre, aber dieses war ein kosmisches, woran die ganze Erde teil hatte. Nach meinen kindlichen Begriffen verlor ich zwar den zweiten Gabentisch des Jahres, doch auf dem Tag, der mich gebracht hatte, lag eine höhere Weihe, ein feierlicherer Nachdruck. Die damit gegebene Vorausbedeutung erfüllte sich bei meinem Heranwachsen in dem Sinn, dass in dem großen Geschwisterkreis das meiste Licht auf die einzige Tochter fiel, dass ich aber gemäß den Anschauungen der Zeit mit allen irdischen Ansprüchen hinter den Brüdern verschwinden musste. In meinem späteren Leben, als ich den lichtsuchenden Charakter des Steinbocks erkannt hatte, fühlte ich mich ihm dienst- und lehenspflichtig und stellte mir ihn oder sein astronomisches Zeichen zum Sinnbild und Wappen auf.
In »Dichtung und Wahrheit« bemerkt Goethe, das ganze Leben eines Menschen hänge von dem Jahrzehnt seiner Geburt ab: zehn Jahre später zur Welt gekommen und sein Lebensgang wäre ein völlig anderer geworden. Wie viel mehr gilt das von einem Frauenleben! Zehn Jahre später, und ich hätte meinen Weg schon nicht mehr so ungangbar gefunden, mein Erscheinen wäre nicht so unbegreiflich fremdartig gewesen und so erbittert bekämpft worden, wie es auf dem Riss zwischen zwei Zeitaltern, einem das langsam sich zum Ausklingen anschickte und dem von mir unbewusst vorausgenommenen neuen, der Fall war.
Auf diesen Riss war ich zunächst ganz ohne mein Zutun schon im unmündigen Alter gestellt worden. Ich hatte ja zur Mutter eine Frau, deren Haltung zu dem damaligen Frauentum im stärksten Gegensatz stand. Da sie aus altem Adel stammte, dazu äußerst fortschrittlich war, konnte sie auf die bürgerlichen Vorurteile heruntersehen; ihr waren bessere Bildungsmöglichkeiten zu Gebote gestanden, sie hatte sich auch auf eigene Hand weitergeholfen und brachte zwar kein systematisches Wissen aber ein weites Gesichtsfeld und eine unendliche Begeisterung für alles Große und Schöne, für Dichtung, Sprachen, Philosophie und Geschichte, besonders die des Altertums, mit in die Ehe. Was sie nur teilweise erreichte, wollte sie in der Tochter vollendet sehen. Aber die Mittel fehlten, denn es war einer der Fälle, wo die Knabenerziehung die elterliche Kasse erschöpfte. Ihr Heim war jetzt kein freiherrliches mehr, sondern das höchst bescheidene eines deutschen Dichters, dem die Stumpfheit seiner Zeitgenossen den Erfolg vorenthielt. Für mich gab es keine französischen und englischen Bonnen, keine im Latein unterrichtenden Hauslehrer wie einst für sie. Von den Mädchenschulen fanden die Eltern, keine Schule wäre besser. So unterrichtete sie mich selber, aber freilich ohne Ordnung und Methode und selbst ohne festen Stundenplan, je nachdem die häuslichen Geschäfte ihr gerade Zeit ließen. Ich habe ihr das Lehren leicht gemacht, obwohl ich keinen richtigen Lernkopf hatte und Wissen als Häufung von Tatsachen mich nicht im geringsten reizte; die Dinge liefen mir von selbst entgegen und ich ihnen, weil ihre feurige Fantasie schnell die meinige entzündete