überaus verständiger Mann. Geh also nicht aus, mein Kind, denn man kann manchmal nicht wissen, wie Unglück entsteht, es ist oft früher da, als wir es gewahr werden, und indem wir es gewahr werden, ist es gewöhnlich zu spät, es zu vermeiden: siehe, so lauten meine Grundsätze darüber.
BRIGITTE. Aber in den Burggarten darf ich doch kommen?
HANS. Das wird dir immer unverwehrt bleiben, meine Tochter, denn dort bist du völlig gesichert, dort kann dir Niemand etwas anhaben. Ich bin sonst schon alt und schwach, aber ich habe denn doch die Vorsicht eines Vaters, und eine solche Vorsicht sieht weit, wenn ich aber abwesend bin, mußt du selbst hübsch vorsichtig seyn.
BRIGITTE. Ich will es gewiß.
HANS. Der Leopold von Friedheim, er hat dir schon einigemal nachgestellt, hüte dich besonders vor ihm.
BRIGITTE. Warum? Ich sollte meinen, daß ich mich vor dem nicht zu hüten brauchte.
HANS. Du liebe Einfalt! Gerade am meisten, Kind. Ja, was sag ich, am meisten? Am allermeisten! — Du liebst ihn doch nicht? Du hast ihm doch nicht dein Herz gegeben? Denn du weißt, daß ich diese Heirath niemals zugeben würde.
BRIGITTE. Ach, lieber Vater, wie sollt’ ich jemand anders lieben, als Euch?
HANS. Ich will dir glauben, denn du hast mich noch nie betrogen. — Nun, so lebe denn wohl, meine Tochter, ich weiß nichts mehr, was ich dir noch sagen könnte. — Bleibe immer gehorsam, folgsam deinem Vater, und es wird dir immer wohl auf Erden gehn.
BRIGITTE. Lebt wohl. (sie umarmen sich.)
HANS. Caspar!
Caspar tritt auf.
HANS. Caspar, ist mein Pferd nunmehr bereit? Ist alles im gehörigen Zustande?
CASPAR. Ja, Herr.
HANS. Und sind alle die nöthigen Sachen eingepackt? Und daß nichts versehrt wird, wenn es etwa regnen sollte? Die goldnen Strumpfbänder, die seidenen Bänder? Die Gedichte?
CASPAR. Hab alles selbst besorgt, Herr.
HANS. Nun, dann ist es gut. — Du hast die Schlüssel zu der ganzen Burg, Caspar?
CASPAR. Ja, Herr.
HANS. Und du hast versprochen, auf meine Tochter ein wachsames Auge zu haben?
CASPAR. Das hab ich, Herr.
HANS. Nun, so kann ich denn in Gottes Namen abreisen. — Das Abreisen wird mir doch sauer, Caspar.
CASPAR. Ihr seyd lange nicht aus eurem Schlosse gekommen, Herr.
HANS. Sollts das wohl seyn, Caspar? Mir ist so trübe vor den Augen.
CASPAR. Da sind wir immer denselben Weg vom Thurm um den Wall gegangen, da haben wir mal im Forst einem Haasen aufgelauert, da hat Euch das Fräulein von den Römischen Burgemeistern und von Troja vorgelesen, und so einen Tag wie alle Tage, und damit seid Ihr gleichsam hier ganz eingerostet, Herr.
HANS. Und du glaubst an keine bösen Ahndungen, Caspar?
CASPAR. Man kann eben nicht wissen, wie es damit ist, und darum glaub ich halt nicht daran, Herr: seht, das ist so mein Grundsatz darüber.
HANS. Hast recht, Caspar, wenn man es sich genau überlegt. — Nun, so lebt wohl! — Ade, meine Tochter, denk fleißig an meine Lehren. — Komm, Caspar, hilf mir zu Pferd. (beide gehn ab.)
BRIGITTE. (allein) Vor Leopold soll ich mich hüten? — Dann muß man sich gewiß vor allen Menschen hüten, auch vor den allerbesten, denn er ist doch die Liebe und Unschuld selbst. Aber das Alter sieht alles mit andern Augen an, und die Jugend weiß darüber nicht, was sie denken soll. (geht ab.)
Dritte Scene
(Garten).
Hugo, Agnes.
AGNES. Ihr seid sehr dringend, Herr Ritter.
HUGO. Wie soll ich es anders anfangen, Eure Liebe zu gewinnen?
AGNES. Liebt Ihr mich denn, wie Ihr sagt?
HUGO. Von Herzen, mein Fräulein.
AGNES. Was nennt Ihr aber Liebe?
HUGO. Wenn Ihr es nicht empfindet, so läßt sichs unmöglich beschreiben.
AGNES. Das hör ich von allen, die sich für verliebt ausgeben.
HUGO. Weil es die Wahrheit ist; oder zweifelt Ihr an meiner Aufrichtigkeit?
AGNES. Das nun eben nicht, — allein —
Anton tritt zu ihnen.
HUGO. Ich mache schlechtes Glück mit meiner Bewerbung, Herr Ritter.
ANTON. Wie das?
HUGO. Eure schöne Schwester glaubt meinen Worten nicht.
AGNES. Wie Ihr es auch ausdeutet.
HUGO. Seht, ich bin kein Redner, ein rechtlicher, schlichter Mann, unter Waffen und Getümmel aufgewachsen, darum stehn mir schöne und süße Reden nicht zu Gebot; ich kann nur sagen: ich liebe! und damit ist meine ganze Redekunst zu Ende. Aber man sollte auf die Worte solcher Leute, die nicht viel zu sprechen verstehn, mehr achten, als auf die Reden derjenigen, welche täglich mit schöngewandten Phrasen handeln und betrügen. Wenn ich mich nicht zierlich auszudrücken weiß, so bin ich doch wenigstens in der Kunst der Lügen unerfahren, und das ist nach meiner Meinung schon immer einiges Verdienst. Darum müßt Ihr mir auf mein Wort glauben, wenn ich Euch sage, daß ich Euch recht von Herzen liebe.
AGNES. Und wenn ich Euch glaube?
HUGO. Seltsame Frage! dann müßt Ihr mich von Herzen wieder lieben. — Oder, ist Euch vielleicht, — wie soll ich mich ausdrücken? — meine Gestalt, mein Wesen nicht angenehm genug, oder vielmehr widerwärtig? Es ist wahr, ich kann etwas Seltsames an mir haben, das den Leuten auffällt, ehe sie mich näher kennen, aber das sollte doch nicht die Ursach seyn, einen Mann zu verstoßen, der es sonst redlich meint. Ihr werdet zugeben, daß Redlichkeit mehr werth ist, als eine schöne Außenseite. Wenn ich also auch, wie die Leute von mir sagen wollen, einen bläulichen, oder blauen Bart habe, so ist das doch immer noch besser, als wenn ich ganz ohne Bart auf die Freyerei ginge.
ANTON. Nun, Schwester!
HUGO. Ihr glaubt vielleicht — das ist aber ein menschenfeindlicher Aberglaube — ich müsse deswegen auch innerlich anders seyn, wie die übrigen Menschen, und geringer, weil, wie gesagt, mein Bart nicht von der besten Farbe ist. Die Damen wissen ja die Farbe ihrer Haare zu verbessern, und Euch zu Gefallen will ich mich auch auf dergleichen Künste legen. Zeigt mir den Mann, der mehr für Euch zu thun gesonnen wäre!
AGNES. Ihr legt mein Zögern unrecht aus.
HUGO. Ihr könnt nur Ja oder Nein sagen, das Uebrige, was dazwischen liegt, ist nur zu diesen Worten eine Vorbereitung. — Ich habe schon mehr Weiber gehabt, und ich sollte es freilich gewohnt sein, daß sie ihre Meinung vor der Hochzeit immer nur durch einen Umweg zu erkennen geben, nachher ist ihre Art zu sprechen desto kürzer und verständlicher. — Nun, mein Fräulein?
AGNES. Ihr müßt mir noch Zeit lassen — Auch vor der Einsamkeit auf Eurem Schlosse fürchte ich mich etwas.
HUGO. Dem läßt sich bald abhelfen; wenn ich Euch nicht genug bin, so wollen wir Gesellschaft bitten, Menschen von aller Art, Ihr werdet ihrer bald überdrüßig werden. Aber Euch soll die Zeit nicht lang währen. Wenn Ihr Neuigkeiten, oder seltsame Kostbarkeiten liebt, so findet Ihr auf meinem Schlosse mancherlei, das wohl der Betrachtung würdig ist, und mit dem Ihr nicht so bald zu Ende kommt. Auf meinen Reisen und in vielen Fehden habe ich mancherlei erbeutet, das mich selbst in manchen Stunden noch ergötzt.
AGNES. Dürfte ich meine Schwester Anne