Людвиг Тик

Die wichtigsten Dramen


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Ihr seid also so gut als richtig?

      HUGO. Es sieht fast so aus. — Nun habt Ihr mir das Herz leicht gemacht. Man muß nur nicht verzagen, so siegt man am Ende doch. (sie gehn ab.)

       Simon, Anne.

      ANNE. Du bist heut ungemein mißvergnügt, Bruder.

      SIMON. Was soll man anders seyn? Ich finde keine Ruhe in mir selber; alles ist mir zuwider, und wenn es mir manchmal vorkömmt, als würde sich jetzt ein Räthsel auflösen, so verfliegt alles im Augenblicke wieder.

      ANNE. Aber warum heftest du auch deinen Geist immer so auf einen Gedanken?

      SIMON. Frage doch, warum er sich selbst so heftet? Ich kann dabei nichts thun und lassen. — Ich möchte lachen, denn dieser sogenannte Geist ist ja Niemand anders, als ich selbst.

      ANNE. Es ist mit Dir nicht zu sprechen, — man hat doch Gewalt über sich.

      SIMON. Das sagt der Arzt auch immer, und bei Euch andern, die Ihr in einer unbegreiflichen Trägheit fortlebt, mags auch wohl wahr seyn, denn Euch liegt nichts ernsthaft am Herzen; Ihr könnt euch leicht zwingen, weil Ihr im Grunde gar nichts wollt. Der Geist ist nur ein Diener Eures Körpers, eine fast unnöthige Zugabe zu dem Dinge, das da ißt und trinkt, folglich, wenn Ihr von Euch selbst sprecht, so meint Ihr immer jemand anders, im Grunde Eure Launen, Euren Appetit; diesem thut Ihr alles zu Gefallen, ihm zu Gefallen denkt und sorgt Ihr nicht, ihn aufrecht zu erhalten zerstreut Ihr Euch, wie Ihr es nennt. Wenn Ihr also von Eurem Ich sprecht, so meint Ihr nur Euren Magen, Ihr könnt nicht ernsthaft an Euch selbst denken, ohne daß Ihr sogleich mit einem Seufzer dazwischen rennt: ach! heute Mittag wird mir gewiß das Essen nicht schmecken! und so Euren Sinn gewaltsam wieder von Euch abwendet.

      ANNE. Ach, Bruder, ich verstehe dich recht gut, und das Schlimmste ist, daß Du Recht hast.

      SIMON. Wann hätte ich denn wohl Unrecht? Ihr gebt Euch nur niemals die Mühe, mich zu verstehn. Alle Gedanken, die Euch nicht gefallen, möchtet Ihr gar zu gern für Unsinn ausgeben, damit Ihr nur behaupten könnet, das Leben sei doch etwas werth. Alle Menschen würden melankolisch seyn, wenn sie sich nur vor ihren Nichtswürdigkeiten die Zeit dazu ließen. — Da kömmt der Arzt schon wieder, und meint, wenn ich nur seine Pulver nehmen wollte, würde es schon besser mit mir werden.

      Der Arzt zu den Vorigen.

      ARZT. Ich freue mich, Euch wohl zu sehn, mein Fräulein. Und wie geht es Euch?

      SIMON. Soll ich wieder klagen? Soll ich Euch weitläufig meine Empfindungen schildern? Ihr versteht mich nicht, und könnt also auch nicht daran glauben. Wozu soll ich immer in den Wind reden!

      ARZT. Daß jeder Kranke doch immer glaubt, er sei nur der einzige auf der Welt, der solche Art zu empfinden habe!

      SIMON. Nun, könnt Ihr mir zu dem verhelfen, was ich wünsche? — Könnt Ihr machen, daß ich die Zukunft ergründe, wie ein Exempel, das ich berechne? Wohlan, dann will ich das Leben und Eure Kunst für etwas halten.

      ARZT. Ihr müßt Euch dergleichen Gedanken aus dem Sinn schlagen.

      SIMON. Nun, seht Ihr wohl? Dieser Wunsch kömmt Euch als etwas ganz Abgeschmacktes vor, folglich ist Euch diese Empfindung noch niemals nahe getreten, denn sonst würdet Ihr mir nicht so antworten, folglich versteht Ihr mich nicht, folglich könnt Ihr mich auch nicht heilen.

      ARZT. Wenn ich Euch auch das Uebrige zugebe, warum sollte ich Euch nicht heilen können?

      SIMON. Ach, Ihr seid — ein Arzt! — Es ist gut, daß Ihr mich selbst durch dergleichen Reden nicht aufbringen könnt, weil es mir immer gar zu gegenwärtig ist, wie Ihr meinen Zustand anseht. Ich will nächstens eine Reise antreten, vielleicht finde ich Leute, die mich besser verstehn.

      ARZT. Wie Ihr wollt.

      Hugo zu den Vorigen.

      HUGO. Mein Fräulein, Eure Schwester wünscht Euch zu sprechen. Sie hat eine Bitte an Euch.

      ANNE. Ich gehe, sie aufzusuchen. (ab.)

      HUGO. Und Ihr seid noch immer so finster, Junker? — Ihr solltet heirathen, die Liebe würde Euch wie eine Sonne aufgehn, und Ihr würdet dann die Welt nicht mehr so dunkel finden.

      ARZT. Er sollte nur Arznei nehmen, so würde er schon besser werden. Könnt ich ihn nur von der Verachtung gegen meine Wissenschaft heilen, so wäre schon das meiste geschehn.

      HUGO. Vielleicht ist eine unglückliche Liebe an Eurem Zustande Schuld.

      ARZT. Ach nein! Er hat gewiß schon seit mehreren Jahren keine Diät gehalten, und da rächt sich die Natur nachher.

      HUGO. Sucht Euch ein schönes Mädchen aus.

      ARZT. Es sind nur Unordnungen im Unterleibe.

      HUGO. Ihr scheint ein verständiger Mann, nehmt Euch meines Freundes an.

      ARZT. Er läßt sich nicht rathen.

      HUGO. Es wird noch mit ihm besser werden, wenn er nur erst heirathet.

      SIMON. Ihr seid ein schlechter Prophet, Herr Ritter. — Seht, Doktor, alle Leute geben sich mit Prophezeien ab, sie thun nichts lieber als die Zukunft vorher sagen, und doch findet Ihr es bei mir so sonderbar, daß ich auf diesen Wunsch verfallen bin. Sie meinen alle, sie haben Recht, und meine Krankheit besteht bloß in einer zu großen Bescheidenheit, daß ich selbst an meine Prophezeiungen nicht glaube, ich darf nur mehr Vertrauen haben, und ich bin so gesund wie die übrigen Menschen. (geht ab.)

      HUGO. Ein seltsamer Charakter!

      ARZT. Er hat sich, möcht ich sagen, in dem Hang zum Wunderbaren, den jeder Mensch in sich spürt, übergessen, und dadurch sind ihm diese Unverdaulichkeiten entstanden.

      HUGO. Was könnte aber dagegen helfen?

      ARZT. Ein tüchtiges Vomitiv, irgend eine gewaltsame Veränderung seiner Lebensart, viel Thätigkeit, Umgang mit vielen vernünftigen Leuten. Jede Tollheit ist nichts, als ein Rostfleck im Eisen, er muß wieder herunter geschliffen werden. Allen unverständigen Leuten fehlt es nur an gutem Willen, um wieder verständig zu werden.

      HUGO. Giebt es keine Arzenei, keine zusammenziehende Mittel, um diesen schlaff gewordenen Willen wieder anzuspannen?

      ARZT. Bis jetzt ist noch nichts entdeckt, die Philosophie geht auf Präparate aus, aber es ist ihr nur auch noch wenig gelungen.

      HUGO. Sagt mir einmal, Eure Kunst ist ein weites Gebiet, — Ihr wißt gewiß manches Geheimniß, — ich wollte Euch in einer Sache um Rath fragen.

      ARZT. Ich stehe zu Eurem Befehl.

      HUGO. Ich weiß nicht, — ich mag ungern davon sprechen, — und es macht mich böse. —

      ARZT. Herr Ritter —

      HUGO. Nun, seid nur still, seid ruhig, ich will mich in Acht nehmen, daß ich nicht zornig werde, aber hört mir ruhig zu: — die Leute sagen, ich hätte einen blauen Bart, — ich weiß nicht, ich sehe eben nicht viel in den Spiegel, — betrachtet mich einmal genau, und sagt mir die aufrichtige Wahrheit.

      ARZT. Ich könnte eben nicht sagen, — ich muß Euch gestehn, es kömmt viel auf die Beleuchtung an, — blau eben nicht, das nun wohl nicht, — aber so gleichsam bläulich, — aber es verstellt Euer Ansehn gar nicht, im Gegentheil, es giebt Euch ein gewisses männliches Wesen.

      HUGO. Man sagt mir doch, es wäre widerlich.

      ARZT. Nicht im mindesten, und gewiß, wenn Ihr im Schatten steht, sieht Euer Bart aus, wie jeder andre Bart, — und wer nicht ein recht scharfes Gesicht hat, findet auch in der Sonne keinen Unterschied.

      HUGO. Nun mags seyn, wies will; wißt Ihr kein Mittel dagegen?

      ARZT. Die Arbeiter in den Kupferwerken kriegen grünes Haar; aber Ihr habt den Schaden von Natur? Nicht wahr?

      HUGO. Ja doch.

      ARZT. Nun, grün