sich, wie man ein so edles Teil so hatte verschandeln können. Da hatte man wirklich einen Porsche zum Punto gemacht, oder, um bei den Kleidern zu bleiben, ein Kleid von Armani zu einem von einem Billiganbieter. Zumindest war das ihre subjektive Meinung.
»Super«, freute Bettina sich, »das möchte ich bitte sofort anprobieren.«
Die Verkäuferin führte sie zu einer sehr geräumigen Umkleidekabine, zog sich zurück, und Bettina hatte es eilig, aus ihren eigenen Sachen zu kommen.
Sie war ja so aufgeregt!
Hoffentlich passte das Kleid, und hoffentlich sah sie darin wirklich so aus, wie sie sich das ausgemalt hatte.
Sie atmete tief durch, dann nahm sie das Kleid vom Bügel.
»Kommen Sie zurecht?«, erkundigte sich die Verkäuferin, die vor der Kabine stand, um gleich helfend einzuspringen, falls nötig.
»Ja, danke«, erwiderte Bettina, schlüpfte in das Kleid, machte den seitlich angebrachten Reißverschluss zu, trat vor den Spiegel und … hielt den Atem an.
Das Kleid war der absolute Traum!
Und es passte perfekt, wie für sie gemacht!
Nachdem sie sich hinreichend an sich selbst satt gesehen hatte, verließ Bettina die Umkleidekabine.
»Du siehst zum Niederknien aus«, rief Leni begeistert.
Die Verkäuferin starrte sie an, ehe sie, geradezu überwältigt, sagte: »Unglaublich, es sitzt, passt zu Ihnen …, wie für Sie gemacht.«
»Finde ich auch«, strahlte Bettina, »das Kleid nehme ich.«
Die Verkäuferin starrte sie an, das war ihr wohl noch niemals zuvor passiert.
»Und Sie … Sie wollen sich nicht weiter umschauen?«, erkundigte sie sich.
»Nein, wozu. Das Kleid ist perfekt.«
Inzwischen waren auch die anderen Verkäuferinnen, die keine Kunden hatten, hinzugekommen, auch die waren begeistert, und nun ging es erst richtig los.
»Welche Schuhe werden Sie dazu tragen?«
»Ich finde flache«, sagte die eine, »weil die Kundin schon recht groß ist.«
»Nein, hochhackige natürlich«, bemerkte die andere.
»Leder.«
»Satin …«
»Und wie sieht es mit einem Schleier aus?«
»Keinen Schleier …«
»Aber ja …«
Die Stimmen schwirrten durcheinander, aber Bettina sah, dass ihrer Verkäuferin nicht recht war, dass ihre Kolleginnen sich da so einfach in das Verkaufsgespräch einmischten.
»Meine Damen«, sagte sie freundlich, »ich finde es nett, dass Sie sich so sehr bemühen, doch ich glaube, dass ich das Problem durchaus mit der Dame, die mich von Anfang an beraten hat, lösen kann. Durch Sie alle fühle ich mich ein wenig überfordert.«
Entschuldigungen murmelnd zogen sich die anderen Verkäuferinnen zurück, ihre Beraterin strahlte Bettina an.
»Ich denke nicht, dass Sie einen Schleier tragen sollten, das passt für meine Begriffe nicht zu Ihnen.«
»Finde ich auch, und Blumen oder Schleifen ins Haar, das ist auch nicht mein Ding.«
»Und Kämmchen mit etwas drauf? Perlen oder Seidenblumen oder auch …«
Bettina unterbrach sie.
»Ich habe niemals Kämmchen im Haar, das würde mich stören, und ich würde andauernd an mir herumzuppeln, außerdem … An dem schönsten Tag meines Lebens möchte ich mich nicht verkleiden und mich rundherum wohlfühlen. Bei dem Kleid weiß ich, dass ich das darin tun werde, und jetzt brauche ich nur noch hübsche, aber auch bequeme Schuhe.«
Die Verkäuferin nickte.
»Zu zu hohen Hacken würde ich Ihnen nicht raten, wenn Sie nämlich nicht daran gewöhnt sind, kann das zur Qual werden, auch bei noch so bequemen Schuhen, weil der Fuß ganz einfach nicht daran gewöhnt ist. Und ganz flach, nein, nicht unbedingt für diesen besonderen Tag. Warten Sie bitte einen Augenblick, ich habe da etwas im Auge. Welche Schuhgröße haben Sie? Neununddreißig?«
Bettina nickte verblüfft, ihre Kleidergröße hatte sie auf Anhieb erraten, nun auch ihre Schuhgröße.
Alle Achtung, die junge Frau schien wirklich was von ihrem Fach zu verstehen, oder sie hatte nur ein besonderes Augenmaß, doch das brauchte man in diesem Job auch.
Es dauerte nicht lange, da kam sie zurück, mit einem sehr schlichten, schmal geschnittenen Schuh mit einem kleinen Absatz. Der Schuh war aus ganz weichem Leder und hatte fast genau die Farbe des Kleides.
»Sehr hübsch«, sagte Bettina, »und wenn er passt, dann ist auch dieses Problem gelöst.«
Sie zog den Schuh an, er war perfekt.
»Kann ich jetzt bitte auch noch den zweiten haben?«, erkundigte sie sich.
Die Verkäuferin reichte ihn ihr, Bettina schlüpfte hinein, dann lief sie auf und ab.
Fantastisch!
Besser konnte es nicht sein.
»Die Schuhe nehme ich«, freute Bettina sich, »denn ich weiß, dass ich darin den ganzen Tag herumlaufen kann, ohne Blasen oder Druckstellen zu bekommen.«
»Du wirst wunderschön aussehen, Bettina«, sagte Leni, »Thomas werden die Augen aus dem Kopf fallen.«
»Besser nicht«, lachte Bettina, die ausnehmend gut gelaunt war.
Da hatte sie sich solche Sorgen gemacht, und jetzt war alles so glattgelaufen, beängstigend glatt. Wieso beängstigend? Der Himmel war auf ihrer Seite, dessen war sie sich absolut sicher, und er hatte ihr schon mal vorab eine große Freude für irdische Bedürfnisse in Form des zauberhaften Brautkleides und der hübschen Schuhe beschert.
Bettina ließ sich noch zu einem kleinen beutelartigen Täschchen überreden, das aus der Seide des Kleides gefertigt war. Denn es stimmte schon, sie musste wenigstens ein Taschentuch dabei haben, und das kaufte sie sich auch noch, und das war eines mit einer reichen Spitzenverzierung.
Als sie zur Kasse gingen, sagte die Verkäuferin: »Ich mache diesen Job zwar erst ein paar Jahre, aber dennoch, so schnell war eine Kundin noch niemals wieder draußen. Aber das liegt wohl daran, weil Sie wussten, was sie wollten und weil Sie auch wussten, was Ihnen steht. Manche Bräute kommen mit einem Tross von Beratern an und haben nach der zwanzigsten Anprobe noch immer keine Entscheidung getroffen, weil jeder etwas anderes schön findet und die Braut verunsichert.«
»Leni, dir habe ich zu verdanken, dass wir so schnell fertig wurden, denn du hast das Kleid ja irgendwo herausgefitschelt.«
»Na ja, ganz so kann ich mich damit nicht schmücken, mit den Steinen hättest du es ja nicht genommen.«
Bettina umarmte ihre Vertraute.
»Wie auch immer, liebste Leni, wir zwei sind halt ein gutes Team …, und da wir hier so schnell fündig geworden sind, haben wir jetzt Zeit für uns.«
Sie schaute die Verkäuferin an.
»Ich bezahle jetzt sofort, können wir das Kleid und die anderen Sachen noch hängen lassen und später abholen?«
»Selbstverständlich, überhaupt kein Problem.«
Nachdem Bettina bezahlt hatte, fiel ihr etwas ein.
»Mein Gott, Leni, ich war so sehr mit mir und meinen Bedürfnissen beschäftigt, dass ich dich ganz vergessen habe. Du wolltest doch auch nach einem Outfit für dich sehen.«
Leni winkte ab.
»Ich hab mich umgeschaut, aber es war nichts Passendes für mich dabei.«
Das konnte die Verkäuferin nicht verstehen.