Alexander von Ungern-Sternberg

Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien


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erzählte.

      Von dieser Zeit an entspann sich ein Verhältnis zwischen dem Kurfürsten und dem Fräulein.

      Das war nun bereits zwei Jahre her. Die Kurfürstin kämpfte dagegen mit allen Waffen, die Eifersucht und beleidigte Eitelkeit ihr eingaben; aber vergebens. Sie bewirkte nur, daß die Flamme, die ihr Gemahl für das schöne, tugendsame Fräulein hegte, an Lebhaftigkeit zunahm und an Dauer wuchs.

      An dem Abend, von dem hier die Rede ist, sollte der eifersüchtige Kampf zu einer Entscheidung gedeihen. Es war nur ungünstig, daß ein dritter, und zumal der Prinz von Baden, dabei zugegen war.

      Als man sich bei Tische versammelte, bemerkte der Kurfürst eine Wolke auf der Stirn seiner Gemahlin. Sie saß schweigend und still da, währender Prinz und der Kurfürst eine gezwungene Unterredung führten. Fräulein von Degenfeld hielt ein Unwohlsein an ihr Zimmer gefesselt. Die kurfürstlichen Kinder mit ihren Bonnen und Gouvernanten saßen an einem Tischchen in der Ecke des Gemaches.

      Der Unwille des Fürsten stieg von Minute zu Minute. Er mutmaßte, seine Gemahlin habe sich bei dem Gaste über ihn beschwert, und er drang jetzt darauf, ein freundliches Gesicht von ihr zu sehen.

      »Warum so übler Laune, Madame?« fragte er gespannt und die Augen nur halb öffnend, wie er es zu tun pflegte beim Heranrücken eines Sturmes.

      »Sie fragen mich, mein Herr?« bemerkte die Kurfürstin in einem gleichgültigen Tone.

      »Wen sonst?« entgegnete er. »Was ist Ihnen geschehen, was Ihre Laune dermaßen verschlimmert hat, daß Sie ganz zu vergessen scheinen, daß wir einen Gast haben?«

      »Die Frau Cousine«, bemerkte der Prinz von Baden, »war noch vor einer Stunde die Fröhlichkeit und Liebenswürdigkeit selbst.«

      »So! Also meine Gegenwart ist's alsdann, die so übel wirkt,« sagte der erzürnte Fürst. »Ist's so, Madame?«

      Keine Antwort. Nur ein stilles, verdrießliches Vorsichhinsehen.

      »Ich will Antwort!« rief der Fürst jetzt im vollen Zornes. »Man spreche es laut aus, was mißfällt und was man anders wünscht.«

      »O, sehr vieles!« sagte jetzt die Kurfürstin in einem schnellen und leidenschaftlichen Tone. »Wenn das Aussprechen nur hülfe. Kann man einen Hof sehen, an welchem es übler zugeht als hier!«

      »Wer beträgt sich hier schlecht?« rief der Fürst wahnsinnig laut.

      Die Kurfürstin blieb still und verwundert sitzen.

      »So sei dies die Antwort!« schrie der Fürst, indem er seiner Gemahlin einen Schlag ins Gesicht gab, so daß die Tischgäste entsetzt aufsprangen. Die Kurfürstin warf ihrem Gemahl einen Blick zu, in dem sich Zorn und Verachtung aussprachen, und verließ den Saal. »Ich will Ruhe haben!« tobte der Zornige weiter, »und kann ich sie nicht auf anderen Wegen erreichen, so auf diesem. Sie ist die Tückische, die mich immerdar zum Zorne reizt. Es muß anders werden. Ich schwöre es bei dem Andenken meines Vaters.«

      Die Kinder hatten sich erhoben. Der Knabe lief der Mutter nach, das kleine Mädchen aber kam zum Vater, klammerte sich an dessen Knie und bat: »Schlage mich, Vater, wenn du jemand schlagen willst, nur nicht die Mutter.«

      Der Zorn des Fürsten war verzogen. Er hob das Kind auf, küßte es und rief unter vorquellenden Tränen: »Es ist gut, Kleine; es wird alles gut werden! O, was das Dasein für eine Qual ist!«

      3.

       Das Fensterkreuz

       Inhaltsverzeichnis

      Es wird nötig sein, etwas vom Charakter Luisens von Hessen zu sagen.

      Der Kurfürst, als er sich am Hofe des Landgrafen befand, war gerade damals auf dem Gipfelpunkt seines Mißgeschicks. Die Fürsten, die kaum sich beruhigt hatten, den Vater des jungen Prinzen von seinem usurpierten Throne gestoßen zu haben, beratschlagten darüber, welche Strafe sie über die Söhne verhängen sollten. Es hieß, daß keiner derselben das Recht auf den pfälzischen Thron erreichen solle. Da gelang es Julianen, der Witwe eines der, Vettern des Kurfürsten, am Hofe des Kaisers eine günstige Stimmung für das ausgeschlossene Haus zu erwecken. Man beschloß, einen Versuch zu machen, ob einer der unglücklichen Prinzen befähigt sei, die Erblande des Verstorbenen zu regieren. Man wählte den Ältesten, der provisorisch eingesetzt wurde mit der Aussicht, den Thron sofort wieder einzubüßen, wenn die Stände des Reiches eine Klage gegen ihn vorbrächten. So betrat Karl Ludwig das Erbe seiner Väter. Die Zeitumstände besserten sich wider Erwarten; jene Formel wurde beseitigt, und hinfort war nicht weiter die Rede von einer anderweitigen Besetzung des Thrones. Als der Prinz noch zweifelhaft war, ob ihn das Glück begünstigen werde, oder ob es ihn fallen lassen würde bis tief in das Bodenlose eines verzweifelten Mißgeschicks, befand er sich gerade in der freundschaftlichen Nähe des Vaters Luisens, der auch stets der warme Anhänger des unglücklichen Böhmenkönigs war.

      Das Mißgeschick fesselte die Herzen und machte den, der davon betroffen, anziehend und wünschenswert. Dies empfand Luise. Eine geheime Liebe jedoch machte sie abgeneigt, auf neue Anerbietungen einzugehen, die ihr gemacht wurden. Der Landgraf ließ nicht undeutlich sein Verlangen merken, die Prinzessin dem Sohne seines ehemaligen Freundes zu geben. Luise schwankte. Sie erkannte das Zartgefühl in dem fürstlichen Jüngling, mit keinem offen hingestellten Verlangen hervorzutreten. Was konnte er ihr bieten? Sollte sie, die Besitzende, die Sicherberechtigte, sich dem Wellenschläge eines ungewissen Geschicks hingeben? Mit dem, den sie wählte, Flucht und Verbannung teilen? Nimmermehr. Karl Ludwig verschloß tief im Busen seine Wünsche, seine Hoffnungen. Da zerriß der Tod das Band der frühern Liebschaft: Luise war frei, und das Resultat ihrer Freiheit war ihre Entscheidung für Karl Ludwig. Die Eltern der Prinzessin priesen das Glück des jungen Paares, besonders da nun die günstige Entscheidung seiner äußeren Verhältnisse hinzukam, der Weg zum Throne ihm gebahnt war. Die in Haag lebende Mutter des Prinzen, die mit ihren Kindern dorthin geflüchtet war, und die nebst ihrem eigenen trüben Lose das Geschick ihres Bruders, jenes unglücklichen Karl I. von England, zu beweinen hatte, erfuhr diese freudige Nachricht mit hoher Befriedigung. Sie machte sich mit ihren Töchtern auf den Weg und traf in Kassel ein, um die Hochzeit ihres ältesten Sohnes mitzufeiern.

      Luise zog mit ihrem Gemahl in Heidelberg ein. Die reizende Umgebung, die herrliche Lage des Ortes trugen das ihrige dazu bei, das Glück des jungen Paares zu erhöhen. Bald nacheinander genas die Pfalzgräfin zweier Kinder, eines Sohnes und einer Tochter, die im Laufe von fünf Jahren das Licht der Welt erblickten. Die Tochter war jene Elisabeth Charlotte, das lebendige, aufgeregte Kind, das wir vor uns gesehen haben. Karl Ludwigs Charakter neigte nichtsdestoweniger zur Schwermut; je mehr er seine äußere Existenz sich befestigen sah, je deutlicher das Glück sich für ihn aussprach, um so düsterer umzog sich sein innerer Himmel. Er erlebte Tage, wo ihm alles, was er errungen hatte, zweifelhaft schien, wo er von neuem den Sturm des Schicksals sich gegen ihn entfesseln sah, und wo nichts ihn zu retten versprach als eine Entfernung vom Schauplatz der Tätigkeit in eine einsame Klause der Weltentfremdung. Solche Augenblicke benutzte seine Gemahlin, um sich ihm im Gefolge der einschmeichelnden Kunst zu nahen, deren Meisterin sie war. Sie spielte die Theorbe, sie sang, sie trug die Märchen und Sagen ihres Vaterlandes in einfacher, schlichter Weise vor, und immer gelang es ihr, den kranken Mann aus seiner Erstarrung zu reißen und ihn dem Leben und dem Hoffen neu wiederzugeben.

      Dieses schöne Verhältnis hatte zehn Jahre gedauert, als jenes Ereignis, von dem wir Kunde gegeben, dazwischentrat. Die Kurfürstin sah sich zurückgesetzt, einem jüngeren, lieblicheren Wesen, das sie neben sich aufgezogen hatte, hingeopfert. Der Schmerz, den diese Entdeckung ihr verursachte, war peinvoll. Sie machte Versuche, ihr früheres Ansehen wieder zu erreichen, aber umsonst. In jenem Augenblick des Trübsinns, der jetzt öfter sich einstellte, war ihre liebevolle Nähe ihrem Gemahl nicht genügend; sein Sinn strebte nach etwas, was ihm fehlte, und hätte auch nichts die Gemütsverfassung des Fürsten verraten, die plötzliche Erscheinung des jungen Fräuleins von Degenfeld hätte es tun müssen, die, wenn sie erschien, plötzlich das finstere Gewölk zerriß und einen himmlischen