Alexander von Ungern-Sternberg

Alexander von Ungern-Sternberg: Historische Romane, Seesagen, Märchen & Biografien


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haben.« –

      »Nennt mich, liebe Dame, General Duprez, und dieser hier ist mein Neffe, der Marquis von Rohan.«

      »Ah!« rief die Frau respektvoll, und die beiden Herren der Kleinen vorstellend, sagte sie: »Hier, Madame, ist der Herr General und der Herr Neffe des Generals, die das Vergnügen haben, Euch vorgestellt zu werden. Nehmen Sie Ihre Mütze ab und grüßen Sie.«

      Das Mädchen tat, wie ihr geheißen, mit einem feinen und zierlichen Anstande, dann wieder die Kopfbedeckung mit dem Schleier aufsetzend, rief sie mit kindlicher Freude, halb zu ihrer Erzieherin gewendet: »Was sagst du, Mutter, wenn ich die Herren oben in die Burg führe? Ihnen zeige, was sie sehen wollen? Der Vater ist nicht zu Hause, und die Mutter hat sich eingeschlossen. Niemand wird uns stören.«

      Auf eine Kopfneigung der Mademoiselle Joli erfaßte die Prinzessin die Hand des Generals und führte ihn den Gang hinauf. Der junge Mann und die Gouvernante folgten.

      Oben angelangt, waren die Fremden erstaunt über die reiche Aussicht, die sich von dem Plateau des Burghofes ringsumher dem Auge bot. Das ganze, schöne Neckartal, mit seinen Hügeln und Tälern lag vor ihnen, und durch die Ebene schlängelte sich der Fluß, dessen Ufer alte Burgen und neue Anpflanzungen zierten. Rundum schmückten Statuen den innern Burghof und gaben mit ihrer majestätischen Ruhe dem Ganzen den Charakter einer wahren Königsburg, die stolz und sicher die Gegend beherrschte.

      »Das sind sämtlich meine Väter,« sagte die Kleine, auf eine Treppenstufe sich stellend und auf die steinernen Gestalten zeigend. »Dies hier ist der Georg, dies der Wilhelm, jener der Heinrich! Sie haben alle gelebt, Gott weiß, wann, aber sie sind alle Herren des Landes gewesen, und ich – ich stamme von ihnen!«

      Der Ausdruck des Stolzes, des Selbstbewußtseins, mit dem die Kleine diese Worte sprach, hatte so etwas Eigentümliches und Komisches, daß die beiden Herren lachten und der ältere auf das Kind zulief, es in seine Arme schloß und einen Kuß auf seine Wangen drückte, indem er dazu rief: »O du niedliche Kleine! Sage mir, freust du dich auch, so große Herren zu deinen Vorfahren zu haben?«

      Das Mädchen sah ihre Erzieherin an, und dann antwortete sie langsam: »Ich darf es eigentlich nicht sagen, man hat es mir verboten, aber ich sage es doch: Wir sind viel reicher als der Kaiser in Wien, denn meine Papas sind älter als er und seine Papas. Mein Großvater war König. Und wenn ich einmal heirate, werde ich auch nichts anders als einen König nehmen.«

      Madame Joli mischte sich hier ins Gespräch, indem sie rief: »Lassen Sie sie, meine Herren, Sie hören, sie spricht töricht. Man muß auf Kindesworte nicht achten.«

      »Ich spreche nicht töricht, ich rede die Wahrheit!« rief das Kind entrüstet. »Wenn die Herren mich hören wollen, so laß sie doch! Mußt du denn immer dazwischenfahren?« –

      Die Herren und die Gouvernante lachten über das zornrote Kind, das beschämt darüber sich in den schwarzen Schleier wickelte und hinter der alten Dame sich versteckte. Indem kamen noch ein paar Herren hinauf, die die ersteren zu suchen schienen. Sobald sie sie entdeckten, entblößten sie ihre Häupter und blieben ehrfurchtsvoll stehen.

      »Sind die Wagen in Bereitschaft?« fragte der ältliche Herr.

      »Sie sind's, gnädiger Herr!« erwiderte einer der Männer.

      »So laßt uns gehn.« Er wandte sich an die Erzieherin. »Haben Sie Dank, meine Dame,« sagte er, »für Ihre Güte, mit der Sie uns hier aufgenommen. Melden Sie Ihrem Herrn, daß wir als Reisende unsere Straße ziehen, sonst würden wir uns die Ehre geben, ihm auszuwarten. Und Sie, mein Prinzeßchen, geben Sie uns die Hand zum Abschiede.«

      Das Kind war durchaus nicht erstaunt, als sie erfuhr, mit wem sie sprach. Sie hielt ein kleines, goldenes Bildchen in ihren Händen, das der junge Mann an einer Kette trug. »Wen stellt das vor?« fragte sie den Prinzen.

      »Einen Heiligen, wie Sie hier mehrere sehen!« erwiderte der junge Mann.

      »Gebt es mir!« rief die Kleine; »ich liebe Bilder, ich möchte es haben.«

      Ohne ein Wort zu erwidern nestelte der junge Mann das Bild los und gab es der Prinzessin. »Dafür sollst du einen Kuß haben,« sagte das mutwillige Mädchen. »Da du ein Marquis bist, kann ich dich küssen.«

      Der Kuß wurde gegeben, unter herzlichem Gelächter der beiden Herrn, und die Gesellschaft trennte sich. Der Graf und der Marquis gingen voran, die Herren aus ihrem Gefolge begleiteten sie. Madame Joli stand noch lange mit der Kleinen auf dem Arme und sah die fremden Herren über die Brücke gehen und drüben sich auf der Landstraße verlieren.

      2.

       Der Schlag ins Gesicht

       Inhaltsverzeichnis

      Der Pfalzgraf Karl Ludwig empfing bei seiner Zurückkunft die Nachricht von den zwei Fremden; er tadelte seine Tochter über das erbetene Geschenk und befahl der Gouvernante, daß sie künftig dergleichen nicht dulden solle; denn er, wie sein Haus, begehre von niemand etwas.

      Die Stimmung des Herrn war schwer und bedrückt. Er setzte sich an einen Tisch in der Halle und stützte das Haupt in die Hand. Wenn man das Antlitz ansah, wie es sich jetzt, halb beschattet von der Hand, zeigte, so war es das eines noch schönen Mannes, obgleich die Jahre merklich darüber hingezogen waren. Das Auge war groß und dunkel, aber zugleich geheimnisvoll und düster; die Brauen hingen tief hinein, und sie sowohl als die Barthaare hatten einen Anflug von Grau, obgleich der Herr noch nicht volle vierzig Jahre zählte. Seine Gestalt war voll und stark; der einfache Jagdrock zeigte die Schönheit und das Ebenmaß der Glieder. In der Jugend war Karl Ludwig schwächlich gewesen, und der mindest schöne von den schönen Kindern des unglücklichen Böhmenkönigs und der lieblichen Prinzessin von England; später aber hatten Kriegsübungen seinen Körper gestählt, und die trüben Erfahrungen seiner Jugend waren ihm Lehren der Weisheit und Vorsicht geworden.

      Das Kind, das noch immer mit seinem goldenen Bildchen spielte, drückte sich zwischen die Knie des Vaters, und indem es die klaren Augen nicht von der kummergedrückten Miene desselben wegwandte, liebkoste es schüchtern den trauernden Mann, indem es mit seinen Händchen über die breite und nervige Hand des Vaters fuhr. Madame Joli hatte sich entfernt.

      »Was haben dir die Herren gesagt?« fragte der Vater seine Tochter, indem er sie mit mißtrauischen Blicken ansah.

      »Nichts, Papa, gar nichts. Die waren ja selbst fremd!« erwiderte das Mädchen.

      »Vielleicht waren es Späher,« murmelte der Fürst vor sich hin. »Ich habe überall Feinde.«

      »Die hatten so offene, gute Gesichter,« sagte die Kleine. »Wenn sie alle in Frankreich so aussehn, möchte ich wohl hin.«

      »So?« sagte Karl Ludwig, und seine Miene verzog sich etwas zum Lächeln. »In zehn Jahren wollen wir weiter davon sprechen. Ich werde dich aus dem Hause geben, Mädchen!«

      Das Kind sah den Vater an. »Fortgeben willst du mich?« fragte es unwillig und überrascht. »Wohin denn? Gehör' ich nicht hierher? Bin ich nicht dein Kind?«

      »Du sollst zu deiner Tante, der guten Kurfürstin von Hannover.«

      »Zu der? Zu der Tante, die mir zu Weihnachten die schöne Puppe geschickt hat? Ja, zu der will ich.«

      Die Kleine sah zufrieden und stolz ans, indem sie dies sagte. Der Vater fragte: »Also du gehst gern?«

      »O – Vater!« rief sie und hing sich an seinen Hals, »wie kannst du nur so sprechen! Ich denke, du kommst mit!« sagte das Mädchen.

      »Wie kann ich?« rief der Vater finster. »Weißt du denn nicht, daß ich hierbleiben muß?«

      »Wegen Fräulein Luise?« fragte das Kind.

      »Still!« rief der erschreckte Mann und hielt die Hand dem Kinde vor den Mund. »Du darfst nicht von ihr sprechen. Hörst du? Nie ihren Namen nennen. Die Arme hat es so schon schwer genug hier im Hause!« –

      »Die