Die beliebtesten Geschichten, Sagen & Märchen zur Weihnachtszeit (Illustrierte Ausgabe)
was du nicht ahnst, was aber mein ganzes Leben verbittert. Meine Mutter bedenkt nicht, daß du alles, was du verloren hast, nur um meinetwillen einbüßtest, nur weil ich dir Treue geschworen hatte. Sie setzt ihr Herz auf Reichtum und will mich zu meinem tiefsten Kummer zu einer anderen Ehe drängen. Ich kann das nicht ertragen, denn es ertragen, hieße treulos gegen dich sein. Ich will lieber deine Sorgen teilen als ihnen nur zuzusehen. Ich wünsche mir kein besseres Heim, als du mir geben kannst. Ich weiß, daß du mit erhöhtem Mut streben und arbeiten wirst, wenn ich ganz dein bin, und so mag es denn sein, sobald du willst!«
Ich war unendlich glücklich an jenem Tage und eine neue Welt öffnete sich vor mir. Wir heirateten ganz kurze Zeit darauf und ich führte mein Weib in mein glückliches Heim. Damals bezogen wir zuerst das Haus, von dem ich gesprochen habe; das Schloß, das wir seitdem stets zusammen bewohnt haben, stammt aus dieser Zeit. Alle unsere Kinder sind darin geboren worden. Unser erstes Kind, das jetzt verheiratet ist, war ein Mädchen, das wir Christiana nannten. Ihr Sohn ist dem kleinen Frank so ähnlich, daß ich sie kaum auseinanderhalten kann.
Auch die herrschende Meinung über die Handlungsweise meines Partners gegen mich ist vollkommen irrig. Er begann mich nicht von oben herab zu behandeln, wie einen armen Schwachkopf, als das unheilvolle Zerwürfnis zwischen mir und meinem Onkel eintrat. Auch bemächtigte er sich nicht allmählich unseres Geschäfts und drängte mich hinaus. Im Gegenteil, er verfuhr gegen mich wie ein vollendeter Ehrenmann.
Die Dinge zwischen uns spielten sich folgendermaßen ab: An dem Tag der Trennung von meinem Onkel, und sogar bevor noch meine Koffer in unserem Kontor anlangten (er hatte sie mir nachgeschickt, ohne den Wagen zu bezahlen), ging ich in unser Geschäftslokal auf unserem kleinen Kai am Fluß. Dort teilte ich John Spatter den Vorfall mit. John gab nicht zur Antwort, daß reiche alte Verwandte greifbare Tatsachen, Liebe und schöne Gefühle aber Mondschein und Phantasterei seien. Er sprach folgendermaßen zu mir:
»Michael«, sagte John, »wir sind zusammen zur Schule gegangen, und ich brachte es in der Regel fertig, besser voranzukommen als du und mir größeres Ansehen zu verschaffen.«
»Das tatest du, John«, erwiderte ich.
»Obgleich«, sagte John, »ich deine Bücher borgte und sie verlor; dein Taschengeld borgte und es verlor; dir meine schadhaften Messer zu einem höheren Preis verkaufte, als der war, den ich neu für sie gegeben hatte; und dich die von mir zerbrochenen Fenster auf deine Kappe nehmen ließ.«
»Alles nicht der Rede wert, John Spatter«, sagte ich; »aber zweifellos wahr.«
»Als du zuerst dieses Geschäft anfingst, das sich so verheißungsvoll anläßt«, fuhr John fort, »kam ich, eine Beschäftigung suchend und bereit, fast jede anzunehmen, zu dir, und du machtest mich zu deinem Angestellten. «
»Ebensowenig der Rede wert, mein lieber John Spatter«, sagte ich; »aber ebenso wahr.«
»Und da du fandest, daß ich gute Fähigkeiten für das Geschäft besaß und dem Geschäft wirklich nützlich war, so wolltest du mich nicht in dieser Stellung belassen, sondern hieltest es für ein Gebot der Gerechtigkeit, mich bald zu deinem Partner zu machen.«
»Noch weniger der Rede wert als die anderen kleinen Umstände, an die du erinnertest, John Spatter«, sagte ich; »denn ich kannte und kenne deine Verdienste und meine Mängel.«
»Nun, mein lieber Freund«, sagte John, meinen Arm durch den seinen ziehend, wie er es in der Schule zu tun pflegte – draußen vor den Fenstern unseres Kontors, die wie die Heckluken eines Schiffes geformt waren, schwammen zwei Fahrzeuge mit der Flut leicht den Fluß hinab, so wie John und ich in diesem Augenblick gemeinsam und voll gegenseitigen Vertrauens auf unsere Lebensreise hätten ausfahren können –, »unter diesen freundlichen Umständen soll in jeder Beziehung Klarheit zwischen uns herrschen. Du bist zu gutmütig, Michael. Du bist niemandes Feind als dein eigener. Wenn ich unter unserer Kundschaft diesen schädlichen Ruf über dich mit einem Achselzucken und einem Kopfschütteln und einem Seufzer verbreitete, und wenn ich ferner dein Vertrauen mißbrauchte ...«
»Aber du wirst es niemals mißbrauchen, John«, bemerkte ich.
»Niemals!« sagte er. »Aber ich setze den Fall. Ich sage also, wenn ich ferner dein Vertrauen mißbrauchte, indem ich die eine unserer gemeinsamen Geschäftsangelegenheiten im Dunkeln ließe und eine andere im Licht und noch eine andere im Zwielicht und so fort, so könnte ich Tag für Tag meine starke Stellung verstärken und deine Schwäche vergrößern, bis ich mich schließlich auf dem Wege nach dem Glück befände, während du auf irgendeiner kahlen Wiese in hoffnungsloser Entfernung zurückgeblieben wärst.«
»Ganz richtig«, sagte ich.
»Uni dies oder die leiseste Möglichkeit dazu zu verhindern, Michael«, sagte John Spatter, »müssen wir vollkommen offen gegeneinander sein. Nichts darf verheimlicht werden und wir dürfen beide nur ein Interesse haben.«
»Mein lieber John Spatter«, versicherte ich ihm, »das ist mir aus dem Herzen gesprochen.«
»Und wenn du zu gutmütig bist«, fuhr John fort, während sein Gesicht vor Freundschaft erglühte, »dann mußt du mir erlauben, dafür zu sorgen, daß dieser kleine Fehler von niemand ausgenutzt wird. Du darfst nicht erwarten, daß ich dich darin bestärken werde ...«
»Mein lieber John Spatter«, unterbrach ich ihn, »ich erwarte gar nicht, daß du mich darin bestärkst. Ich wünsche, daß du es mir abgewöhnst.«
»Und ich ebenfalls«, sagte John.
»Ganz recht!« rief ich. »Wir haben beide dasselbe Ziel im Auge; und indem wir ehrlich danach streben und volles Vertrauen zueinander haben und nur ein gemeinsames Interesse kennen, wird unsere Partnerschaft blühen und gedeihen.«
»Dessen bin ich gewiß!« erwiderte John Spatter.
Worauf wir uns aufs herzlichste die Hände schüttelten.
Ich nahm John mit nach Hause in mein Schloß, und wir verbrachten einen sehr schönen Tag. Unsere Partnerschaft gedieh. Mein Freund und Partner ergänzte meine Mängel, wie ich es vorausgesehen hatte. Er sorgte für das Geschäft und für mich und vergalt dadurch reichlich das wenige, das ich etwa getan hatte, um ihm im Leben fortzuhelfen.
Ich bin nicht sehr reich (sagte der arme Verwandte, sich bedächtig die Hände reibend und ins Feuer blickend), denn ich habe nie Wert darauf gelegt, es zu sein. Aber ich habe genug, um ein mäßiges, sorgenfreies Leben führen zu können. Mein Schloß ist kein prachtvoller Ort, aber es ist sehr behaglich. Wärme und Fröhlichkeit herrschen darin, und es ist das Bild eines glücklichen Heims.
Unser ältestes Mädchen, das seiner Mutter sehr ähnlich ist, heiratete John Spatters ältesten Sohn. Und auch noch andere Bande knüpfen unsere beiden Familien eng aneinander. Schön sind die Abende, wenn wir alle beisammen sind – was häufig der Fall ist – und John und ich von alten Zeiten reden und von der festen Einigkeit, die stets zwischen uns geherrscht hat.
In meinem Schloß ist es niemals einsam. Einige unserer Kinder oder Enkel sind immer zugegen, und die jungen Stimmen meiner Nachkommen tönen mir köstlich – o wie köstlich! – ins Ohr. Mein teures und mir ganz ergebenes Weib, immer treu, immer liebevoll, immer hilfreich und trostspendend, ist der unschätzbare Segen meines Hauses, und alle anderen Segnungen, mit denen es beglückt ist, stammen von ihr. Wir sind eine ziemlich musikalische Familie, und wenn Christiana gelegentlich sieht, daß ich ein wenig müde oder verstimmt bin, dann stiehlt sie sich ans Klavier und singt ein sanftes Liedchen, das sie in der ersten Zeit unserer Verlobung zu singen pflegte. Ich bin so ein schwacher Mensch, daß ich es von niemand sonst hören kann. Sie spielten es einstmals, als ich mit dem kleinen Frank im Theater war, und das Kind sagte verwundert:
»Vetter Michael, wessen heiße Tränen sind da auf meine Hand gefallen?«
Das ist mein Schloß und das sind die wirklichen Einzelheiten meines Lebens, die darin aufbewahrt sind. Ich nehme oft den kleinen Frank dorthin mit. Meine Enkelkinder empfangen ihn mit offenen Armen, und sie spielen zusammen. Zu dieser Zeit des Jahres – um Weihnachten und Neujahr – bin ich selten außerhalb meines Schlosses. Denn die Gedanken, die die Zeit mit sich bringt,