Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Jubiläumsbox 3 – Arztroman


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daß Pamela sich mit allen Familienangehörigen duzte, um ihr gleich das Gefühl zu geben, daß sie zu ihnen gehörte. Es hatte niemand etwas dagegen. Mary hatte sie liebevoll aufgenommen.

      Pamela war sehr verlegen geworden, als Nicolas so plötzlich vor ihr stand.

      »Ich habe heute meinen Vater kennengelernt und darf ihn mit Marius’ Erlaubnis im Hotel aufsuchen.«

      »Ich bringe dich hin«, bot sich Nicolas sofort an.

      »Das ist doch nicht nötig, vorn ist ein Taxistand.«

      »Ich nehme an, daß Marius schläft, also kann ich dich hinbringen«, erklärte Nicolas energisch. Sogar seine Stimme war der von Marius ähnlich.

      »Okay, ich nehme es dann dankend an.«

      Er half ihr, ganz Kavalier, in den Wagen. Als er sich neben sie ans Steuer setzte, sagte er: »Du solltest dich Marius gegenüber ruhig behaupten, Pamela. Du bist keine Befehlsempfängerin.«

      »Er meint es nicht so. Er ist krank und sehr empfindlich.«

      »Und sehr eifersüchtig. Aber er kann nicht von dir verlangen, daß du ständig nur um ihn bist. Du gehst ein, wenn du nicht unter gesunde Menschen und an die frische Luft kommst. Es ist eine Tatsache, die Marius akzeptieren muß.«

      »Ich will ihm nicht weh tun. Ich habe das Gefühl, daß er manchmal große Schmerzen hat und deshalb heftig reagiert.«

      »Hast du dir schon mal Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll?«

      »Ich habe ihm versprochen, daß ich bei ihm bleiben werde, und ich halte mein Wort.«

      Er seufzte. Sie sah ihn von der Seite her an und dachte an jenen bedeutungsvollen Traum, in dem sie glaubte, Marius gesehen zu haben, aber einen gesunden, kräftigen, lachenden Marius. Nicolas entsprach eher diesem Bild. Sie erschrak bei diesem Gedanken. Aber sie mußte sich eingestehen, daß gerade Nicolas ihr deshalb so besonders vertraut war.

      »Er will dich heiraten«, sagte er rauh.

      »Er meint, daß ich Sicherheit brauche, aber darum geht es mir nicht. Das werdet ihr nicht glauben. Es war bei uns sofort ein Gleichklang, anders kann ich es nicht bezeichnen.«

      »Marius ist eine starke Persönlichkeit gewesen, und gewiß hat er so auch auf dich gewirkt. Ich verstehe es ja. Ich liebe meinen großen Bruder, er war immer mein Vorbild, denn unser Vater konnte keins sein. Es war Mama, die alles zusammengehalten hat. Du wirst auch zu uns gehören, wenn es nicht mehr zu einer Heirat kommt, Pamela.«

      »Marius wird nicht darauf verzichten. Denkst du, es ist leicht für mich, ihn zu heiraten mit dem Wissen, daß es nur für eine kurze Dauer sein wird und Glücksgefühle gar nicht aufkommen können? Anfangs habe ich mir das alles so romantisch vorgestellt. Es war mein erster Ausflug in eine fremde Welt, und dann lerne ich gleich einen so faszinierenden Mann kennen. Ich habe einfach gedacht, daß er gar nicht so krank sein dürfe.« Ihre Stimme bebte. Nicolas spürte, daß sie den Tränen nahe war.

      Sie waren beim Hotel angekommen, und als er ihr beim Aussteigen half, legte er die Hände um ihre schmalen Schultern.

      »Ich bin immer für dich da, Pamela«, sagte er leise.

      Da kam Jesco von Bartoli auf sie zu.

      »Pamela, ja, du bist es. Ich hatte in der Klinik angerufen und gehört, daß du schon unterwegs bist. Ich habe auf dich gewartet.« Er sah Nicolas forschend an.

      »Das ist Nicolas Campen, mein Vater, Jesco von Bartoli.«

      Sie hatte Nicolas seinen Namen noch nicht genannt, und er war mehr als überrascht.

      »Ich kenne Ihre Bücher«, sagte er, »es freut mich, Sie kennenzulernen und daß Sie Pamelas Vater sind.«

      »Ich hoffe, daß wir uns noch besser kennenlernen«, sagte Jesco. »Heute möchte ich aber mit meiner Tochter allein sprechen. Wir haben uns viel zu sagen. Ich werde Pamela auch zur Klinik zurückbringen. Aber vielleicht haben Sie ein andermal Zeit. Ich bleibe noch ein paar Tage in München.«

      »Es wird sich sicher ergeben«, erwiderte Nicolas. Er küßte Pamela die Hand. »Halt die Ohren steif, Pamela.«

      Von Jesco verabschiedete er sich mit einem festen Händedruck und einem Blick, der mehr sagte als Worte.

      »Ein imponierender junger Mann«, stellte Jesco sofort fest, als sie das Hotel betraten.

      »Er sieht Marius sehr ähnlich«, erklärte Pamela geistesabwesend.

      Aber er ist jung und gesund, dachte Jesco. Sagen wollte er es nicht, überhaupt nichts sagen, was Pamela verletzen und ihr erstes Beisammensein stören konnte. Er sah, wie blaß und angegriffen sie aussah und hätte sie am liebsten gleich von hier fort mit an den Tegernsee genommen.

      Pamela erzählte wenig von ihrer Kindheit und Jugend. Sie sprach mehr über Madame d’Antoine als über ihre Mutter.

      »Meinst du, daß ich Ines versöhnen könnte?« fragte Jesco.

      »Willst du sie etwa jetzt noch heiraten?«

      »Daran habe ich nicht gedacht, aber dir zuliebe würde ich es tun.«

      »Das ist Unsinn, was sollte denn daraus werden? Ich denke, daß Mama jetzt, da ich weg bin, Julio Rios heiraten wird. Er ist Geschäftsmann und hat auch Geld. Sie kennen sich schon lange.«

      »Das wäre natürlich die bessere Lösung. Dann wäre mein Schuldbewußtsein geringer.«

      »Mama wollte nicht, daß ich etwas über dich erfahre. Wenn sie dich wirklich geliebt hätte, wäre sie nicht so abweisend gewesen.«

      »Sie war zutiefst gekränkt, weil ich mich nicht scheiden lassen konnte. Vera war sehr krank, und sie hätte es nicht verdient, im Stich gelassen zu werden. Du siehst, es gibt Parallelen in unserem Leben, mein Kind.«

      »Dann verstehst du auch, daß ich Marius nicht im Stich lassen kann?«

      »Du hast ihn gerade erst kennengelernt, und er war bereits ein kranker Mann, Pamela. Ich fürchte nur, du bist dir nicht im klaren, was du dir da aufbürdest.«

      »Er bedeutet mir sehr viel, und er sieht in mir das Glück seines Lebens. Er hat nie eine andere Frau geliebt.«

      »Er klammert sich an das Leben, das du verkörperst. Ich will dir nicht dreinreden, Pamela, dazu habe ich gar nicht das Recht. Ich hoffe nur, daß du die Zeit ohne seelischen Schaden überstehst. Ich habe ein hübsches Haus am Tegernsee, dessen Türen ganz weit für dich aufstehen. Und deine Zukunft wird auch durch mich gesichert sein.«

      »Ich denke nicht an Sicherheit, Vater. Ich war bereit, mein Leben selbst in die Hände zu nehmen. Ich bin nicht verwöhnt, und das ist gut so. Es hat mich auch ein bißchen erschreckt, daß die Familie Campen so vermögend ist. Ich will nicht in den Verdacht geraten, daß dies von ausschlaggebender Bedeutung für mich ist. Aus dem Grunde wäre es mir schon lieber, wir würden nicht heiraten und ich würde als Pflegerin bei Marius bleiben, aber das wollen sie alle nicht. Sie sind wirklich sehr fürsorglich und zeigen mir auch, daß sie mich bewundern. Dabei fällt es mir gar nicht schwer, für Marius zu sorgen, wirklich nicht.«

      »Aber du mußt daran denken, daß es schwerer werden wird, mein Kind.« Er genoß es, mein Kind zu sagen und sprach es zärtlich aus.

      »Mach dir keine Sorgen, ich bin kräftiger, als es aussieht. Jetzt weiß ich ja auch, zu wem ich mich flüchten kann, wenn das Unvermeidliche tatsächlich geschieht.«

      »Ich wünsche so sehr, dir helfen zu können, Pamela.«

      »Du hilfst mir, indem du gekommen bist. Marius sagt, ich sei sein Engel, und ich glaube, daß der Herrgott mir meinen Weg gewiesen hat.«

      Er freute sich, daß sie dann mit Appetit aß und sogar etwas Wein trank und auch auf das leckere Dessert nicht verzichtete. Ihre Wangen hatten sich rosig gefärbt, und in ihren Augen war jetzt ein anderer Glanz, wenn sie ihren Vater ansah.

      »Ich habe dir etwas mitgebracht, Pamela«, sagte er richtig feierlich.