Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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kenn Euch als einen Herren, der zu sparen versteht, wenn es sich nicht um Falken handelt!« brach Wernherus das Schweigen. »Der Herzog in Bayern muß dem Kloster wertvollen Gruß gesendet haben, weil Ihr dem Boten so verschwenderischen Lohn gereicht.« Er streckte die Hand nach der Rolle.

      Herr Friedrich deckte den Ärmel seines Pelzrockes über das Pergament und sagte lächelnd: »Geduld, Wernherus! Das ist eine Tugend, die du noch lernen mußt. Willst du der große Mann werden, den du heute schon in dir siehst, so mußt du das Warten üben. Das ist die beste Kraft der Mächtigen, daß sie den Augenblick erharren können, in dem ein Griff gelingt. Sie jagen wie der edle Falk. Der Habicht hat den Griff der hungrigen Ungeduld. Drum taugt er schlecht für den hohen Flug.«

      »Daß ich jede Botschaft kenne, die dem Kloster gilt, ist ein Recht meiner Würde.«

      »Bist du um das Recht der anderen auch so besorgt wie um das deine? In exemplum adjungo: um das Recht des Greimold im Gotteslehen?« Herr Friedrich versetzte dem Ring, in dem der Falke schaukelte, einen gelinden Stoß. »Wolltest du nicht Antwort wegen des Greimold haben?«

      »Gebt die Antwort!« erwiderte Wernherus mit zornbebender Stimme. »Nach der Botschaft des Herzogs, die Ihr Ursach zu verhehlen habt, will ich Euch fragen vor versammeltem Kapitel.«

      Wieder blitzten die Augen des Propstes in heiterem Spott. »Ja, guter Wernherus, tue das!«

      »Eure Antwort, Herr! Was beschließt Ihr gegen den Mann im Gotteslehen? Laßt mich die bewaffneten Knechte schicken, daß sie ihn fassen. Noch heute nacht!«

      »Schon wieder die Ungeduld?«

      »Ich kenne den Mann. Sein Trotz ist wie Eisen. Laßt Ihr ihm Zeit, so wird er seinen Hof festigen, wird Waffen schmieden gegen uns, und alle Unzufriedenen wird er sammeln unter seinem Dach.«

      »Der Unzufriedenen sind viele in meinem Land. Das hab ich dir zu danken.«

      »Nein, Herr! Schreibt die Ursach Eurer Schwäche zu!«

      »Freilich, ging es nach deinem Willen, so möchte den Unzufriedenen bald die Zunge fehlen, mit der sie schreien nach ihrem Recht.« Herr Friedrich lächelte wieder. »Aber hast du nicht selbst das Recht berufen? Eben jetzt? Da du so ein großer Freund des Rechtes bist, soll dem Mann im Gotteslehen geschehen nach Gesetz und Recht. Versammle das Kapitel und klage gegen den Mann!«

      »Das hieße Zeit verlieren. Der Bauer hat gelästert gegen mich und Euch, er hat die Landruh gestört und sein Gesind gegen unsere Leute gehetzt.«

      »Wenn das wahr ist, soll der Bauer seine Freiheit verlieren und sein Leben. Die Wahrheit muß erwiesen werden. Dein Zinsmeister ist ein Fisch von üblem Geruch. Er hat mehr Lügen im Sack als Haare an seiner Kutte. Hätte der Bauer getan, wie Medardus behauptet, so hätte Irimbert dem Mann nicht Hilfe geboten. Der soll der Zeuge sein, dem ich glauben will.«

      Wernherus lachte; es war ein Klang wie das Klirren der Fenster, an die der Sturmwind schlug. »Bis dieser Zeuge sich stellt, mögt Ihr lange warten, Herr Friedrich! Da er weiß, daß ihn sein Verschulden in meine Hand gegeben hat, wird er den Bereich meines Armes meiden. Bereitet Euch auf den Kummer vor, Euren Liebling nicht wiederzusehen. Ich will Milde üben und seine Flucht nicht hindern.«

      »Das ist auch von deinen Fehlern einer, du Milder, daß du die Menschen wägst nach deinem eigenen Gewicht. Vor dreißig Jahren ist ein junger Novize aus Furcht vor verdienter Strafe dem Kloster entsprungen. Der wäre nicht wiedergekommen, wenn ihn die Schergen nicht gefangen hätten. Er hieß Wernherus.« Da ließ sich im Klosterhofe wüstes Geschrei vernehmen, das den Lärm des Sturmes übertönte. »Höre, du Milder, wie deine Lämmer blöken!« Herr Friedrich schob das Pergament in eine Tasche seines Pelzrockes und ging zum Fenster. Ein kaltes Lächeln folgte ihm, ein sprühender Blick des Hasses. Der Propst hatte die Guckscheibe des Fensters in die Höhe geschoben und blickte in den von Geschrei erfüllten Hof. Unter wehendem Staub, den der sausende Sturmwind trieb, sah er im Klosterhof den Knäuel der lärmenden Brüder und sah, wie sich Irimbert den Fäusten entwand, die ihn bedrängten. Das Bild des Kampfes schien den Propst zu erheitern. Lachend rief er in den Hof hinunter: »Gib’s ihnen! Jeder Schlag ist wie guter Regen auf ihre brennenden Strohköpfe! Wehre dich, Irimbert! Und zu mir! Zu mir!« Er ließ das Fenster sinken und eilte zur Tür, als möchte er dem Bedrängten Hilfe bringen.

      Da vertrat ihm Wernherus den Weg. »Geduld, Herr Friedrich!« sagte er mit schneidendem Hohn. »Solltet Ihr die große Kunst des Wartens so wenig verstehen, daß Ihr nicht harren könnt, bis Euer Liebling diese Tür gewinnt? Ein Asyl, das ihn der Strafe entzieht, soll ihm Eure Stube nicht werden. Er ist schuldig und soll büßen. Oder –« Mit kaltem Lächeln sah Wernherus dem Propst in die Augen. »Wollt Ihr ihn schützen?«

      »Vor deinem ungerechten Haß, Wernherus? Ja!«

      »Auch gegen Hausgesetz und Regel?«

      »Nein!« Herr Friedrich wandte dem Dekan den Rücken zu und öffnete die Tür.

      Man hörte die Brüder schon im Hause lärmen. Jetzt erschienen sie in der Tiefe des Korridors. Irimbert schritt vor ihnen her, ruhig, ohne sich umzublicken nach dem Schwarm, der sich schreiend hinter ihm drängte. »Sieh nur«, sagte der Propst mit Lachen, »wie sie her sind hinter ihm! Wie die Meute hinter dem Hirsch, den sie ankläfft und nicht zu greifen wagt!«

      Mit brennendem Gesicht, ohne ein Wort zu sprechen, stand Irimbert vor dem Propste.

      »Komm herein!« Herr Friedrich gab die Schwelle frei. Dann trat er dem lärmenden Hauf entgegen. »Geht in Frieden auseinander, ihr guten Söhne des Himmels! Eure Herzen duften von aller Tugend. Tragt diesen Wohlgeruch hinunter ins Brüderhaus! Er macht mir die Luft in meiner Stube dick.« Unbekümmert um das Murren, das sich hinter ihm erhob, trat er in sein Gemach und schloß die Tür. Da hörte er, wie Wernherus sagte:

      »Schien dir der Weg über die Berge zu hoch und zu gefährlich? Fehlte dir der Mut, die Flucht zu wagen, um den Aufruhr in das Haus deines Bruders zu werfen?«

      Mit raschen Schritten trat Herr Friedrich zwischen die beiden.

      »Laßt ihn, Herr!« sagte Irimbert. »Er will nur hören, daß der Eid, den ich geschworen, stärker bindet als die Stricke seiner Knechte!«

      »Schweig, Irimbert! Und du, Wernherus? War’s nicht deine Absicht, das Kapitel zu versammeln, um gegen den bösen Bauer zu klagen?«

      Wernherus richtete sich auf, einen drohenden Blick in den kalten Augen. »Es könnte sein, daß ich noch andere Klage weiß als gegen den bösen Bauer und seinen rettenden Engel.« Stirn und Lippen mit der Hand berührend, neigte sich Wernherus gegen das Kreuzbild und verließ das Zimmer.

      Draußen hatte sich der Schwarm der Brüder schon verlaufen. Nur einige, Medardus unter ihnen, standen noch da und flüsterten mit einem Stiftsherren, der aus der Tür seiner Stube getreten war. Als der Zinsmeister den Dekan erblickte, eilte er ihm entgegen, das wohlwollende Antlitz glänzend von Schweißperlen.

      »Warum ließest du ihn nicht fassen, wie ich dir befohlen?« zischte Wernherus in Zorn.

      Medardus trocknete mit dem Kuttenärmel die glitzernden Perlen von den Hamsterbacken. »Hättet Ihr gesehen, Herr, wie er sich wehrte!«

      »In Euch ist der Mut des Hasen. Kraft ist nur in Eurem Wanst.«

      Medardus sah mit gutmütigem Leidensblick zu Wernherus auf.

      »Hat er geschmäht?«

      »Nein, Herr, nur zugeschlagen! Seine Fäuste sind wie Hämmer.«

      »Ist alles andere bereit?«

      »Ja, Herr!« Der Zinsmeister lächelte so freundlich wie an einem Michelstag, an dem kein Holde die Steuern schuldig blieb. »Der schwarze Käfig hat sein Türl aufgetan und wartet auf den Vogel.«

      »Bist du der Brüder sicher?«

      »Doppelt gemessenen Wein wird’s kosten. Ein paar haben steife Augen gemacht, aber sie schreien mit. Nur ein einziger weigert sich.«

      »Eligius?«

      »Ja, Herr!«