Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


Скачать книгу

wegen trug, mit seiner hochgesetzten Taille, mit den dickwattierten Schultern des nur schüchtern über das seidene Umschlagtuch vorguckenden Leibchens und all das andere Drum und Dran kontrastierte seltsam mit der groben, blauen Leinenschürze, die sie der Werkzeugkiste Paulis entnommen und zum Schutz ihrer Kleider umgebunden hatte.

      Über dieser Figur saß das kleine bewegliche Köpfchen mit einem Gesicht, in dessen vielen Falten sich Ernst und Gutmütigkeit friedsam berührten und das umrahmt war von grauen Haaren, die glatt an die Schläfe angescheitelt lagen und am Hinterkopfe sich zu einem etwas konfusen Knoten zusammen zwirbelten.

      Die hohe, braunhaarige Bibermütze, die diesen wirren, für die Augen der Welt nicht berechneten Teil der Frisur außer Hause zu verhüllen pflegte, lag auf dem Tisch, und um dieses kostbare Utensil vor Staub zu schützen, war es sorgsam mit einem weißen Taschentuche zugedeckt.

      »Sakrafix!« klang plötzlich die Stimme der Alten mit einem halblauten Aufschrei, und ihr linker Daumen, der von einem unvorsichtigen Hammerschlag getroffen war, fuhr hurtig nach dem Munde.

      »Ja, was machst denn, Traudl?« rief es durch die geöffnete Tür. »Auf den Nagel mußt schlagen und net auf deine Finger!«

      »Jetzt, wenn das net der Lehnl is, nachher will ich am Karfreitag Kirchweih feiern!« lachte Traudl, während sie mit ein paar Hammerschlägen den Nagel vollends befestigte. Dann ließ sie den Hammer sinken und drehte sich zur Tür. »No freilich!«

      Auf der Schwelle stand ein alter Mann, dessen weißes Haar darauf schließen ließ, daß er wohl schon die Sechzig auf dem Rücken haben mochte. Mit der einen Hand in der Hosentasche und die andere an der Pfeife, die zwischen seinen Zähnen hing, so stand er da, und mit den Augen, um die ein leiser Zug von spottender Überlegenheit spielte, zwinkerte er der Alten zu, die ihn schon lange kannte und ihm ebenso gut und gewogen war wie das ganze Dorf.

      Ungefähr vor zwanzig Jahren war er nach Graswang gekommen, aus Tirol her, wo er »Pechler« gewesen, und hatte sich die Zeit über so leidlich fortgebracht, indem er sich bei den Bauern auf Taglohn verdingte.

      Nun aber, da die Arbeitskraft seiner alternden Glieder schon ziemlich nachgelassen hatte, erhielt er von der Gemeinde eine jährliche Unterstützung und war vorn Wirte eigentlich mehr als Pfründner ins Haus denn in Dienst genommen worden. Da machte er sich durch kleine Verrichtungen nützlich, durch seinen Humor beliebt und erwies sich dankbar durch Anhänglichkeit an das Haus seines Wohltäters. Besonders an Loni, an der Adoptivtochter des Wirtes, hing Lehnl mit seiner zärtlich treuen Zuneigung.

      »No freilich!« hatte Traudl gesagt, als sie des Alten ansichtig geworden. »Wie man ein Vögerl am Gsang kennt, so kennt man dich an der Red. Da gibt's allweil ein Gspaß oder ein Spott!«

      Lehnl nahm das lächelnd hin, trat zu der Alten und war ihr behilflich, das Stübchen vollends in Ordnung zu bringen. Dabei wurde von allerlei gesprochen, die Dorfneuigkeiten der letzten vierzehn Tage wurden duchgehechelt, und als man auf den Maler Baumiller zu sprechen kam, floß Traudl über vom Lob dieses Mannes, der ihrem Pauli den Auftrag des Huberbauern mit dem schönen Verdienste verschafft hatte.

      »Ja, ja, er is ein herzensguter Mann, der Herr Fritz«, stimmte Lehnl bei, »und fürs Dorf wie's reinst Fruhjahrsschwalberl! Kaum daß die ersten Blattln raussehauen, fliegt er schon eini ... und so seit zwanzig Jahr!«

      »Es kennt ihn aber auch alles, und wirklich jedes hat ihn gern.«

      »Das macht, weil er mit die Bauern umgehn kann, als ob er selber einer wär. Und reden tut er grad wie unsereins.«

      »Denk dir nur, Lehnl«, dabei stieg die Traudl vorsichtig vom Stuhl herab und säuberte die Hände an der Schürze, »was er neulich meim Pauli für ein Antrag gmacht hat. Der Bub hätt arg viel Talent, hat er gsagt, zu eim Bildhauer, und er nähmet den Pauli mit eini in d' Stadt und ließet ihn ausbilden auf der Akademie. Aber meinst, der Bub ging? Net um alles in der Welt. Und wirst dir wohl auch denken können, was ihn zruckhalt!«

      »Ja, ja! 's Lonerl, gelt?« Lehnl schmunzelte.

      »Es is ja zum Narrischwerden mit dem Buben!« seufzte Traudl. »Wann er nur wenigstens was davon hätt! Und der Herr Fritz meinet's so gut mit ihm. Der war fein heut auch in Ettal drüben. Ich hab ihn in der Kirchen drin gsehn.«

      »Hätt eher denkt, im Wirtshaus.«

      »Was tät denn ich im Wirtshaus?« fuhr Traudl ganz entrüstet auf. »Und bei einer Wallfahrt gar!«

      »Mein Gott, was halt ander Leut auch drin tun: essen, trinken und recht gscheit reden.«

      Eben schickte sich Traudl zu einer geharnischten Erwiderung an, als die Tür sich öffnete und Pauli eintrat, seinen wohlverpackten Herrgott auf dem Arm. Herzlich begrüßte er die Mutter und freundlich den Alten, der sich's inzwischen hinter dem Tisch bequem gemacht hatte.

      »Aber grad schön hast mir das Stüberl hergricht!« sagte Pauli zu Traudl, während er Hut und Paket ablegte. »Bist denn schon lang von Ettal zruck, daß alles hast so machen können?«

      »Mein Gott, seit Mittag halt!«

      »Wie is dir denn z'Ettal gangen? Hast nachher für mich auch betet, Mutter?«

      »Für was geh ich denn wallfahrten«, murrte die Alte mit halbem Ernst, »für was denn, als daß du einmal gscheit werden sollst.«

      »Ja bin ich denn dumm?« fragte Pauli lächelnd.

      »No ... mit deiner dalketen Lieb, das wird wohl net gscheit sein? So eine Narretei, die kein Heimat hat und kein Absehn. Wie oft net hat dir d'Loni schon zeigt, daß s' dir nix will, und doch gehst allweil wieder hin und schmachtest's Madl an wie ein Lampl 's neue Stadttor.«

      »Schau, Mutterl, da verstehst du nix davon!« lautete Paulis ruhige Antwort.

      »Wär net aus!« fuhr Traudl auf und schlug in komischem Entsetzen die Hände zusammen. »Und wann ich auch wirklich jetzt nix mehr davon verstünd, so hab ich doch einmal was davon verstanden. Sonst wärst du net da! Und das wird jetzt noch grad so sein wie zu meiner Zeit. Da wird wohl der Teufel net auch sein Fortschritt einibracht haben!«

      Traudl hatte sich in ernste Hitze hineingeredet, so daß Pauli es für geraten fand, ein wenig einzulenken. »Geh, Mutterl, mußt dich net ereifern!« sagte er und nahm schmeichelnd ihren Kopf zwischen beide Hände. »Ich weiß ja, daß du's richtig meinst mit mir. Und dein Beten wird wohl für was gut gwesen sein.«

      »Das will ich hoffen!« Traudl war besänftigt, und um ihre Augen spielten wieder die Fältchen ihres gewohnten, freundlichen Lächelns. »Brauchst net z'glauben, daß ich grad für dich allein betet hab. Wann ich einmal nach Ettal geh, so hab ich gar viel am Herzen, ja! Da bet ich für die Armen und Unglücklichen...«

      »Vergelt dir's Gott!« brummte Lehnl.

      »Was denn?« fragte Traudl erstaunt.

      »Daß du auch an mich denkt hast.«

      »An dich? ja, ghörst denn du zu die Unglücklichen?«

      »Ich werd wohl dazu ghören, wann ich die ganze Zeit dein dalkets Geschwätz anhören muß.« Lehnls Gesicht wurde ernst und sein Ton hart. »Wie kann man nur an den eigenen leiblichen Sohn so ungeschickt hinreden. Kannst es ihm denn verargen, wenn er ins Madl verschossen is? Schau's nur grad an, wenn sie 's Köpferl so aufwirft und so lieb dreinschaut mit ihre Haselnußaugen, da meinst völlig, 's Hirn wird dir siedet. Dabei hat's ein seelenguts Herz und is lieb und freundlich zu jedem Menschen... mit einer einzigen Ausnahm vielleicht.«

      Lehnl schwieg, und ungeduldig trippelte Traudl von einem Fenster zum andern, zupfte an den Vorhängen und verzog die Mundwinkel.

      »No ja!« brummte sie. »Aber sagen braucht man's net, am allerwenigsten vor meim Pauli! Da käm's am End so raus, als ob er mit seiner Dummheit im Recht wär. Und das geht ja doch net an.«

      Während dieser Reden saß Pauli am Tisch mit einer Miene, als ob die Sache weiß Gott wen anginge, nur ihn nicht. Doch seine ruhelosen Finger, die an dem Umschlagpapier des neuen Herrgotts erregt umherknitterten, ließen vermuten, daß die gehörten