Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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die frischgeputzten Gläser in die Fächer. »Gar nix, aber heiraten tu ich dich net!« Sie hatte nicht einmal das Gsicht gedreht, als sie das sagte.

      »Und warum net?« fragte Muckl.

      »Ich mag net. Verstehst? Das wird wohl Grund gnug sein!«

      »ls net z'wenig«, lachte der Bursche, »aber z'dumm is er mir doch! War also das wirklich 's letzte Wörtl in der Sach?«

      »Wenn du's net glauben willst«, fiel Lonis Vater ein, »nachher mußt halt ins Wasser gehen, daß dich die Krebsen fressen!«

      »Fallt mir ein! Für ein Krebsfutter bin ich mir doch z' gut. Ich denk mir halt:

       Ein richtiger Bub Bleibt niemals net hint, Denn ein andere Mutter Hat auch ein liebs Kind!«

      Ein heller Jauchzer reihte sich an das Schnaderhüpfel; dann warf Muckl seinen Hut in die Fensternische und setzte sich zu seinem Vater, der an einem der Tische Platz genommen hatte.

      »Hätt net glaubt, daß du's so leicht nimmst«, meinte dieser.

      »Soll ich mich vielleicht abikränken und mager werden wie ein Zwiefelröhrl ... fallet mir ein! Siehst, Loni, ich gib dir sogar den Rat, daß du jetzt erst recht wählerisch wirst. Brauchst net Sorg z' haben, daß du ledig bleibst und als alte Jungfer in der Ewigkeit Wolken schieben mußt. Der da«, und dabei deutete Muckl auf Pauli, »der bleibt dir allweil gwiß. Den hast im Sack und brauchst ihn bloß aussizarren!«

      Lehnl, der neben Pauli stand, griff hastig nach dem Arm des Burschen, als wollt' er ihn am Aufspringen hindern. Aber das war überflüssige Sorge; Pauli rührte sich nicht.

      »Oder«, sprach Muckl weiter, »hast mich am End gar abgwiesen, weil mit'm Pauli verbandelt bist?«

      Loni fuhr auf, wie von einer Natter gestochen: »Dein dummes Gschwatz hat keine Heimat. Daß zwischen uns nix is und nix wird, das weißt du so gut wie ich, sonst wärst net kommen und hättest um mich angehalten. Wenn ich einmal ein nimm, das muß einer sein, der Schneid hat, ein richtigs Mannsbild und net einer, der bloß so heißt, weil er Hosen anhat!« Zornig warf sie das Staubtuch in eine Ecke des Schänkkastens.

      »Je, Pauli«, spottete Muckl, »das wenn du dir gfallen laßt, nachher darfst gleich morgen Kegel aufsetzen!«

      Pauli krampfte die Hand zur Faust und rief mit einem finsteren Blick dem Spötter zu: »Laß mich aus'm Spiel, ich sag dir's! Ich hab dir kein Anlaß geben! Gib mir kein!«

      »Jetzt, so was ließ ich mir halt doch net sagen«, lenkte Muckl ein. »Ich tät ihr halt einmal des Wilde abikratzen, was sich so vom Pechlerlehnl angwöhnt hat!«

      »Du nixnutziger Loder«, rief der Alte, »möchtest net mich auch noch einibringen!«

      »Hätt ich vielleicht net recht? Von wem lernt's denn all die Schlauderwörtln als von dir? Zeit und Glegenheit hat 's ja gnug. Zwischen euch dauert die Schul grad von der Früh bis auf d' Nacht, und es wär schon lang an der Zeit, daß d' Loni der Gmeind ein Dankschreiben schicket, weil s' ihr 's ganze Jahr so ein saubern Schullehrer verhalt.«

      Dem Mädchen schoß das Blut dunkelrot ins Gesicht. Und Muckl hatte noch nicht ausgesprochen, da stand Loni schon vor ihm. Ihre Stimme klang hart und bitter: »Jetzt scham dich aber in d' Seel eini, daß du ihm das Stückl Brot vorwirfst, was ihm die Gmeind gibt. Tut dir der Pfennig jetzt schon weh, den du einmal dazu zahlen mußt als hausgsessener Bauer? Danks unserm Herrgott, daß du von einer Mutter bist, die dich gleich mitten einigsetzt hat in ein reichen Hof. Verdient hättst es net nach eim solchen Spott auf ein Menschen, der sich sein ganz Leben lang für die Bauern zammg'arbeit und zammg'schunden hat. Verstehst mich!« Damit wandte sie ihm den Rücken und ging nach der Küche, um eine neue Partie der frischgewaschenen Gläser in die Stube zu holen.

      »Muckl«, sagte der Wirt lächelnd, »die Red kannst auswendig lernen.«

      »Ich mag net, ich hab gar ein schweres Gmerk«, gab der Bursche zur Antwort. Die energischen Worte Lonis schienen nicht sonderlich tief bei ihm gegangen zu sein; aber er ärgerte sich doch und drehte unter heiserem Lachen an seinem Schnurrbart.

      Der alte Pechlerlehnl war dem Mädchen in die Küche nachgegangen und drückte ihr draußen dankbar die Hand. »Ich sag dir halt Vergeltsgott, daß dich so einigredt hast wegen meiner. Weißt, ich hätt ihm schon nausgeben können, aber ich hör auf eim Ohr nimmer recht.«

      »Da braucht's kein bsonderen Dank. Aber dein guter Freund, der schöne Herr Pauli, der hätt sich grad schon auch ein bißl um dich annehmen können. Verdient hättst es um ihn! Denn du redst ihm 's Wort so oft bei mir, daß mir's mit der Zeit leicht z'viel werden könnt.«

      Während dies in der Küche vor sich ging, hatte sich die Gesellschaft in der Wirtsstube um eine neue Person vermehrt, um Loisl, den Geißbuben des Wirtes. Er war ein junger Mensch von etwa achtzehn Jahren. Der eckige Kopf mit der Stumpfnase und dem Schlappmaul hätte eigentlich einen widerlichen Eindruck machen müssen, wenn die Häßlichkeit des Gesichtes nicht durch ein Paar grundgutmütige Augen gemildert worden wäre. Dieser Kopf reckte sich auf einem langen, sehnigen Hals aus einer mageren, nachlässig in sich gekrümmten Gestalt.

      Der Oberkörper war nur mit einem groben Hemd bekleidet, das Loisl seit Sonntag auf dem Leibe trug --- und jetzt zählte man den letzten Tag der Woche. Um die Beine des Geißbuben klunkerte eine abgewetzte Lederhose, welche die Knie nackt ließ. Einstens weiß gewesene, zerrissene Stutzen umschlossen die Waden oder, besser gesagt, den Platz der Waden, während die nackten Füße in schweren, dickbenagelten Schuhen staken. Ein in der Farbe sehr zweifelhafter Rucksack, eine Zipfelkappe und ein am Wege geschnittener Stock vollendeten Loisls Aufzug.

      »Jetzt kommt der Rechte«, hatte Muckl gerufen, als Loisl eingetreten war, »der is uns noch abgangen.«

      »Gelt, hast Zeitlang ghabt nach mir?« Loisl war auf ihn zugetreten, hatte die Zipfelkappe abgezogen und sie dem Burschen mit beiden Händen hingehalten. »Schenkst mir was?«

      »Bettelst schon wieder?«

      »Von dem, was du mir gschenkt hast«, lautete die maulende Antwort, »von dem kann ich mir noch net einmal ein Bröckl Schuhschmier kaufen!«

      »Was tätst auch damit? Hast ja gar keine Schuh.«

      »Drum stünd's dir gut an, wenn mir ein Paar schenken tätst.«

      In diesem Augenblick trat Loni wieder ein, in jeder Hand fünf Biergläser. Als sie an Pauli vorüberkam, blieb sie stehen und sah dem Burschen mit einem halb mitleidigen, halb ärgerlichen Blick ins Gesicht. »Du bist schon der Allerschönst!« Dann schritt sie kopfschüttelnd zum Schänkkasten. »Es ist schon merkwürdig, was ein Mensch vertragt!«

      »Ja grüß dich Gott, Loni!« rief Loisl und schlorpte auf das Mädchen zu. »Geh, schenk mir was zum Essen!«

      »Geh halt aussi in die Kuchl! Auf der Anricht liegen Schmalznudeln... da nimmst dir eine.«

      »Eine bloß?« klang die enttäuschte Frage.

      »Kannst auch zwei haben, du Bettelsack!«

      »Nachher nimm ich mir halt drei recht fette.« Damit wollte Loisl der Küche zueilen.

      »Halt ein bißl, du!« rief der Wirt. »Was willst denn eigentlich unterm halben Tag da herunt?«

      »Jesses, jesses!« Und Loisl kehrte zurück. »Da hätt ich jetzt bald drauf vergessen! Botschaft soll ich ausrichten von deiner Sennerin, weißt, von der Zwerger--Nandl. Die will morgen abends abi von der Alm, weil am Montag ihr Schwester Hochzeit macht. Die alte Kramerwaben hat der Nandl schon versprochen, daß s' ihr derweil aushilft.

      Jetzt kann aber die alte Kramerwaben erst am Montag in der Fruh kommen, und jetzt hätt dich halt d' Nandl recht schön bitten lassen, daß du übern Sonntagabend und über d' Nacht d' Loni auf d' Weglalm schicken täst, damit d' Nandl abi kommen kann.«

      »D' Nandl is wohl verruckt!« knurrte der Wirt.

      »Da bist gstimmt, die is gscheiter wie du!«

      »Ich kann doch d' Loni net