Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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Madl kann aber doch net am Festmorgen von ihrer Schwester auf der Alm bleiben, und bei den Brautleuten wird's im Haus am End noch mehr Arbeit geben als wie bei uns. Wenn du willst, Vater, können wir's doch machen. 's meiste ist schon hergricht, heut und morgen bis Mittag kann noch viel gschehen, und am Montag vormittags, bis Kirchenzeit is, bin ich wieder da. Tust ihr halt den Gfallen.«

      »No ja«, sagt der Wirt nach kurzer Überlegung, »wenn du meinst, daß 's geht, hab ich nix dagegen.«

      Pauli verließ die Stube, um wieder an seine Arbeit zu gehen.

      Als der Wirt auf Lonis Bitte die Zustimmung gab, neigte sich Muckl zu seinem Vater hinüber und flüsterte: »Da kenn ich ein, der morgen in der Nacht auch auf der Weglalm is. Ein Wörtl unter vier Augen is das Madl ja doch noch wert. Und im Finstern redt man sich leichter.«

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       Inhaltsverzeichnis

      Von der Stelle aus, wo der an Graswang vorüberfließende Rötelbach in die Ammer einmündet, muß diese einen mächtigen, vielgekrümmten Bogen beschreiben, um ihren Weg nach Ammergau zu finden. Gezwungen wird sie dazu durch einen Bergzug, der von der Brunnenkopf-- und Klammspitzgruppe ausläuft, dann, unterbrochen durch die Spitzen des Pürstlingkopfes, des Sonnenberges und des Brunnberges, an Linder und Graswang vorüberzieht und nach der Seite von Ammergau in die Kobelwand, nach der Seite des Zusammenflusses von Rötelbach und Ammer in den Rappenkopf endigt. Auf halber Höhe dieses Berges hebt sich aus der tiefgrünen Bewaldung eine kleine Hochebene, auf der die von saftigem Weideland umzogene, dem Wirte von Graswang gehörige Weglalm gelegen ist. Fast in der Mitte des mit leichter Steigung gegen den Berg sich hinziehenden Wiesengrundes liegt die Sennhütte, an die, den Aufstieg von Graswang verdeckend, das Gehölz mit einem schmalen Ausläufer herantritt, indem es die Hütte noch mit ein paar hochstämmigen Fichten überschattet und aus Wacholdergesträuch einen lauschigen Hintergrund bildet für einen Brunnenstock, der seinen dünnen Wasserstrahl leise plätschernd in einen ausgehöhlten Baumstamm ergießt. Die Sennhütte stand auf einer kleinen Bodenerhebung, die gegen den Brunnen in etwas starker Böschung ausläuft, während sie sich nach dem Berge zu in gerader Fläche verliert. Die eine Hälfte des Blockhauses bildete den Kaser, zu dem von außen die Tür führte, sowie den Wohnraum der Sennerin, der durch ein kleines Fenster sein Licht erhielt, die andere Hälfte den mit eigener Tür versehenen Stall und Schuppen; darüber lag das Schindeldach mit den beschwerenden Felsbrocken.

      Dicht unter dem Fenster war in die Außenseite der hölzernen Wand eine Bank eingefügt, auf der die Sennerin saß, das große Butterfaß zwischen den Knien. Es war eine dralle Erscheinung, dieses Mädchen, dessen kräftige Arme mit flinker Geschicklichkeit den Stößer des Butterfasses handhabten. Im Takte zu ihrer Arbeit sang sie ein Lied, und als sie den Jodler mit einem hellen Jauchzer schloß, klang nah aus dem Gehölz ein langgezogener Jubelschrei zur Antwort.

      Nandl sprang auf und eilte der Ausmündung des Steiges zu, der von Graswang zur Alm heraufführt. »Je, da kommt ja gar d' Loni schon! Und der Lehnl is auch dabei.«

      »Grüß dich Gott, Nandl! sagte Loni, die unter den Bäumen hervortrat, aufatmend stehenblieb und sich mit dem Ärmel über die erhitzte Stirn wischte. Sie nahm das schwarze Kopftuch ab und blickte nach Lehnl zurück, der ihr mit etwas müden Schritten folgte.

      »Wir haben dir schon lang zughorcht auf dein Gsangl«, sprach der Alte die Sennerin an, wobei er ein paarmal absetzen mußte, um Atem zu holen. »Kannst es leicht so schön wie die Engeln im Himmel.«

      »Probier's ja auch allweil, damit ich einmal dazustimm, wann ich auffikomm in Himmel.«

      »Du darfst net eini!«

      »So, wegen was nachher net?«

      »Bist alles z'verliebt! Und die, wo so viel Gspusi treiben, laßt der Peterl net eini. So ebbes kann man im Himmel net brauchen!«

      Nandl guckte mit verdutzten Augen drein. »Müßt ich fast lachen, wenn's wahr wär!«

      »'s Lachen wird dir schon vergehen, bald er dich einmal kriegt, der mit dem Schürhakl.«

      »Geh, schwatz net so viel!« mahnte Loni den Alten, nahm ihn beim Arm und zog ihn zum Brunnen. »Da setz dich nieder und schnauf ordentlich aus! Der Weg da rauf is kein Katzensprung für ein alts Leut.«

      »Nandl ... Nandl!« plärrte es hinter der Hütte. »Mir is was gschehen!« Und stolpernd kam Loisl den Hügel herabgerannt, indem er sich die Seite rieb und ein jämmerliches Gesicht dazu schnitt.

      »Was is denn schon wieder?« fragte Nandl ungeduldig.

      »Unser ... unser Geißbock hat mich gstößen... das Vieh!«

      Nandl mußte lachen. »Hast ihn wieder tratzt, gelt?«

      »Na, bloß ein Renner hab ich ihm geben, nachher is er davon. Und ich hab schon gar nimmer dran denkt und steh so droben am Hüttenbergl und schau zum Holzergirgl abi ... da krieg ich von hint ein Puff und purzl übers Bergl abi. Wie ich in d' Höh schau, steht das schwarze Vieh droben wie der Teufel und schaut mir nach und sagt allweil mehehehe!«

      Lehnl und die beiden Mädchen lachten hell hinaus, als Loisl so dastand, mit schlaff hängenden Armen, den Hals gestreckt und die Stimme des Geißbocks nachahmend.

      »Der Geißbock is halt gscheiter als du!« sagte Lehnl und klopfte dem Buben beruhigend auf die Schulter.

      »Das is schon eine Kunst auch«, lautete die entrüstete Antwort, »wenn man ein von hint erwischt. Aber wart nur, jetzt hol ich mein Geißelstecken, nachher kriegt er Wichs.« Eilig humpelte Loisl der Hütte zu und verschwand durch die Tür des Schuppens.

      »Und ich richt mich halt jetzt schön langsam zamm, daß ich weiter komm«, sagte Nandl zu Loni »weil doch schon so gut warst und auffikommen bist.«

      »Ja, ja, geh nur, 's is Zeit, sonst kommst noch in d' Nacht eini. Da wann du nunterschaust ins Tal, da wird's schon bald Abend.«

      »Z'tun hast nimmer viel«, sagte Nandl, während sie der Hütte zuging, »brauchst grad den Butter auslupfen, er is schon bald beinander ... und was denn noch gschwind? ja, und ein Trank fürs Vieh mußt aufsetzen!«

      »Ich will dir's schon recht machen.« Loni band sich die Schürze um, die Nandl abgelegt hatte, und ging auf die Bank zu, vor der das Butterfaß stand.

      Lehnl hatte sich die ganze Zeit über damit beschäftigt, die während des Aufstieges zur Alm erloschene Pfeife wieder in Brand zu bringen.

      Noch immer saß er auf der Bank am Brunnen. Und es schien ihm zu gefallen, daß Loni sich so rasch in ihre neue Arbeit schickte, denn es war ein herzlicher Blick, mit dem er dem Mädchen nachsah, als es zur Hütte hinaufstieg. »Kommst aus der Arbeit jetzt gar nimmer raus! Und bald nunterkommst, geht's drunten auch wieder an. Die Hochzeit wird dir schön z'tun geben.«

      »Mein, es wird mir doch d'Arbeit net zviel werden. Und gar da heroben! Kann's denn ein schöners Platzerl geben als die Weglalm? Die Berg, die Luft, und schau, wann da an dem Fleckl stehst«, sie trat an das Stangengeländer, das die Hütte umzog, und hob die Hand über die Augen, »da siehst grad nunter auf Graswang, und da liegt's dir so friedlich und heilig da wie ein Kripperl.«

      Lehnl nickte schmunzelnd. »Nur geht ihms Christkinderl ab, wenn du net daheim bist.«

      Das Mädel lachte. »Geh, du bist ein verliebter Gimpel! Man meinet, was ich dir schon tan hätt, daß du gar so an mir hängst.«

      »Du lieber Gott! Warum hast ein Nagerl gern, ein Röserl oder d' Sonn? Tut dir auch nix bsonders z'lieb und magst es doch! Mußt dir mein guten Willen halt gfallen lassen.« Wie ein Schatten flog es über Lehnls Gesicht. »Wann einmal verheirat bist, wird's ohnedem anders.«

      »Damit hat's noch gute Weg!« sagte Loni leicht vor sich hin und hob den Deckel des Butterfasses.

      »Das mußt net sagen! So was kommt oft über Nacht!« Lehnl nahm die Pfeife aus dem Mund und guckte in die schwache Glut. »Hättst