Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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Worten begleitete: »Das Gschäft freut mich schon recht, ich muß sagen!«

      »Ja Lonerl, was machst denn?« rief Lehnl. »Schau nur grad die Gabel an! Die hat ja krumme Zinken.«

      »Wann die Gabel dem gnädigen Herrn, der damit essen soll, net recht ist, nachher soll er wohin gehen, wo er eine goldene kriegt. Verstanden?«

      Lehnl bohrte die Zinken der Gabel in das Tischholz und bog sie gerade. »Ja, ja! Recht nett!« brummte er dazu. »Weil dir dem braven Burschen sein Gsicht net gfallt, jetzt muß am End gar sein armer Magen das entgelten.«

      »Sein Gsicht? Der ganze Mensch gfallt mir net!«

      »Wenn's schon so is, meinetwegen! Es ist aber das noch lang kein Grund, daß man mit eim Menschen so umspringt, wie du mit dem Pauli. Ich sag dir's, Lonerl, du hättst es net tun sollen, daß du ihn gestern so abgschnalzt hast.«

      »Ja, aber sag einmal selber ...«, dabei setzte Loni das Körbchen auf den Tisch und schlug die Hände ineinander, »sag einmal selber! Is das riet ein Mannsbild wie von lauter Semmelbrösel? Ein andrer hätt sich halt gwehrt und hätt gsagt: Ich kann meine Muttergottes schnitzeln, wie ich mag, und dich geht's nix an. Was hat er aber aussi dalkt? ›Ich mach dir halt ein andern!‹ Es war ein häßlicher Mund, den das Mädchen zog, um diese Worte in möglichst langweiligem Tone vorzubringen. Nun fiel ihre flache Hand schwer auf die Tischplatte nieder. »Is das eine Antwort für ein Mannsbild? Und dann braucht's es halt doch net, daß er grad mich zu so was hernimmt.«

      »No wart nur«, drohte Lehnl, »er tut dir schon noch einmal was an! Und schnitzelt dem Teufel seine Großmutter! Und nachher nimmt er auch dich zum Muster!«

      Loni trug das Körbchen zum Schänkkasten. Auf halbem Wege blieb sie stehen, wandte den Kopf und sagte, während ein eigentümlich selbstbewußtes Lächeln ihren Mund umspielte: »Na, Lehnl, das tut der Pauli doch net!«

      »Meinst leicht, er hat dich alles z'viel gern dazu, gelt?«

      »Könnt schon sein!« Im gleichen Augenblick, in dem Loni das sagte, hörte sie Tritte vom Flur. Mit ein paar eiligen Schritten verschwand sie durch die Küchentür.

      Pauli trat ein. Er grüßte den alten Lehnl, der ihm forschend ins Gesicht sah, mit einem freundlichen, aber kurzen Wort. Zu einem Gespräch war Pauli nicht sonderlich aufgelegt. Ruhig hörte er die Dinge an, die ihm Lehnl zu erzählen wußte, und beschäftigte sich dabei mit seiner Suppe, die ihm Resl gebracht hatte.

      »Je, der Bachbauer!« unterbrach sich Lehnl, der einen Blick durch das Fenster geworfen hatte. »Was will denn der um die jetzige Zeit im Wirtshaus, und gar im Sonntagsstaat? Da muß ja was ganz Bsonders los sein!«

      Der Gast trat ein. Vom grünen, mit goldenen Schnüren umwundenen Filzhut bis hinunter zu den Schnallenschuhen war er das Musterbild eines reichen Hofbauern. Unter der Tür blieb er stehen und stieß den Stock auf die Schwelle. »Kreuzsaxen, da herin ist ja so stad, als ob eins rausgstorben wär!« Dann trat er in die Stube. »Grüß dich Gott, Pauli! Was hast denn? Machst ja ein Kopf, als ob dir der Bader ein paar gsunde Zähn grissen hätt!«

      »Jetzt, so was ließ ich mir halt doch net gfallen!«

      »Und du, Lehnl, was treibst denn du allweil?« wandte sich der Bauer an den Alten.

      »Fliegen fangen, damit s' kein Bauern stechen!«

      »Ein recht mildtätiges Gschäft, muß ich sagen! Aber wo ist denn der Höflmeier, der Wirt? Ich hab was mit ihm ins reine z'bringen.«

      »Geh nur dort eini ins Nebenstüberl, da is er drin«, gab Lehnl zur Antwort, und der Bachbauer folgte dieser Weisung.

      Nachdenklich sah der Alte die Tür an, die sich hinter dem Bauern geschlossen hatte; nun wandte er sich langsam zu Pauli: »Du ... ich glaub, der Bachbauer is auf Bschau da ... wegen seim Muckl und wegen der Loni.«

      Pauli erblaßte, und der Krug, den er eben vom Munde nahm, zitterte in seiner Hand, als er ihn auf den Tisch setzte.

      Nicht lange währte es, so steckte der Wirt den Kopf zur Tür heraus und rief dem Lehnl zu: »Geh, sag der Loni, sie soll ein bißl da einikommen!«

      Mit einem bedeutungsvollen Blick auf Pauli erhob sich der Alte und ging nach der Küche. Als er mit dem Mädchen in die Stube zurückkehrte, schritt Loni mit einem kurzen Gruß an Pauli vorüber.

      Vor der Tür zum Nebenstübchen faßte Lehnl das Mädchen am Arm und flüsterte: »Lonerl, ich glaub, der Bachbauer hat um dich angehalten für sein Muckl. Aber ich bitt dich ... tu's net ... tu's net, wann du ihn net magst!«

      Loni klopfte dem Alten lächelnd auf die Wange und trat in das Stübchen.

      Rasch setzte Lehnl den Fuß an die Schwelle, so daß die Tür sich nicht schließen konnte.

      »Was soll's, Vater?« klang Lonis Stimme.

      »Bescheid sollst geben, der Rötelbachbauer will dich als Schwieger.«

      »Mich?« Und hellauf hörte man das Mädchen lachen.

      »Ja ... wenn's dich gar so freut«, fiel der Bachbauer ein, »dann freut's ja mich auch! Nachher wird's auch weiter kein Anstand haben, und ich frag gleich: Wann is Hochzeit?«

      »Ach so ... jetzt hab ich allweil noch gmeint, es ist Gspaß. Scheint mir aber nimmer, und drum muß ich wohl auch ernsthaft werden. Also kurz und gut ... Euer Antrag is mir eine große Ehr, und der Muckl ist auch ein richtiger Bursch, aber ... heiraten tu ich ihn net.«

      Ein vergnügtes Lächeln huschte über Lehnls Gesicht, als er das hörte, und leise schnalzte er mit den Fingern.

      Inzwischen saß Pauli regungslos am Tische, starrte, den Kopf in beide Hände gestützt, auf den Teller und ließ das Essen unberührt erkalten.

      »Jetzt will ich aber was sagen, Madl!« klang die Stimme von Lonis Pflegevater aus der Nebenstube. »Es ist net's erstemal, daß du gar so kurz anbunden bist. Das kann net allweil so fortgehn. Eim Antrag wie dem heutigen, dem schlagt man net so grad die Tür vor der Nasen zu. Denn weißt, wenn du die Sach beim Licht betrachtst, so hat die Geschichte halt doch ein Haken. Du bist ein Madl, das ein jedes gern hat, und du wirst weder von mir, noch von meiner Alten selig jemals ein unguts Wörtl ghört haben wegen deiner Herkunft. Aber es gibt halt doch Leut, die's net verwinden können, daß du einmal in einer Nacht vor so und so viel Jahren vor unser Tür glegt worden bist. Drum sollst dir so was überlegen und dich net z'stark drauf steifen, daß du dem Wirt sein Herzkäferl bist ... es könnt sich leicht keiner mehr finden, der sich drüber wegsetzt über den Namen Findlloni!«

      »Ja, überleg dir's wohl!« fiel der Bachbauer ein. »Ich kann meim Muckl so viel mitgeben, daß die Madln mit zwei Händ zugreifen täten in jedem Bauernhof, wo er anklopft.«

      »Gut, Vater«, klang Lonis erregte Stimme, »gut, und wenn auch keiner mehr kommt, ledig gstorben ist auch net verdorben! Zugreifen und ja sagen kann ich bloß, wenn sich einmal da unterm Brustfleck was rührt. Solang's da drin stad bleibt, is eine Heirat kein Glück, sondern ein Gschäft; und eine Heirat, die nach dem alten Brauch gmacht wird, wo der Bauer zum Bauer sagt: Gib mir dein Madl, ich gib dir noch fünfzig Gulden und eine Kuh drauf, eine solche Heirat kann machen, wer mag; ich net, ich tu's net, vielleicht grad, weil ich ein Findling bin.«

      Rasche Tritte näherten sich der Tür, und Loni trat heraus, so ruhig, als hätte der Vater sie gefragt, ob das am Morgen angezapfte Faß schon zu Ende gelaufen wäre. Drinnen hörte man den Wirt noch sagen: »Ja mein, Bachbauer, wann's Madl net mag, zwingen kann ich's net!« Nun kamen auch die beiden Männer in die Stube. Im gleichen Augenblick wurde die Tür, die nach dem Flur führte, von außen aufgestoßen, und Muckl trat ein. Er war eine kraftvolle, stämmige Gestalt mit einem Gesicht, dem der kecke Übermut aus den Augen blitzte. »No, was is denn?« rief der Bursch, indem er den Hut aufs Ohr rückte. »Jetzt wär ich da beim Dasein! Braucht das so lang, bis man ja sagt? Derweil mach ich zehn Heiraten aus.«

      »'s geht net so gschwind, als du meinst!« gab ihm sein Vater ein wenig kleinlaut zur Antwort.

      »Wär riet zwider, Loni! Na wenn gsagt hast,