Ludwig Ganghofer

Die schönsten Heimatromane von Ludwig Ganghofer


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schwarze Miederchen hervorhob. An den Händen mochte das Mädchen wohl noch die Spuren der eben verlassenen Beschäftigung tragen, denn sie hielt die nackten runden Arme mit den fast kokett gespreizten Fingern seitab vom Leibe. Eine weiche, ebenmäßige, für ein Bauernmädchen überraschend zierliche Gestalt! Aus den Schultern hob sie ein Köpfchen, das leicht zur Seite geneigt war und wie unter der Last der dicken, braunen Flechten, die es umwanden. Die Hitze des Herdes hatte eine dunkle Röte über das reizende Gesicht gehaucht, aus dem zwei glänzende, braune Augen lachten, von dichten Wimpern umrahmt und *überspannt von feinen, fast schwarzen Brauen, zwischen denen auf der Stirne ein kleiner, senkrechter Faltenzug sichtbar wurde, der zu diesem frischen, lebensfrohen Antlitz wenig passen wollte.

      »Was gibt's?« rief Loni dem Maler zu. »Die Schnepfen sind noch net fertig.«

      »Die pressieren auch net! Aber da geh einmal her! Geh nur her!« Dabei faßte er Loni, die ganz verwundert dreinschaute, beim Arm und zog sie nach der Mitte der Stube.

      »Was wollts denn?« fragte das Mädchen, indem es widerstrebend folgte.

      »So geh nur grad her und paß auf!« Dabei postierte der Maler Loni vor einem Tisch und ließ sie die Arme erheben in gleicher Art wie die Maria unter dem Kreuze. Loni, die nicht wußte, wo das hinaus sollte, wollte eine Einwendung machen und die Arme sinken lassen.

      »Ob du gleich stehenbleibst!« fuhr sie der Maler an, trat einige Schritte zurück und blickte mit lebhaftem Erstaunen vom Schnitzwerk auf das Mädchen und vom Mädchen auf das Schnitzwerk.

      Lehnl stand neben Baumiller, und mit leuchtenden Augen schaute er auf Loni. »Wie gsagt, die ganze Muttergottes, auf und nieder!«

      »Aber ... wie kann man denn so ein Vergleich anstellen!« zürnte Loni und ließ die Arme sinken.

      »Sakra, so bleib doch!« rief Baumiller.

      »Ich mag net, das is mir z' dumm!«

      »No, so schau einmal selber!« Der Maler hielt dem Mädchen das Kruzifix entgegen. »Schau nur grad das Gsichtl von der Muttergottes an!«

      Loni, die Hände hinter dem Rücken, betrachtete die Schnitzerei. Mit dem ersten Blick erkannte sie die Ähnlichkeit, und ein spöttisches Lächeln huschte um ihre Mundwinkel, während sie zu Pauli hinüberschielte. Dann warf sie die Lippen auf, schaute dem Maler ins Gesicht und fragte mit einem geringschätzenden Tone, der wie ein Messer in Paulis Herz schnitt: »Wer hat denn das g'macht?«

      »Wie magst noch fragen?« lautete die etwas ärgerliche Antwort des Malers. »Is denn im ganzen Gebirge einer, der so was fertigbrächt, wenn net der Pauli?«

      »Eigentlich hätt ich mir denken können, daß sonst keim so was Dummes einfallt!«

      Pauli wurde blaß und rot. Wenn ihm aber auch die Erregung vom Gesichte abzulesen war, so merkte man doch nichts davon in seiner Stimme und in seinen Worten. »No, no ... das wird doch wohl kein Unglück sein! Ich hab mir halt denkt ...«

      »Weißt, was ich mir denk?« unterbrach ihn das Mädchen heftig. »Es könnt dir was Gscheiteres in Sinn kommen, als daß du allweil mich drin hast ... ich brauch mich net von dir ausschnitzeln z'Iassen!« Dabei drehte sie ihm den Rücken, schritt auf den Schänkkasten zu und kniete nieder, um aus einem der unteren Fächer ein paar Teller hervorzunehmen.

      »Wann ich gwußt hätt, daß dir's net recht wär«, rief ihr Pauli nach, »Oder wann ich mir hätt denken können, daß dich die Sach gar so viel verschmachen tät, nachher hätt ich's eh net angfangt. Geh zu, Wirt, schieb halt den Herrgott in Ofen eini ... ich mach dir ein andern!«

      »Was dir net einfallt!« lautete die brummige Antwort des Wirtes. »Der Herrgott kommt da ins Eck nauf, und sonst kein anderer!«

      »Das will ich auch hoffen«, warf Baumiller ein, »denn der Christus da, das ist ein Meisterstück von Schnitzerei!«

      Loni erhob sich und stieß die Teller auf die Platte des Schänkkastens, daß es klirrte. »Ein Meisterstück! Daß ich net lach!«

      Pauli hatte sich wieder zu seiner Mutter, die schweigend, aber mit unverhehltem Ärger diese ganze Szene angehört, an den Tisch gesetzt, der neben dem Schänkkasten stand. Nun neigte er sich über die Banklehne gegen das Mädchen und sagte: »Wenn schon dein Übermut auslassen willst an mir, so tu's in Gottes Namen! Aber schau, Loni ... es könnt vielleicht eine Zeit kommen, wos dich reut!«

      »Da müßtes du z'erst ein anders Mannsbild werden. Sonst erlebst es schwerlich!«

      »Müßts ihr zwei jetzt allweil wie Hund und Katz sein?« fuhr der Wirt dazwischen.

      »Jetzt, ich beiß doch gwiß net!« meinte Pauli mit bitterem Lächeln.

      Loni lachte hell auf. »Das muß wahr sein, denn zum Beißen ghört vor allem ein bißl Schneid ... und das Wörtl steht in deinem Katechismus net!« Mit energischem Ruck zog sie die Teller vom Schänkkasten und wandte sich zu Baumiller. »Gehn S' zu, Herr Fritz, kommen S' zu mir naus in die Kuchl ... Ihnen Ihr Essen könnt leicht ein faden Beigschmack kriegen, wenn ich's da einitraget.« Sie ging zur Tür. Und kopfschüttelnd folgte ihr der Maler. Bevor er die Stube verließ, rief er Pauli noch zu: »Gelt, vergiß net, daß mich übermorgen früh abholst zu unserer Partie auf den Sonnenberg!«

      Pauli hatte keine Antwort mehr; er nickte nur. Und Traudl griff nach Gebetbuch und Regenschirm. »Es ist ein Glück, wann wieder einmal auf ein Berg auffikommst! Nachher kriegst doch wieder ein andern Gedanken. Der ewige Daunderlaun führt doch zu nix. Hint und vorn halt dich's Madl für ein Narren und macht dich spöttisch vor alle Leut.« Die Alte stand auf und strich Rock und Schürze glatt.

      »Sie meint's net so!« sagte Pauli begütigend.

      »Jesses! Jesses!« Klatschend flog das Gebetbuch auf den Tisch, um sofort von Traudl mit heiliger Scheu wieder aufgenommen und zur Sühne für diese Unbill an die Lippen gedrückt zu werden. »Sie rneint's net so! Da möcht ich mich doch gleich bucklet lachen! Is dir das noch net gnug?« Zu besserem Nachdruck stieß sie ihrem Sohn bei jedem betonten Wort den Knauf des Regenschirms gegen die Schulter. »Willst noch mehr Schand und Spott auf dich bringen? Wenn du gscheit bist, so gehst jetzt mit mir und laßt den Findling gehn, von dem man net einmal weiß, ob er ein Vater oder eine Mutter ghabt hat! Mach zu! Geh weiter!«

      Ohne ein Wort der Erwiderung erhob sich Pauli, nahm seinen Hut, nickte dem Lehnl einen kurzen Gruß zu und folgte seiner Mutter. Als er aus dem Flur ins Freie treten wollte, fühlte er sich am Arm zurückgehalten. Es war der alte Lehnl, der ihm ins Ohr flüsterte: »Sie ist halt ein Madl! Laß dich's net verdrießen, Pauli!«

      »Das wär ein Kunststück, Lehnl!«

      »Freilich wohl, aber du bringst es fertig!«

      Es war ein fester Händedruck, mit dem die beiden schieden.

      3

       Inhaltsverzeichnis

      Spät in der Nacht war Pauli erst zurückgekehrt; bis Ammergau hatte er seiner Mutter das Geleit gegeben und war dann den Rückweg, den man bei gutem Marsch in zwei Stunden zurücklegt, so langsam Schritt für Schritt einhergewandert.

      In seiner neuen Wohnung angelangt, hatte er sich müde gefühlt, und dennoch hatte er die ganze Nacht kein Auge schließen können. Vor dem Tag war er schon wieder auf den Beinen gewesen und hatte dann die Morgenstunden mit der Einrichtung seiner Werkstätte verbracht.

      Nun war es elf Uhr mittags.

      Drüben im Wirtshause stand Loni vor einem Tische, über den der alte Lehnl just ein blaues Tischtuch deckte. Auf dem Arm hielt Loni ein längliches Körbchen, und unmutig warf sie die Messer und Gabeln durcheinander, die es barg, weil sie immer nicht das richtige, das heißt das schlechteste, Paar finden konnte. Denn an dem Tische, der hier gedeckt wurde, und mit dem Bestecke, das Loni suchte, sollte Pauli sein Mittagessen einnehmen. Er hatte sich durch Lehnl, der am Morgen auf ein paar Minuten zu ihm hinübergekommen war, für die folgenden Wochen als Mittagsgast