Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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sich abzulenken, nahm sie eine Handarbeit, legte sie jedoch nach kurzer Zeit wieder beiseite.

      Hermine von Erlstett hatte schon als junges Mädchen Pläne geschmiedet doch nur ein einziges Mal war es ihr gelungen, einen Plan zur Ausführung zu bringen. Aber den gewünschten Erfolg hatte er ihr nicht gebracht, und noch heute schob sie der schönen Schwester die Schuld daran zu.

      Sie ballte die Handarbeit zu einem Knäuel, als könnte sie so ihrem Haß gegen die Schwester Luft machen, von der man nie wieder etwas gehört hatte. – Empfand sie etwa Reue, daß sie dem Schwager damals die falschen Anschuldigungen hinterbracht hatte?

      Nein! Sie hatte nicht anders handeln können! Alles war der Schwester in den Schoß gefallen – Schönheit – und durch die Heirat mit Dahlen auch Reichtum – und sie selbst hatte Dahlen geliebt! – Da war der Plan in ihr gereift – aber genützt hatte er wenig! Der Schwager hatte nicht zu ihr gefunden, so sehr sie sich auch um seine Gunst bemüht.

      Auch die Nichte entglitt ihrem Einfluß.

      Sie glaubte daher, die Dahlens hassen zu müssen. Aber sie war ehrlich genug, sich einzugestehen, daß der Schwager ihren Wünschen nie entgegenkommen würde. – Also mußte sie ihr Vernichtungswerk auf andere Weise erreichen und Pegau sollte ihr helfen. Bis jetzt hatte es den Anschein gehabt, als ob Melitta sie noch von ihrem Grabe aus an der Verwirklichung ihres Planes gehindert hätte.

      Von ihrem Grabe aus? Ja – hatte sie denn auch nur den leisesten Anhalt dafür, daß Melitta nicht mehr unter den Lebenden weilte?

      *

      Tief in Gedanken versunken, schritt Reinhold Pegau seiner Wohnung zu. Die Unterredung mit Hermine von Erlstett ging ihm in allen Einzelheiten durch den Sinn. Auf seinen Zügen ruhte ein listiges Lächeln.

      In der Wohnung aber erwartete ihn eine unangenehme Überraschung: ein Telegramm aus seiner Heimatstadt. Hastig öffnete er es und las:

      ›sofort kommen – vater ernstlich erkrankt – verlangt nach ihnen – trude.‹

      Vergessen war Hermine von Erlstett und das mit ihr Besprochene. Pegau fühlte sich in sein Vaterhaus versetzt. Sein Vater war Beamter gewesen, und seine Mutter war ganz in der Sorge um ihre Familie aufgegangen. Sie starb vor einigen Jahren – und nun wollte der Vater ihr folgen?

      Lange Zeit hatte Pegau sich nicht um ihn gekümmert. Nun verlangte derVater nach ihm.

      Wenn er offen war, hatte er sich immer der einfachen Umgebung geschämt. Aber jetzt mußte er den letzten Wunsch eines Sterbenden erfüllen.

      In aller Eile schrieb er ein paar Zeilen, um sie als Entschuldigung in das Werk zu schicken. Dann blätterte er im Kursbuch. Er konnte den nächsten Eilzug noch schaffen. –

      Pegau wurde von der alten Haushälterin, die nach dem Tode der Mutter den Haushalt führte, an der Gartenpforte empfangen.

      »Sie sind zu spät gekommen, Herr Pegau«, sagte sie mit tränenerstickter Stimme. »Unaufhörlich hat er nach Ihnen gefragt.«

      »Es ging nicht anders«, erwiderte Pegau ernst und folgte ihr in das kleine Gartenhäuschen.

      Langsam ging er auf das Bett zu, das man mitten ins Zimmer gerückt hatte. –

      Der Tote machte einen erschütternden Eindruck auf Pegau.

      Doch er blieb innerlich kalt und verweilte nicht lange am Sterbelager.

      »Ich habe nicht Zeit, solange zu bleiben, bis Vater beerdigt wird. Ich komme zum Begräbnis wieder«, erklärte er der Haushälterin. »Hat Vater noch irgendwelche Wünsche ge­äu­ßert?«

      »Nein. Nur – er hatte Sie sehnsüchtig herbeigewünscht.«

      »Ich werde im Schreibtisch nach einer letzten Verfügung suchen.«

      Ein eigenartiges Gefühl beherrschte Pegau als er des Vaters Schreibtisch öffnete.

      Ein Fach nach dem anderen durchsuchte er.

      Da fiel ihm ein Bündel Briefe in die Hände. Sie waren mit einem Seidenband umschlossen. Er öffnete das Päckchen.

      Dann las er.

      Plötzlich fuhr Pegau überrascht auf.

      Seine Mutter hatte einen umfangreichen Briefwechsel mit Hermine von Erlstett geführt?

      Er las in den Briefen. In einem hieß es:

      »– ich danke Ihnen, gnädige Frau, für die Geldsendung. Ich habe mich nach Ihren Wünschen gerichtet.«

      Und in einem anderen Brief stand:

      »– heute hatten wir Taufe. Ich setze mich schnell noch hin, um Ihnen zu berichten. Reizend hat das Jungel ausgesehen!«

      Und dann:

      »Liebe Frau Pegau! Ich bitte Sie, mir nicht eher wieder zu schreiben, bis Sie eine Mitteilung von mir haben. Bei mir ändert sich einiges in der Familie, so daß ich fürchten muß, daß Ihre Post in unrechte Hände kommt.

      Hermine von Erlstett«

      Wie kamen der Mutter Briefe alle wieder in ihren Besitz – und warum war immer von ihm die Rede? – Was hatte Hermine von Erlstett mit der Mutter, mit den Eltern verbunden?

      Fragen über Fragen stürmten auf ihn ein. Dann fiel ihm ein Brief auf, der ihm völlige Klarheit bringen sollte.

      »Meine Schwester ist hinter mein Geheimnis gekommen! Ich bitte Sie deshalb tausendmal: Sollte eine Dame zu Ihnen kommen, dann geben Sie nicht bekannt, daß ich Reinholds Mutter bin!«

      Wie gelähmt saß Pegau auf seinem Stuhl. – Jetzt war ihm alles klar. Vater hatte ihm gewiß das Geheimnis seiner Geburt enthüllen wollen und war darüber gestorben! Er verfiel in tiefes Grübeln.

      »Herr Pegau, Sie müssen etwas zu sich nehmen.« Trude brachte belegte Brote und heißen Tee.

      Pegau schüttelte heftig den Kopf.

      »Danke, Trude. Ich muß sofort abreisen!«

      Am nächsten Morgen – Hermine von Erlstett saß noch im Frühstückszimmer – wurde ihr Direktor Pegau gemeldet.

      Freundlich lud sie ihn zum Kaffee ein.

      »Wo kann ich Sie ungestört sprechen, gnädige Frau?« begann er ohne Umschweife.

      Erstaunt bedeutete sie ihm, ihr zu folgen.

      »Sie waren verreist?« konnte sie sich nicht mehr enthalten zu fragen.

      »Ja, ich war in Ernau – mein Vater ist gestorben. Ich traf ihn nicht mehr lebend an.«

      Hermine atmete auf. Der Alte hatte also nicht mehr plaudern können!

      »Mein herzlichstes Beileid!« Sie reichte ihm die Hand, die er zögernd ergriff.

      Dann stand er langsam auf. »Ich habe im Nachlaß wichtige Aufzeichnungen gefunden – ich – weiß alles!«

      Sie starrte Pegau an, der wie ein Richter vor ihr stand.

      Sie litt, die Frau, die seine Mutter war – er sah es deutlich. Aber kein Mitleid rührte ihn!

      »Reinhold!«

      Zum ersten Male hörte er seinen Namen von ihren Lippen.

      Er überlegte kalt und sachlich. – Was gewann er, wenn er ihr den Rücken wandte? – Nichts! Noch brauchte er sie! Also mußte er versuchen, ihr Verständnis entgegenzubringen.

      »Reinhold!«

      Da war wieder das demütige Bit-ten –.

      »Reinhold, vor dieser Stunde hat mir gebangt –. Ich fühle, daß du dich voll Verachtung von mir wenden wirst! Was in meiner Macht stand, habe ich getan! Ich habe dich gefördert, wo es möglich war! Wäre der alte Mann vorsichtiger gewesen, brauchte ich nicht so vor dir zu stehen!« klagte sie.

      Da wußte Pegau, wie er sich zu verhalten hatte. Er antwortete nachsichtig,