suchte sie bei Jutta.
Ach, wann hätten Frauen wie Jutta die Männer nicht behext.
Diese Feststellung erfüllte Hermine von Erlstett erneut mit Bitterkeit. Sie glaubte, Jutta nun doppelt hassen zu müssen.
Warum ihr nur Pegau bei jeder Gelegenheit auswich? Hatte er sein Vorhaben aufgegeben? Das alles machte sie ruhelos, und sie fand in dieser Nacht wenig Schlaf.
*
Noch in einem anderen Zimmer brannte bis tief in die Nacht Licht: bei Klaus Heimburg.
Schreibend saß er am Tisch. Endlich legte er die Feder beiseite und las das Geschriebene noch einmal durch.
»Nun rate mir, liebe Mutter – ich weiß nicht aus noch ein – die Liebe zu Jutta Dahlen hat mich gepackt wie ein Fieber, das heimlich zehrt. Im Geiste sehe ich Dich lächeln, und höre Dich sagen: ›Dummer Bub, das ist doch so einfach – das machen wir so und so!‹ – und alles ist wieder gut. Strafe mich nicht für mein langes Schweigen, indem Du mich auf Antwort warten läßt; ich verspreche Dir, von nun an regelmäßig zu berichten.
In Gedanken küsse ich Dich tausendmal
Dein tiefunglücklicher Klaus«
Sorgfältig schloß er den Brief und stand auf.
Draußen stieg bereits ein neuer Tag auf. Klaus trat an das Fenster und öffnete die Flügel.
Seine Blicke wanderten zur weißen Villa. Die ersten Sonnenstrahlen brachen sich in ihren Fenstern, hinter denen er das geliebte Mädchen wußte.
»Jutta – liebe kleine Jutta!«
Alle Liebe legte er in ihren Namen – doch sie fand keinen Widerhall, und darüber fühlte er tiefen Schmerz.
Von Tisch her leuchtete der weiße Umschlag zu ihm hin, und seine Sehnsucht flatterte dem Brief voraus. Er erhoffte viel von ihm – vor allem Erlösung aus seiner verzweifelten Lage.
*
Hermine von Erlstett lief voll Unrast in ihrem Salon hin und her.
Ihre Gedanken arbeiteten angestrengt. Schließlich setzte sie sich an den Schreibtisch und schrieb einige Zeilen, die sie sofort durch ein Mädchen in das Werk tragen ließ.
Nun wartete sie voll Spannung hinter der Gardine. Endlich sah sie Pegau den Gartenweg heraufkommen.
Erleichtert atmete sie auf, als sie ihm entgegenging.
»Sie haben mich rufen lassen?« begann er, nachdem sie Platz genommen hatten.
»Ja!« stieß sie hervor. »Ich habe Ihnen eine Mitteilung zu machen, die Sie sehr interessieren wird: meine Nichte Jutta ist so gut wie verlobt.«
Überrascht beugte er sich vor. »Und – mit wem?«
Hermine von Erlstett antwortete mit Nachdruck:
»Mit Ullrich Andersen!«
»Aah!« Er gab sich den Anschein, als wäre er völlig ahnungslos, und mit wehmütigem Klang in der Stimme sagte er: »Mit Ullrich Andersen konnte ich allerdings nicht in die Schranken treten!«
»Wollen Sie damit sagen, daß Sie sich bereits um Jutta beworben haben?« fragte Hermine gespannt.
»Ja«, bekannte er. »Ich habe mir aber einen Korb geholt.«
Hermine von Erlstett erblaßte.
»Und ich habe geglaubt, Sie hätten ihr Vorhaben bereits aufgegeben!« Sie versuchte zu lächeln. »Deshalb war ich Ihnen auch ein wenig böse.«
Pegau faßte nach der Hand der Frau.
»Ich habe bisher jeden Ihrer Ratschläge befolgt, gnädige Frau. Aber warum nehmen Sie sich meiner so freundlich an?«
»Nehmen Sie an«, erwiderte sie liebenswürdig, »ich hätte mir vorgenommen, Ihnen vorwärtszuhelfen, einmal eine gute Tat zu vollbringen. Meine Nichte wirft mir Lieblosigkeit vor – vielleicht will ich mit meinem Interesse für Sie den Beweis erbringen, daß ich nur das Gute im Auge habe.«
Pegau fand augenblicklich keine Antwort darauf. Sie schien auch keine zu erwarten, denn sie sprach schon weiter:
»Es war von jeher mein Los, verkannt zu werden. Sie aber haben mich stets gut verstanden, und – –«
»In der Tat, gnädige Frau«, warf er schnell dazwischen, »ich habe nie an Ihrer Güte gezweifelt! Und wenn ich Ihnen irgendwie behilflich sein kann – Sie brauchen nur über mich zu verfügen!«
»Ich wußte, daß, ich auf Sie rechnen kann!« sagte Hermine huldvoll lächelnd. »Es kann sein, daß ich Ihre Hilfe schon eher brauche, als Ihnen angenehm ist. Im Augenblick wollte ich Ihnen nur von den Ereignissen in unserem Hause Mitteilung machen. Es tut mir leid, daß es keine erfreulichen Nachrichten sind; doch an der Tatsache ist nichts mehr zu ändern. Hätte man mich vorher zu Rate gezogen, ich hätte bestimmt meinen Einfluß zu Ihren Gunsten geltend gemacht.«
Es klang fast wie eine Entschuldigung. Doch Pegau war weit davon entfernt, ihr Vorwürfe zu machen. Er wußte am besten, wie sehr Jutta Dahlen ihn verabscheute. So spielte er den entsagenden Mann.
»Es war der schwerste Schlag für mich, gnädige Frau, als ich von Ihrer Nichte abgewiesen wurde. Und ihr schroffes Nein hat mich doppelt geschmerzt, weil es von einer Dame kam.«
In einem Ton, der ihren Haß gegen Jutta verriet, erwiderte Hermine:
»Dann werden Sie verstehen können, wie schwer mir meine Stellung hier gemacht wird! Ich habe jedenfalls keine Lust, noch lange die gute Tante zu spielen, die immer nur opfert und dabei vergißt, daß das Leben ohne diese Pflichten schöner sein kann.«
Über Pegau hinweg ging ihr Blick durch das geöffnete Fenster, als erwartete sie von dorther Erfüllung all ihrer Wünsche. Sie wußte nicht, wieviel Lebenshunger und verhaltene Sehnsucht nach den Freuden des Lebens aus ihren Worten sprach.
Sinnend ließ Pegau seinen Blick auf dem jetzt vom Eifer geröteten Gesicht der Frau ruhen. Er wußte nun, wie sehr sie die Dahlens haßte – wußte auch, daß sie auf Verderben sann, und empfand hierüber Genugtuung.
Diese Frau schien eine ihm verwandte Natur zu sein. Auch er war nicht gewillt, länger Angestellter, Abhängiger zu sein. Ein Werk wie das der Dahlen wollte er sein eigen nennen! Oh, wenn sie wußten, daß er bereits über ein ansehnliches Bankkonto verfügte, das er sich durch allerlei Machenschaften erworben hatte!
»Gnädige Frau«, meinte Pegau nach einer Weile, »was hindert Sie, ein Leben für sich zu beginnen? Wenn Ihre Nichte heiratet, sind Sie doch Ihrer Pflichten ledig.«
»Man kann nicht von heute auf morgen alles abstreifen, was einem Jahre angehangen«, wich sie aus. »Aber daß ich eines Tages nicht mehr hier sein werde, darüber bin ich mir vollkommen im klaren.«
»Wozu ich Ihnen von Herzen Glück wünsche«, vollendete Pegau und schien es ehrlich zu meinen.
Er erhob sich.
»Ich danke Ihnen, gnädige Frau, daß Sie so offen waren, aber ich möchte mich jetzt verabschieden.«
Mit gewinnendem Lächeln bot sie ihm die Hand.
»Es wird nicht unsere letzte Aussprache gewesen sein.« Und mit einem Anflug, zu trösten, setzte sie hinzu: »Verlobt ist noch nicht verheiratet. Vielleicht kann man ein wenig nachhelfen. Ich werde Sie wieder zu mir bitten, wenn ich mir über alles im klaren bin.«
Er neigte sich dankbar über ihre Hand und verließ sehr zufrieden die Villa. – Das Spiel konnte beginnen – er wußte, wo er anzupacken hatte. – – –
Gedankenvoll zog sich Hermine von Erlstett auf ihr Zimmer zurück. immer hörte sie seine Worte: Warum nehmen Sie sich meiner so freundlich an?
Die Vergangenheit stieg vor ihr auf. Sie sah die Schwester vor sich, die sie mit ihren blauen Augen anzuklagen schien – und einen reizenden Jungen, um dessentwillen Melitta aus dem Haus gejagt worden war – und der doch nicht