die Gastfreundschaft meinen Besten Dank.
Ullrich Andersen‹
Eine Weile sann Jutta den Worten nach. Das sah doch fast wie Flucht aus. Aber sofort verwarf sie diesen Gedanken wieder. Nein! Ullrich Andersen hatte Wichtigeres zu tun, als sich auszuruhen.
Sie nahm die eingegangene Post zur Hand und hatte wenig später Ullrich Andersen vergessen.
Nach einer halben Stunde kam Bernhard Dahlen.
»Ein neuer Auftrag von der Vogelsang AG., Vater. Das muß ich sofort Härtig mitteilen.«
Jutta schickte sich an, aus dem Zimmer zu gehen.
»Jutta!« Dahlen lehnte sich zurück »Muß das nicht erst Pegau wissen?«
Langsam kam Jutta wieder näher.
»Das ist nicht nötig, es betrifft doch Härtigs Abteilung«, sagte sie erstaunt.
»Früher war das anders.« Es war Dahlen sichtlich unangenehm. Jutta trat nahe zum Vater.
»Mit ›früher‹ meinst du doch, bevor ich hier arbeitete, nicht wahr?«
»Ja. Jutta. – Pegau zeigte sich mir gegenüber so beleidigt, daß ich mir manchmal undankbar vorkomme.«
Jutta freute sich. Also hatte Pegau bereits gespürt, daß noch ein Wille neben dem seinen maßgebend war. Sie legte dem Vater die Hand auf die Schulter.
»Darüber mache dir keine Sorgen, Vater; er soll merken, daß er nicht allein zu bestimmen hat.«
Ein Blick voll väterlichen Stolzes sandte Dahlen seinem Kinde nach. Sie war sein guter Geist, und tüchtig war sie auch; er hätte es kaum für möglich gehalten.
Jutta öffnete die Tür zu Härtigs Zimmer.
Da erhob sich an einem der beiden Schreibtische ein hochgewachsener Mann.
Langsam zog Jutta die Tür hinter sich ins Schloß. Diese Augen! Wo war sie ihnen schon begegnet, diesen dunklen, zwingenden Augen?
Härtig kam sofort auf sie zu.
»Darf ich Ihnen meine neue Kraft vorstellen? Klaus Heimburg – Fräulein Jutta Dahlen.«
Klaus Heimburg schaute nur in die tiefblauen Augen und dachte: meine blonde Frau! Heimlich gab ihm Härtig einen Stoß. Das brachte ihn wieder zur Besinnung. Tief neigte er sich vor ihr.
Da hatte sich auch Jutta wiedergefunden. Unsinn! Wie kam sie dazu, diesen Mann mit jenem in Verbindung zu bringen, der in Berlin, im Hotel – –
Freundlich reichte sie ihm die Hand zum Gruß.
»Ich habe gar nicht gewußt, daß Herr Härtig eine neue Kraft hat – ich heiße Sie herzlich willkommen.«
Für Sekunden umschloß Klaus die ihm herzlich gereichte Hand und gab sie dann wieder frei.
Jutta wollte noch einige Worte an ihn richten – aber seine Augen machten sie verlegen; etwas hastig wandte sie sich an Härtig. Klaus fühlte, er war entlassen und beugte sich über seine Arbeit. Doch die Buchstaben führten einen tollen Reigen vor seinen Augen auf. Er empfand nur: deine blonde Frau steht neben dir – Jutta – Jutta!
*
Keinen Blick wagte Jutta dorthin, wo sie Klaus wußte, und kürzer als beabsichtigt fiel ihr Bericht aus. Schnell verließ sie das Zimmer.
Draußen verhielt sie den Schritt. Warum nur das Herz plötzlich so heftig klopfte? Keineswegs gestand Jutta sich ein, daß ein Paar dunkle Männeraugen die Ursache war.
Zwischen den beiden Männern herrschte Stille.
»Was sagen Sie zu Jutta Dahlen?« fragte Härtig endlich.
In Heimburgs Gesicht zuckte es. Endlich kam es betont gleichmütig zurück:
»Hm – ganz nett.« Klaus hatte sich vortrefflich in der Gewalt.
»Erlauben Sie mal –! Jutta Dahlen ist eine anerkannte Schönheit und dabei ein ganz natürliches Menschenkind!« ereiferte Härtig sich.
»So genau habe ich sie mir nicht angesehen«, sagte Heimburg. Er ordnete dabei die Schriftstücke auf seinem Platz, warf sie wieder durcheinander und begann seine Arbeit von neuem. Kopfschüttelnd sah Härtig zu. Dann fragte er:
»Was machen Sie denn da?«
Klaus fuhr so erschrocken auf, daß Härtig in helles Lachen ausbrach – und Klaus stimmte mit ein. Gott sei Dank! Härtig war abgelenkt und merkte nicht, wie es um ihn stand; nichts wäre ihm ungelegener gewesen.
Jutta saß in ihrem Sessel und träumte.
Eigentümlich – wie sehr dieser Mann sie an die flüchtige Begegnung in Berlin erinnerte! Aber wie sollte er hierher ins Werk kommen?
Den ganzen Tag hing ihr dieser Gedanke nach. Doch zu einem endgültigen Ergebnis kam sie nicht. Das bedrückte sie, machte sie weich und hilflos.
Auch Pegau, der zu einer Unterredung kam, begegnete sie heute nicht so kühl – und daraus schöpfte der Direktor die größten Hoffnungen.
Am Abend, als sie ihre Arbeit beendete, war Jutta auch nicht klüger geworden. Sie gab sich einen energischen Ruck. – Was ging sie der Mann an?
Aber sie vermied es, nochmals Härtigs Zimmer aufzusuchen. Sie fand hierfür allerlei Ausreden – und wollte sich nicht eingestehen, daß sie doch nur den Blick in die Augen des Mannes meiden wollte, der ihre Gedanken gefangennahm.
*
»Kommst du mit, Vater?« fragte Jutta Dahlen und verschloß ihren Schreibtisch.
Dahlen sah von seiner Arbeit hoch.
»Geh schon voraus, Jutta; ich möchte noch eine Kleinigkeit fertig machen.«
Jutta ging. Langsam, gedankenvoll nahm sie ihren Weg, und drückte sich hastig an der Tür vorbei, hinter der sie Klaus Heimburg wußte.
Sie schalt sich töricht, vor einem Menschen davonzulaufen, der ihr fremd war.
Und doch hatte sie immer sein Bild vor Augen – so tief hatte es sich in ihr Herz geprägt.
Auf der Treppe verlangsamte sie ihren Schritt. Da – nur wenige Meter von ihr entfernt – stand ein Mann – und an seinem Arm hing ein junges Mädchen. Jetzt legte er zärtlich den Arm um sie und führte sie hinweg.
Jutta fühlte einen brennenden Schmerz in der Brust; doch dann reckte sie sich stolz.
Was ging sie Klaus Heimburg mit seinen Liebschaften an? Nichts! Auch sein Leben war sicher voll Sehnsucht – wie das ihre.
Nun war sie an der Pforte angelangt, durch die sie in den Park gelangte.
»Vater kommt sofort«, sagte sie geistesabwesend zu Tante Hermine, und ging an ihr vorüber die Treppe empor nach ihrem Zimmer.
Dort saß sie lange träumend am Fenster – und immer stand ein Bild vor ihren Augen: Klaus Heimburg – und neben ihm ein schlankes Mädchen!
*
Jutta stand vor Klaus Heimburg; ihre Stimme klang herrisch:
»Herr Heimburg, da schreibt eine Firma Steffens in Hamburg. Was haben Sie dazu zu sagen?«
Ihre Hand zitterte leicht, als sie ihm das Schriftstück reichte.
Klaus schoß das Blut in die Schläfen. Dann las er.
»Gnädiges Fräulein, würden Sie mir den Brief zur Beantwortung überlassen? Es handelt sich um eine – Privatangelegenheit.«
Sie forschte in seinen Augen, aber sie waren offen auf sie gerichtet. – Da nickte sie.
»Bitte! Den Brief möchte ich jedoch zurückhaben.«
Wieder dachte sie: Wer ist der Mann? Seine vornehme Sicherheit paßt durchaus nicht zu seinem Posten. Und ehe sie sich Rechenschaft ablegen