Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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zurück.

      »Tante Hermine bittet zu Tisch.«

      Andersen umfaßte die lichte Erscheinung Juttas mit einem bewundernden Blick. – Wußte der Mann dort eigentlich, wie reich er war?

      Sein Blick ging immer wieder zur Tür.

      »Schade, daß Sie schon bald wieder fortmüssen; wir haben heute abend ein kleines Gartenfest.« Dahlen klärte Andersen auf, da dieser unablässig durch die geöffnete Tür nach dem Garten blickte; er glaubte, etwas wie Sehnsucht in den Augen seines Gastes entdeckt zu haben.

      Andersen hatte kaum den Sinn von Dahlens Worten erfaßt, seine Gedanken gingen eigene Wege.

      »Wir wollen die Hausfrau nicht länger warten lassen«, sagte er aus seinem Sinnen heraus.

      »Tante Hermine wird leicht ungeduldig.«

      Andersen horchte auf.

      »Verzeihen Sie, ist Ihre Frau Mutter verreist?«

      »Meine Mutter ist schon viele Jahre tot.«

      Aus ihren Worten sprach ein so großes Sehnen nach Mutterliebe, sie war so erfüllt von diesem Gefühl, daß sie wenig auf den Mann an ihrer Seite achtete. – Dahlen war ihnen bereits vorausgegangen.

      In Andersens Gesicht war kein Tropfen Blut mehr.

      Er konnte nichts mehr denken – sein Hirn war wie ausgepumpt.

      Alles zog wie ein Traum an ihm vorüber.

      Der festlich geschmückte Tisch mit den dunkelroten Rosen in schweren Kristallschalen; das feine Porzellan, das blinkende Silber.

      Eine große, schlanke Frau, über deren Hand er sich geneigt hatte – das alles sah er verschwommen vor sich.

      Wie ein seelenloses Wesen kam er sich vor.

      Aufrecht hielten ihn eigentlich nur zwei dunkelblaue Augen, die voll heißer Angst an ihm hingen. – Jut­ta war die einzige, der das so veränderte Wesen zum Bewußtsein kam.

      Was war mit Andersen?

      Seine Stimme klang gepreßt, als er sich endlich an den Hausherrn wandte

      »Entschuldigen Sie mich bitte für eine Stunde, ich habe einige dringende Telegramme zu erledigen.«

      Mit dieser Ausrede verließ er fluchtartig das Haus, das er mit den größten Hoffnungen betreten hatte und das er tiefunglücklich verließ.

      »Ein unheimlicher Mensch!« äu­ßer­te Hermine später zu Jutta, erhielt aber keine Antwort.

      Von der Terrasse aus sah sie Andersen davongehen – aber sein Gang kam ihr schleppend vor.

      Eine Stunde lang irrte er in der Gegend umher. Empfindungen über Empfindungen überkamen ihn. Heute hatte er die Frau zum zweitenmal verloren – und diesmal für immer!

      Endlich hatte er sich wieder so weit in der Gewalt, daß er sich stark genug fühlte, Dahlen und seiner Tochter wieder gegenüberzutreten.

      Ja, es zog ihn förmlich dorthin, wo er Melittas Vermächtnis wußte – Jutta!

      *

      Andersen, Dahlen und Jutta saßen sich im Privatbüro gegenüber. Die Geschäftsbücher lagen vor ihnen und Dahlen erstattete Bericht.

      Jutta ließ ihre Blicke über die ungleichen Männergesichter gleiten. Das eine hatte sich vor Eifer gerötet, über dem anderen lag es wie eine Eisesschicht. Hart, unbeweglich wirkte es.

      Jutta vermutete, daß der Mann gar nicht zuhörte.

      Andersen dachte: Bin ich noch Ullrich Andersen? – Etwas Neues war in sein Leben voll Entsagungen und stillen Verzichts getreten und drohte ihm seine mühsam erkämpfte Ruhe zu nehmen.

      Das Schicksal hatte ihn anscheinend dazu bestimmt, daß er noch einmal alle Tiefen und Höhen menschlicher Leidenschaft durchkosten mußte.

      Melitta und Jutta verschmolzen vor ihm zu einer Person – und diese saß ihm gegenüber.

      »Jutta – Jutta!«

      Wie schön mußte sich der Name aussprechen lassen.

      »Sie sehen«, sprach Dahlen in Andersens Gedanken hinein, »die Bücher weisen nach, wie reichlich wir beschäftigt sind. Den Verlust werde ich herausarbeiten; meine Tochter ist meine getreueste Helferin dabei.«

      Er machte eine Geste zu Jutta hin, die leicht errötete.

      Wenn du jetzt ja sagst, bestätigst du etwas, was du nicht verstanden hast – dachte Andersen. Er wich einer Beantwortung aus und sagte, sich erhebend:

      »Ich glaube, es wäre besser gewesen, einen meiner Direktoren zu schicken. In dieser kurzen Zeit, die mir zur Verfügung steht, ist es unmöglich, ein klares Bild zu gewinnen.«

      »Aber der große Andersen kann sich doch einen Tag Ruhe gönnen«, sagte da eine weiche Stimme.

      »Großer Andersen, nennen Sie mich? Aus Ihrem Munde klingt das sehr nett.«

      Wenn sie wüßte, wie klein ich mir in diesem Augenblick vorkomme! ging es ihm durch den Kopf; laut aber sagte er:

      »Es liegt in meiner Absicht, mich einige Tage zu erholen.«

      »Aber dann können Sie doch auch an unserem Gartenfest teilnehmen?«

      Kurz verneigte sich die hohe Gestalt.

      »Ich wäre nicht abgeneigt.« Und wie zu seiner Entschuldigung fuhr er fort: »So könnte ich gleichzeitig morgen früh noch einige Stunden für die Einsicht der Bücher ermöglichen.«

      Jutta schloß einen Augenblick die Augen vor der Wucht des auf sie einstürmenden Gedankens. – Besaß sie eine Macht über diesem Menschen?

      Sie wußte nicht, machte sie das glücklich oder trieb es sie in einen wilden Strudel von Gefühlen, die sie in einen seelischen Zwiespalt rissen?

      Aus allem aber stieg die Freude darüber in ihr hoch: sie durfte dazu beitragen, diesem Manne, der ihr sehr einsam schien, zu ein paar angenehmen Stunden zu verhelfen.

      *

      Ausgelassene Stimmung lag über dem Park von »Dahlenburg«. Aus unzähligen bunten Lampions ergoß sich warmes Licht auf eine fröhliche Gesellschaft.

      Die Luft war erfüllt von herzlichem Frauenlachen, das weich und betörend erklang.

      Doch Ullrich Andersen ließ es an sich vorbeischwirren. Nur wenn er die eine Stimme hörte, die dunkel war wie dumpfer Glockenklang, hob er lauschend den Kopf.

      Im tadellosen Frack, die Arme verschränkt, lehnte er an einem der tief im Schatten stehenden Bäume und ließ die bunte Gesellschaft an sich vorüberziehen. Er fühlte sich einsamer denn je.

      Eine schlanke Gestalt im leise knisternden Gesellschaftskleide näherte sich Ihm Jutta!

      »So einsam und verlassen?« fragte sie.

      »Ich bin immer einsam«, gab er sehr ernst zurück.

      Sie führte ihn zwischen ihren Rosen dahin, die sie mit Liebe und Sorgfalt pflegte.

      Vor einem Strauch eigenartig schöner Blüten blieb sie stehen, brach eine davon und reichte sie ihm lächelnd.

      »Darf ich Ihnen diese Rose zum Geschenk machen? Es sind meine Lieblinge.«

      Erstaunt hingen seine Augen an ihrem Munde.

      »Ach!« sagte er. »Das schenken Sie mir? Mir hat noch niemand etwas geschenkt –! Alles hab’ ich mir selbst kaufen müssen.«

      Erschüttert schwieg sie.

      Armer – armer Reicher! dachte sie.

      Plötzlich äußerte er den Wunsch, die Tanzdiele zu sehen, und war erstaunt über sich selbst. Aber er glaubte, dem jungen Geschöpf etwas Köstliches vorzuenthalten – den Tanz, ein Vorrecht der Jugend.

      Mit eigenartig