Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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Minuten später Hermines wutverzerrtes Gesicht gesehen, als sie sich unbeobachtet wußte.

      Dahlen war allein im Frühstückszimmer geblieben.

      Er trat auf die Terrasse und behielt dauernd das Tor im Auge, als müßte jeden Augenblick Jutta eintreten.

      Da sah er den Telegraphenboten das Tor öffnen.

      Wie festgebannt verharrte er auf seinem Platz, bis der Mann die Treppe zur Terrasse heraufkam.

      »Ein Telegramm für Herrn Dahlen.«

      Dahlen gab dem Boten ein Trinkgeld, grüßte und ging ins Haus.

      Alles vollzog sich in äußerster Ruhe. Er suchte sein Zimmer auf und zog die Tür hinter sich zu.

      Vor ihm auf dem Schreibtisch lag das Telegramm – vielleicht sein Todesurteil.

      Seine Hand zitterte nicht, als er es erbrach.

      ›alles in ordnung – komme mit mittagszug – jutta.‹

      Die Buchstaben verschwammen. Dahlen fühlte sich in einem Wirbel mit fortgerissen.

      Ein Seufzer, tief, voll Erlösung, zitterte durch das Zimmer – dann war es totenstill.

      Dahlens Haupt sank schwer auf die Schreibtischplatte. Das Glück mußte erst gefaßt werden.

      Endlich raffte er sich auf.

      Gegen sechs Uhr würde Jutta da sein. Hier, in seinem Zimmer wollte er ihr danken – sie erwarten.

      Hochaufgerichtet, mitten im Zimmer, stand Dahlen, als draußen ein Wagen vorfuhr.

      Mit allen Sinnen lauschte er hinaus. Dann öffnete sich die Tür!

      »Vater!«

      »Jutta!«

      Nun lag sie an seinem Herzen, lachend und weinend, und wußte sich vor Glück nicht zu fassen.

      Es war die schönste Stunde in Bernhard Dahlens Leben. – –

      »Aber nun beginnt ein neues Leben, Vater«, sagte Jutta, nachdem sie sich gegenübersaßen und sie von ihrem Zusammentreffen mit dem ›großen Andersen‹ berichtet hatte. »Laß mich dir helfen, Vater – ich will deine Mitarbeiterin werden!«

      »Ja, Jutta, beide wollen wir dem Werk dienen!«

      Ihre Hände lagen im festen Druck zusammen. –

      Aber plötzlich kauerte ein neues Gespenst im Zimmer – das Gespenst, Jutta zu verlieren. Um sich Gewißheit zu verschaffen, ergriff er das Wort:

      »Jutta – und wenn du heiraten willst, wenn es einem Mann gelingt, dein Herz zu erringen?«

      Ungläubiges Lachen war in dem Zimmer und dieses Lachen machte Dahlen froh und frei.

      »Aber, Vater, ich mit meinen achtzehn Jahren denke noch lange nicht daran!«

      Damit nahm sie Dahlen die letzten Zweifel – das Zimmer war wieder voll des schönsten Sonnenscheins.

      *

      »Wirklich so, wie ich es mir gewünscht habe«, sagte Klaus Heimburg zu der freundlichen Wirtin. »Wir werden uns gut verstehen, nicht wahr, Mutter Helmer?«

      Frau Liese atmete auf. Die Vorstellung, die sie sich von dem Manne nach den Schilderungen ihres Schwagers gemacht, wurden bei weitem übertroffen.

      Eigentümlich, daß man gleich solches Vertrauen zu ihm fassen konnte.

      »Ich lasse Sie nun allein, Herr – Herr –« Sie hatte seinen Namen schon wieder vergessen.

      »Heimburg, Mutter Helmer, Klaus Heimburg!«

      »Schön, Herr Heimburg. Sie werden es sich bequem machen wollen; frisches Wasser, Handtuch, alles ist da!«

      »Danke schön, Mutter Helmer, ich bin rechtschaffen müde! Mein Gepäck lasse ich nachkommen.« Er dehnte die Arme und gähnte herzhaft.

      »Ich werde Ihnen den Koffer auspacken«, bot sich Frau Liese liebenswürdig an und machte große Augen Noch mehr Gepäck? Ihr Zimmerherr war doch etwas ganz Besonderes, gleich beim ersten Sehen hatte sie es sich gedacht.

      Unschlüssig sah Klaus auf die hilfsbereite Frau.

      Nein, er wollte sich nicht bedienen lassen. Er war jung genug, das selbst zu tun; und so lehnte er freundlich ab.

      Klaus Heimburg war allein.

      Auf einmal spürte er keine Müdigkeit mehr. Er wusch sich und verließ dann sein Zimmer. Er hörte Frau Liese in der Küche hantieren. Zögernd trat er näher.

      »Kommen Sie nur, Herr Heimburg, ich bin soeben dabei, Ihnen eine Limonade zu brauen. – Aber, ja, Sie wollten doch schlafen?«

      Erstaunt sah sie, daß Klaus Heimburg zum Ausgehen bereit vor ihr stand.

      Er lachte.

      »Der schöne Abend lockt, Mutter Helmer, ich will mir ein wenig die Gegend besehen.«

      »Und meine Limonade?« klang es enttäuscht.

      »Die trinke ich selbstverständlich erst.«

      Klaus hob das Glas und hielt es Frau Liese strahlend entgegen.

      »Auf gute Freundschaft, Mutter Helmer!«

      *

      »Ich danke Ihnen, meine Herren; im Augenblick liegt nichts weiter vor«, sagte Ullrich Andersen zu seinen Direktoren.

      Er erhob sich und mit ihm die anwesenden Herren.

      »Einen Augenblick noch, Martin. In den nächsten Tagen besuchen Sie die Dahlen-Werke und überzeugen Sie sich von der geschäftlichen Gesamtlage.«

      »Jawohl, Herr Andersen.«

      Direktor Martin verbeugte sich; die übrigen Herren folgten seinem Beispiel und Sekunden später war der Raum leer.

      Nur Andersen stand noch darin, unbeweglich.

      »Das ist nun dein Leben, Ullrich Andersen. – Arbeit – Arbeit – Arbeit!«

      Ganz laut sagte er es.

      »Für wen schaffst du eigentlich, Ullrich? – Damit später lange Berichte in den Zeitungen erscheinen, in denen es heißt:

      ›… er war ein Mann der Tat, ein Wohltäter, der Gründer bedeutender Stiftungen‹ – und so weiter.«

      Mit einer müden Bewegung fuhr er sich durch das grauschimmernde Haar.

      Wahrhaftig: er war müde – so müde!

      Was hinderte ihn daran, einmal nur sich selbst zu gehören?

      Pflichten! beantwortete er sich die Frage selbst.

      Aber jeder Mensch war zu ersetzen – warum nicht auch er? Er sehnte sich plötzlich nach der Stille seines Gutes.

      Merkwürdig, er kam sich seit Tagen so verändert vor – nein – seit dem Tage, da das blonde Mädel vor ihm gesessen, dessen Anblick genügt hatte, ihn an seine Jugend zu erinnern.

      Er nahm seinen Hut und – was noch nie vorgekommen war – verließ die Bank, ohne zu hinterlassen, wohin er gegangen war.

      Der Pförtner riß die Tür vor ihm auf.

      »Der Wagen ist noch nicht da, Herr Andersen!«

      Andersen winkte ab.

      »Ich gehe.«

      Als er die Stadt hinter sich hatte, nahm er seinen Hut ab und ließ sich den Wind um die heiße Stirn wehen.

      In einer Wirtschaft am See kehrte er ein und bestellte eine Tasse Kaffee. Er trank ihn in kleinen Schlucken, und hatte eine stille Freude in sich, seinen Pflichten davongelaufen zu sein. – Eine andere Szene, dieser ähnlich, trat vor sein geistiges Auge.

      Er sah sich als vierzehnjährigen Jungen auf einer Wiese sitzend, neben sich ein kleines blondes