Karin Bucha

Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman


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kleinen Bissen, hatte er, Melitta neben sich, die Äpfel verzehrt. –

      Andersen bezahlte und brach auf. Am Ufer des Sees entlangging er stadtwärts – und ihm war, als ginge Melitta neben ihm.

      Plötzlich kam ihm ein Gedanke, so ungeheuerlich, daß er mitten auf dem Weg stehenblieb.

      Wie – wenn er selbst nach Narbach fuhr, um sich vom Stand der Dinge zu überzeugen und – um Melitta zu sehen?

      Der Gedanke ließ ihn nicht los. Und als er sich der Bank wieder näherte, war er fest entschlossen, zu fahren, und von da weg einige Tage auf sein Gut; dann konnte das Schuften weitergehen.

      *

      Klaus Heimburg hatte sich »neu eingekleidet«. Das heißt, er hatte sich zwei Anzüge von der Stange gekauft, denn zu seinem Vorhaben paßte seine elegante Garderobe durchaus nicht. Aus Hamburg hatte er sich Zeugnisse schicken lassen. Nun steckte er sich hinter Friedrich Helmer, seinen Wirt.

      »Papa Helmer, können Sie für mich eine Lanze brechen? Ich habe alle guten Eigenschaften, die ein tüchtiger Angestellter besitzen muß; es gibt keine Arbeit, die ich nicht bewältigen könnte.«

      Papa Helmer lachte herzlich auf.

      »Wollen mal sehen, was sich tun läßt«, sagte er.

      Zwei Tage später überbrachte Helmer Klaus die Nachricht, daß der Personalchef wieder da sei.

      So begab sich Klaus am nächsten Morgen nach den Dahlen-Werken und wurde sofort vorgelassen.

      Prokurist Härtig sah von seinem Schreibtisch auf: »Sie wünschen?«

      »Arbeit.«

      Erstaunt betrachtete Härtig den großen kraftvollen Mann und je länger er in die offenen, ehrlichen Augen blickte, desto freundlicher wurde

      er.

      Er erhob sich, ging einige Schritte auf Klaus zu.

      »Was können Sie?« fragte er dann.

      »Alles.« Klaus Heimburgs Gesicht war todernst. »Geben Sie mir zur Probe irgendeine Arbeit auf, das soll mein bestes Zeugnis sein außer diesen hier.« Damit überreichte er dem Prokuristen seine Papiere.

      »Hm, also in Hamburg waren Sie zuletzt angestellt.« Er schmunzelte. »Warum haben Sie denn Ihre schöne Stellung aufgegeben?«

      »Weil es mir dort zu laut war.«

      Klaus fiel im Augenblick nichts anderes ein.

      »Sie gefallen mir«, sagte Härtig lachend. »Wenn Sie in Ihren Arbeiten auch so einzigartig sind wie in Ihren Antworten, können Sie sich als angestellt betrachten.«

      Klaus schlug in die dargebotene Hand. Wenig später hatte er seine Anstellung für den nächsten Ersten in der Tasche.

      Als Klaus bei seiner Wirtin ankam, schwenkte er sie vergnügt herum.

      »Mutter Helmer, ich bin angestellt! Hurra!«

      »Nein, so was; das ging aber schnell!«

      Klaus’ Augen leuchteten vor Glück.

      »Hier, Mutter Helmer, heute abend wird gefeiert. Machen Sie es besonders hübsch.«

      Dann lief er schnell davon. Bestürzt sah Frau Liese hinter ihm her. Zehn Mark hatte er ihr in die Hand gedrückt! Das war doch zuviel; davon konnte sie ihm glatt die Hälfte zu­rückgeben.

      *

      Vor den Dahlen-Werken hielt ein schwerer Wagen.

      Ullrich Andersen stieg heraus.

      So sehr er sich auch zur Ruhe zwang, er fühlte deutlich, daß jeder Nerv an ihm zum Reißen gespannt war.

      Viele Augenpaare starrten ihn an, als er seinen Namen nannte.

      Das also war der »große Andersen«, dessen Macht sogar bis hierher reichte?

      Das erste, was seinen Blick fesselte, als er Dahlens Privatbüro betrat, war ein blonder Mädchenkopf. Jetzt drehte er sich um. Juttas Blick hing wie gebannt an dem Mann, vor dem sie größte Hochachtung besaß.

      Andersen verneigte sich vor ihr. Da kam ihm Jutta schon entgegen und reichte ihm die Hand zum Gruß, die er mit warmem Druck umspannte.

      »Mein Vater!« stellte sie vor.

      Fest ruhte Andersens Blick auf dem Manne, der ihm einst alles genommen, was ihm erstrebenswert erschienen war.

      Doch kein Haß stieg in ihm empor, als er in die blauen Augen Dahlens sah. – Träumeraugen! durchfuhr es Andersen, und er glaubte Melitta zu verstehen. Eine Frau mußte sich zu einem Mann mit so gutmütigen Augen hingezogen fühlen.

      Dahlen ahnte nicht, was in dem mächtigen Manne vorging, als er ihn herzlich begrüßte.

      Bewegt dankte er ihm nochmals für sein Entgegenkommen; keine Spur von Überraschung zeigte er Andersen, daß er selbst erschienen war

      Nur in Jutta war leises Verwundern. Der Mann, der nie Zeit hatte, war persönlich gekommen?

      »Sie finden nur glückliche Menschen vor«, sagte Dahlen, nachdem Andersen Platz genommen hatte, und Jutta warf leise ein:

      »Aber der glücklichste Mensch bin ich – ich stehe endlich auf dem Platz, nach dem ich mich schon lange gesehnt habe!«

      In diesem Augenblick empfand Andersen, daß Reichtum doch ein Segen war, wenn man verstand, ihn richtig anzuwenden – wie in diesem Falle.

      »Darf ich mir die Werke einmal ansehen?«

      Sofort war Dahlen bereit. Jutta schloß sich an.

      Von einer Halle zur anderen schritten sie. Aufmerksam sah sich Andersen um, und was er sah, schien ihn zu befriedigen.

      Während sie später dem Büro zuschritten, grübelte Andersen vor sich hin. Wie kam es nur, daß Dahlen in diese Lage geraten konnte? Etwas war hier nicht in Ordnung. Aber wo der Fehler lag, konnte er nicht ergründen.

      »Wollen Sie jetzt Einsicht in die Bücher nehmen?« fragte Dahlen ihn, als sie wieder im Büro saßen.

      Andersen zögerte mit der Antwort, und Jutta bat den Vater:

      »Darf ich einen Vorschlag machen?«

      »Bitte.«

      »Es würde mich freuen, wenn Herr Andersen unsere Mahlzeit teilen würde.« Sie richtete jetzt das Wort an Andersen – »Eine Stärkung wird Ihnen sicherlich willkommen sein.«

      Zustimmend verneigte sich Andersen. Undurchdringlich war sein Gesicht. Jetzt kam das Schwerste – bald würde er der Frau gegenüberstehen, der seine große Liebe gehörte!

      Man erhob sich und verließ das Verwaltungsgebäude. Jutta erklärte Andersen die Umgegend. Aufmerksam lauschte er ihren Worten und berauschte sich förmlich an dieser Stimme, die ihn überallhin verfolgt hatte.

      Selten unterbrach er sie. Wie konnte Jutta ahnen, daß er Furcht vor seiner Stimme hatte, die er nicht mehr in der Gewalt zu haben glaubte.

      Der Park mit seiner verschwenderischen Blütenpracht fand Bewunderung in seinen Augen.

      »Selten sah ich eine so schöne Anlage!« sagte er.

      Dahlen wies auf Jutta.

      »Das war bisher Juttas Reich. Alles ist nach ihren Angaben gemacht worden.«

      Andersen wollte eine Frage stellen, unterließ es aber. – Noch nicht ein einziges Mal sprach Dahlen von seiner Frau. Andersen hatte fest geglaubt, sie hätte das alles geschaffen.

      In der Empfangshalle trennte sich Jutta von den Herren, um Tante Hermine auf den Besuch vorzubereiten.

      Dahlen forderte Andersen auf, mit in sein Arbeitszimmer zu kommen.

      Hier lebte Dahlen auf. Das Werk und was damit zusammenhing, versank. Er lebte mit seinen Büchern und gab seinem Gast einen Einblick in das, was ihn beschäftigte.