steht es mit deiner Frau?«
»Die hat sich den Haxen verknackst. Sie kann gerade vom Ofen bis zum Bett humpeln.« Verlegen kratzt der Mann sich den Bart. »Ja, was machen wir da?«
Er schielt Marina an, die der Unterhaltung aufmerksam gefolgt ist.
»Kann ich das Gepäck ausladen und den Wagen in die Garage fahren?«
»Ja, kannst mir helfen, Sepp.«
Marina klettert aus dem Wagen. Schon beginnt es zu dämmern. Sepp sieht nach dem Himmel.
»Sieht komisch aus«, meint er besorgt. »Hoffentlich kommt kein Wind auf.«
Sorglos lacht Günther dazu. »Das wäre nicht der erste Sturm, den wir in der Hütte erlebt haben. Also, los, packen wir aus.«
Zu einem warmen Trunk reicht die Zeit nicht mehr. »Sie brauchen keine Angst zu haben, Marina«, ermuntert Günther die zögernd folgende Begleiterin. »Der Weg ist nicht beschwerlich bis zur Hütte, und bei Dunkelheit sind wir längst da.«
Tapfer geht Marina in Günthers Spuren. Er sieht sich häufig um, ob sie auch hinter ihm bleibt, nickt ihr lächelnd zu und steigt weiter.
Sie sind vor der Hütte angekommen, die eigentlich wie ein Blockhaus aussieht, mit vorgebauter Veranda, auf der man sich in der Sonne ausruhen kann.
Günther trägt Holz aus dem abseits liegenden Schuppen herbei und macht Feuer in dem Kachelofen, um den eine Bank läuft, auf der viele bunte Kissen liegen. Es ist eine richtige Bauernstube, holzvertäfelt, mit bunten Tellern auf den Simsen und einer gemütlichen Eßecke.
»Hier nebenan werden Sie schlafen.« Er öffnet die Tür, findet alles sauber und nickt wohlgefällig. »Ich schlafe oben, da habe ich mein Zimmer.«
»Und wer übernachtet sonst hier?« fragt sie. Sie findet alles anheimelnd und gemütlich.
»Es ist das Schlafzimmer meines Vaters.«
Unermüdlich läuft Günther hin und her und trägt alles zu einer Abendmahlzeit zusammen. Er überprüft die Vorräte im Schrank. »Viel ist nicht gerade da«, meint er. »Man merkt, daß die Liesl nicht nachsehen konnte. Sie hat vor zwei Jahren geheiratet.«
Sie sitzen nach der Mahlzeit bei Kerzenlicht in der gemütlichen Ofen-ecke und rauchen ihre Zigaretten. Günther hat einen Grog gebraut. Sie wollen am Morgen zeitig noch höher steigen, weil man von oben eine gute Abfahrt hat.
Und dann bricht der Sturm los, den Sepp prophezeit hat. Günther kann gerade noch rechtzeitig die schweren Holzläden schließen.
»Haben Sie Angst vor dem Sturm?« fragt er, nachdem er wieder in der warmen Ecke Platz genommen hat.
»Ein bißchen schon«, erwidert Marina und lauscht dem Sturm, der immer gewaltiger wird, an den Läden rüttelt und das ganze Haus erzittern läßt.
Marina drückt sich enger an die Wand. Ihr Herz beginnt schneller zu schlagen. Noch nie hat sie einen so schweren Sturm erlebt.
Einmal versucht Günther, die Tür aufzudrücken, die sich nach draußen öffnen läßt, aber der Sturm drückt sie wieder zu.
»Ist etwas los?« fragt Marina.
»Ich habe unseren Rucksack mit den Vorräten im Schuppen liegenlassen. Die Tür läßt sich einfach nicht öffnen.« Man sieht ihm an, daß er ärgerlich über seine Vergeßlichkeit ist.
»Soll ich mithelfen?« Marina rutscht von der Bank herab und stellt sich neben ihn. Aber sie schaffen es auch nicht zu zweit.
Dann aber bricht das Unwetter erst richtig los. Als wenn die Elemente entfesselt wären, so tobt es. Und dann kracht es ohrenbetäubend…
»Eine Lawine!« Günther springt entsetzt auf. »Sie ist direkt über uns niedergegangen.«
Immer neue Schneemassen stürzen nach. Es klingt dumpf und drohend, und Marina flüchtet wieder in ihre Ecke.
»Und die Kerzen sind auch im Rucksack«, verkündet Günther. Er sieht in jeder Lade nach. Endlich hat er zwei Pakete gefunden.
»Wir müssen sehr sparsam damit umgehen, Marina. Wer weiß, wann wir hier rauskommen.«
Marina schlägt die Hände vor das Gesicht. Ihr ist zumute, als wurde der Tod bereits seine Hände nach ihr ausstrecken.
»Aber der Sepp – oder wie er heißt, wird uns doch Hilfe schicken?« stößt sie atemlos hervor.
»Das hoffe ich stark.«
Günther geht voller Unruhe hin und her. Draußen heult und winselt es. Es poltert auf das Dach. »Das habe ich noch nicht erlebt, solange wir diese Hütte besitzen.«
Nervös brennt er sich eine Zigarette an. Er ist voller Sorge. Nicht seinetwegen, aber wegen Marina. Sie sieht erschreckend blaß aus. Aber sie weint nicht.
Hat sie die Gefahr noch nicht im vollen Umfang erkannt? Wenn nun der Sepp unterwegs war und von der Lawine überrascht wurde?
»Lieber Gott«, flüstert Marina leise vor sich hin, »laß uns lebend hier herauskommen.«
Günther hört es. Er setzt sich zu ihr und legt leicht seinen Arm um sie. Er spürt, wie sie am ganzen Körper zittert.
»Keine Angst, Marina«, versucht er sie zu trösten. »Wir müssen die Nacht abwarten. Wer weiß, ob nicht morgen schon Hilfe kommt.«
Sie läßt seinen Arm auf ihrer Schulter ruhen. Es geht etwas Tröstliches von ihm aus, und sie bewundert seine Ruhe.
Sie ahnt ja nicht, wie sehr Günther besorgt ist. Kalter Schweiß steht auf seiner Stirn.
Noch einmal versucht er die Tür zu öffnen. Jetzt ist es nicht allein der Sturm, sondern auch der Schnee, der den Ausgang versperrt.
»Wollen Sie sich schlafen legen, Marina?«
Sie schüttelt heftig abwehrend den Kopf.
»Könnten Sie jetzt schlafen?« fragt sie leise zurück, und er schüttelt ebenfalls den Kopf.
Sie rücken zusammen, da das Holz verbraucht ist und sich langsam Kälte im Raum ausbreitet. Er holt von nebenan zwei Wolldecken, in die er die zitternde Marina einwickelt. Sie läßt es ohne Widerspruch geschehen.
»Und Sie, Günther?«
»Ich friere nicht. Ich kann mir später auch zwei Decken holen. Im Augenblick können wir noch die Ofenwärme ausnutzen. Sie wird immer schwächer.«
»Vielleicht sollten wir auch die Kerzen auslöschen«, schlägt Marina vor. »Wer weiß, wie lange wir sie noch nötig haben.«
Günther löscht die Kerzen bis auf eine, legt die Streichhölzer und sein Feuerzeug daneben, und dann warten sie, Stunde um Stunde.
Marina ist an Günthers Schulter in einen leichten Schlaf gefallen, aus dem sie der Sturm immer wieder herausreißt.
So vergeht eine entsetzlich lange Nacht, eine Nacht, in der die beiden jungen Menschen um ihr Leben zittern.
*
Am darauffolgenden Montag
herrscht im Illermann-Konzern große Aufregung. Günther Gellert ist nicht erschienen, und Marinas Platz im Vorzimmer ist leer.
Immer wieder erscheint Albert Gellert, wirft einen Blick auf den Schreibtisch, an dem sonst Marina sitzt.
»Haben Sie eine Ahnung, ob Fräulein Braun über das Wochenende wegfahren wollte?«
Barbara schüttelt den Kopf. »Mir hat sie nichts gesagt.«
»Danke.«
Merkwürdig – sinnt Gellert, als er in seinem Zimmer ist. Günther ist nicht da – und Marina auch nicht? Bestehen da irgendwelche Zusammenhänge?
Dann erreicht ihn ein Anruf aus seinem Haus. Franz, der Gärtner und Mädchen für alles im Hause, meldet sich.
»Was