während der Krankheit tüchtig gewachsen, hängt ihr in natürlichen Locken bis auf die Schultern. Ihre Augen haben einen merkwürdigen Ausdruck, halb ängstlich, halb erfreut.
»Schon wieder Blumen?« Sie sagt es, um ihn abzulenken, da sie plötzlich voller Bangnis ist.
»Ich möchte dir eine Freude machen, Marina. Mehr als Blumen erlaubst du mir ja nicht zu schenken.«
Er hat sich einen Stuhl herbeigeholt und läßt sich dicht neben ihr nieder. Er sucht ihre Hand, die leicht in der seinen zittert.
»Marina, ich muß mit dir sprechen. Morgen bietet sich mir keine Gelegenheit dazu, da ich geschäftlich verreisen muß.« Er sieht sie flehend an. »Marina, willst du meine Frau werden?«
»Oh, Günther«, flüstert sie, bis ins Herz getroffen. »Warum zerstören Sie unser schönes kameradschaftliches Verhältnis?«
»Es ist mehr, Marina, viel mehr. Es ist Liebe. Weißt du nicht mehr, daß du schon meine Frau geworden bist?«
Schneeweiß lehnt Marina den Kopf an den Sessel. Das ist die Lücke, die in ihrem Gedächtnis klaffte und die sie nicht ausfüllen konnte. Jetzt weiß sie es, wenn auch undeutlich. Sie hat Günther für seinen Vater gehalten, den sie liebt, unendlich liebt. Ein Gefühl, das sie niemals für Günther empfinden kann.
Sie stöhnt leise auf, und sofort neigt er sich besorgt über ihr blasses Gesicht. »Was hast du, Marina? Soll ich die Schwester holen?«
Sie winkt matt mit der Hand. »Danke, ist nicht nötig. Ich – ich bin nur sehr überrascht.«
Sie öffnet die Augen weit. Tief sitzt das Grauen darin. Sie ahnt, was damals geschehen ist, aber sie weiß es nicht genau. Hat sie nicht Günther für seinen Vater gehalten? Ist er ihr in ihren Fieberträumen nicht immer gegenwärtig gewesen?
Nein, das kann nicht sein!
Und nun soll sie seine Frau werden? Niemals kann sie das, niemals! Sie kann ihre Liebe zu Albert Gellert nicht verraten.
»Warum zögerst du, Marina?« bringt Günther sich wieder in Erinnerung.
»Ich – ich kann nicht«, stößt sie bebend hervor.
»Warum denn nicht, Marina?« drängt er.
Sie krampft die Hände im Schoß zusammen. Sie weiß, daß sie ihm weh tun wird. Aber es muß sein.
»Weil – weil ich dich nicht liebe, Günther. Meine Gefühle zu dir sind kameradschaftlicher Art.«
Betroffen schweigt er. Alles hätte er erwartet, nur keine Ablehnung.
»Und ich glaubte hoffen zu dürfen, nachdem du…«
»Bitte nicht, Günther«, fleht sie. »Sprich es nicht aus. Ich – ich schäme mich unsagbar.«
Sein Mund verzieht sich bitter. »Was gibt es da zu schämen, Marina. Du hast mir in der Hütte immer wieder versichert, daß du mich liebst.«
Verzweifelt preßt sie die Fingerspitzen an die Schläfen.
»Marina«, mahnt er leise, da er sieht, wie sie mit sich kämpft. »Ist das die Wahrheit?«
Sie nickt nur heftig. Es ist ihr nicht möglich, auch nur ein Wort zu sagen.
»Dann galt dein Geständnis in der Hütte einem anderen? Wem?«
Ihre Augen sind dunkel vor Erregung. Sie öffnet hilflos die Lippen und schließt sie wieder.
Günther erhebt sich und geht ein paarmal im Zimmer auf und ab. Er weiß, daß er sie quält, und doch schreit alles in ihm nach Gewißheit. Ruckartig verhält er den Schritt.
»Sag mir die Wahrheit, Marina.« Seine Stimme klingt heiser. »Ich will nur dein Glück.«
Sie streckt ihm beide Hände entgegen. Sie kann es kaum fassen, daß der Mann, der einst sehr häßlich zu ihr war, den sie als flatterhaft bezeichnete, derselbe sein soll, der jetzt so verständnisvoll und gütig zu ihr spricht. Welche Verwandlung ist mit ihm vorgegangen.
»Günther, bitte, erlasse mir die Antwort.« Unwillkürlich verfällt sie in das vertraute »du«. »Meine Liebe ist so aussichtslos, daß es kein Glück für mich gibt.«
»Dann werde meine Frau, Marina. Ich will es dir beweisen, daß ich dich liebe. Eines Tages wirst auch du mich lieben. Ich werde Geduld aufbringen.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Es geht nicht, Günther, glaub mir. Niemals kann ich mich ändern, und niemals werde ich einen anderen Mann lieben können.«
Lange sieht er auf sie hinab. Sie tut ihm leid. Er möchte sie glücklich sehen. Er möchte sie für sich gewinnen und muß doch einsehen, daß er keinen Schritt vorwärtskommt.
Er gibt ihre Hände frei. »Wie du willst, Marina. Zwingen kann man keinen Menschen. Am allerwenigsten dich. Morgen fliege ich für längere Zeit nach Persien. Vielleicht ist das gut so. Dann ist das ein Abschied für uns. Leb wohl, kleines Mädchen, und paß gut auf dich auf –«
Er verstummt und verläßt eilig das Zimmer. Der Traum von Liebe und Glück mit Marina ist zwischen seinen Fingern zerronnen.
Aus umschatteten Augen sieht Marina hinter ihm her, bis die Tür leise ins Schloß gleitet.
Dann legt sie die Hände vor das Gesicht und weint bitterlich.
Tage sind vergangen. Generaldirektor Gellert möchte Marina gern einen Besuch abstatten und verschiebt ihn immer wieder. Er hat zwar ein paarmal durch Barbara anrufen, und sich von Marinas Wohlergehen berichten lassen. Und dann kann er nicht anders, er muß zu Marina gehen. Es wird ein sehr, sehr schwerer Weg für ihn, denn er hat die Nachricht erhalten, daß sein Sohn Günther bei einer Flugzeugkatastrophe ums Leben gekommen ist.
Zunächst kann er es nicht fassen, daß sein junger, lebensfroher Sohn nicht mehr sein soll. Aber als er die amtliche Mitteilung erhalten hat, gibt es für ihn keinen Zweifel und auch keine Hoffnung mehr.
Marina muß es wissen – geht es ihm durch den Kopf. Zunächst muß er alles für die Heimkehr seines toten Sohnes veranlassen. Da er weiß, daß Günther Marina geliebt hat, soll sie die furchtbare Nachricht aus seinem Munde hören.
Marina fühlt sich wieder wohl in der vertrauten Umgebung und bei Annemaries aufmerksamer Betreuung. Nichts ist ihr zuviel für die Freundin, und immer hat sie einen Scherz bereit. Annemarie ist verwundert, als der Generaldirektor erscheint.
Wie immer, ist sie von seiner starken Persönlichkeit tief beeindruckt. Gewiß, Günther ist ein gutaussehender Mann und hat seine Qualitäten, doch mit seinem Vater kann er sich schlecht messen.
Sie geleitet Gellert sofort zu Marina, die gut eingehüllt auf der Couch liegt und wie immer in letzter Zeit vor sich hin träumt. Sie fährt zusammen, als Albert Gellert vor ihr steht, ihr Teerosen in den Arm legt und ihr die Hand drückt.
Ängstlich sieht sie zu ihm auf. Er kommt ihr verändert vor. Oder war er schon immer so ernst?
»Bitte, nehmen Sie Platz«, fordert Annemarie den Gast auf und verschwindet, um eine Erfrischung zu holen.
Marina kämpft mit schrecklicher Verlegenheit. »Ich danke Ihnen«, sagt sie endlich, »daß Sie sich persönlich um mich kümmern. Sie haben schon viel zuviel für mich getan.«
Marina dünkt ihm noch liebenswerter als sonst mit dem blassen Gesicht und den übergroßen tiefblauen Augen. Ihre Hilflosigkeit rührt ihn, und nun muß er ihr weh tun, obgleich er ihr die Sterne vom Himmel holen möchte.
»Es war nur meine Pflicht«, beginnt er stockend, fängt sich und spricht mit heiserer Stimme weiter.
»Ich halte es auch für meine Pflicht, Ihnen eine wenig gute Nachricht zu überbringen.«
Er beobachtet sie scharf, findet aber nur Erschrecken in ihrem schönen Gesicht.
»Mein Sohn war in wichtiger Mis-
sion unterwegs. Sein Flugzeug ist