wundern sich«, spricht er mit belegter Stimme weiter, »daß ich diese Lösung vorschlage. Sie sollen es wissen, da Sie Marinas Freundin sind. Ich liebe Marina. Ich liebe sie schon sehr lange. Da mein Sohn sich auch für sie interessierte, nahm ich an, Marina liebe ihn auch. Das stimmt aber nicht. Sie hat es mir selbst gesagt. Das gibt mir den Mut, um Marinas Liebe zu kämpfen.« Er kommt auf sie zu und blickt sie ernst an. »Sie müssen jedoch versprechen, daß Marina nicht erfährt, daß ich sie aus Liebe heirate – wenn sie mich überhaupt nimmt. Ich kenne Marina genau und weiß, wie scheu sie ist. Meine erste Ehe war nicht sehr glücklich. Wir paßten nicht zusammen, und ich war viel zu jung und unerfahren. Nun, unsere Eltern wollten es damals. Heute ist das anders, Fräulein Annemarie. Ich liebe Marina wie nie zuvor eine Frau. Eines Tages werde ich sie von dieser Liebe überzeugen.«
Sie reicht ihm die Hand. »Ich verspreche Ihnen zu schweigen.«
»Danke!« Er fährt sich nervös über das Haar. »Heute nachmittag besuche ich Marina. Es ist Ihnen doch recht?«
Annemarie steht auf. Ihr ist ein Stein vom Herzen gefallen. Es wird alles gut werden, und Marina wird das Lachen wieder lernen.
»Damit Sie sich mit Marina aussprechen können, werde ich nicht da sein. Ist es so recht?«
Er nickt. Ein kleines Lächeln huscht um seinen Mund.
»Ich danke Ihnen, Fräulein Annemarie.«
Kaum ist er wieder allein, hält er Zwiesprache mit sich, und das Herz wird ihm immer leichter.
Er läßt alle Besprechungen absagen, fährt heim, zieht sich um, und am Frühnachmittag sitzt er Marina gegenüber.
Sie freut sich, wie immer, über seinen Besuch. Merkwürdig findet sie es nur, daß Annemarie weggegangen ist, nachdem sie einen netten Teetisch gedeckt hat. Das hat sie noch nie getan.
Mit ihm allein zu sein, verwirrt sie. Annemarie hat sie auf die Couch gebettet. Nicht sie bedient ihren Gast, sondern er sie. Ihren Protest übergeht er mit einem Lächeln, das wie eine Entschuldigung wirkt.
»Noch müssen Sie sich schonen.«
Marina begehrt auf. »Aber ich fühle rnich sehr wohl. Annemarie packt mich immer auf die Couch. Ich bin doch kein Baby.«
»Ganz gewiß nicht«, sagt er nachsichtig und reicht ihr die silberne Schale mit dem Gebäck.
»Sie verwöhnen mich, Herr Generaldirektor.«
Behutsam stellt er die Schale auf den Tisch zurück. Er sieht sie aus seinen hellen Augen ernst an.
»Ich möchte Sie noch viel mehr verwöhnen, Marina.«
Ihr Herz klopft bis zum Halse hinauf. Sie hat das Gefühl, als käme etwas auf sie zu, was sehr beglückend ist und auch wieder furchtsam macht.
»Bald werde ich wieder für Sie arbeiten können.«
»Das glaube ich nicht«, erwidert er gedehnt.
»Was wollen Sie damit sagen? Haben – haben Sie sich bereits nach einem Ersatz für mich umgesehen?« Die großen, erschrockenen Augen beherrschen das ganze schmale Gesicht.
»Noch nicht! Ich hoffe, daß ich es bald tun kann.«
»Das – das verstehe ich nicht«, stammelt sie betroffen.
»Marina!« Er nimmt ihre Hand, streicht zart darüber hin und legt sie dann auf die Decke zurück. »Ich wollte Sie fragen: Wollen Sie meine Frau werden?«
Sie läßt sich wortlos zurückfallen. Das kann doch nicht möglich sein! Der große Albert Gellert, diese starke Persönlichkeit, der man größte Hochachtung entgegenbringt, bittet sie…
»Marina!« Besorgt neigt er sich über sie. Sie hat keinen Tropfen Blut mehr im Gesicht. Die Augen hält sie geschlossen.
Was soll ich tun? überlegt er fieberhaft. Er darf ihr nicht von seiner Liebe sprechen, jetzt noch nicht, aber er muß ihr die Notwendigkeit dieses Schrittes erklären.
»Marina, bitte, hören Sie mich an.« Da war wieder die warme, geliebte Stimme. »Ich glaube, es gibt gar keinen anderen Ausweg. Das Kind soll den Namen Gellert tragen.«
Langsam heben sich die Lider mit den dichten dunklen Wimpern. Auf einmal ist ihr, als sei ihr Herz erstarrt.
»Nur deshalb – deshalb wollen Sie mich heiraten?«
»Ja!«
»Dann hat Annemarie geplaudert.«
»Seien Sie ihr nicht böse, Marina«, bittet er weich. »Sie hat es herzlich gut mit Ihnen gemeint, und ich bin ihr dankbar, daß sie zu mir gekommen ist. Nun hat alle Seelennot ein Ende, Marina.«
Nein! Jetzt beginnt sie erst, denkt sie gequält. Er liebt mich nicht, er nimmt mich nur, damit das Kind seines Sohnes einen Vater und vor allem den Namen Gellert erhält. Er schreitet ohne Bedenken über mein Herz, das nur ihm, nur ihm gehört.
Was soll ich tun? Darf sie in ihrer augenblicklichen Lage überhaupt an sich denken? Geht das Kind nicht vor?
»Marina!« bringt er sich wieder in Erinnerung. Er ist voller Angst.
»Gut! Ich nehme Ihren Antrag an.«
Wieder nimmt er ihre Hand und behält sie in der seinen.
»Ich danke Ihnen, Marina. Sie sollen diesen Schritt niemals bereuen.« Er stockt und setzt noch hinzu: »Sollten Sie einmal den Wunsch äußern, nicht bei mir leben zu können, dann gebe ich Sie frei. Es könnte der Fall eintreten, daß Sie einen anderen lieben.«
Du lieber Gott! Ich werde mich niemals von ihm fortsehnen. Wie es auch kommen mag, ich werde seine Frau, darf immer um ihn sein. Ist das nicht schon mehr, als ich jemals erwartet habe?
»Und Sie haben –«
»Sie?« unterbricht er sie sofort.
»Du«, verbessert sie sich rasch, »du hast dich sofort entschlossen, mich zu heiraten?« Diese Frage kann er ohne Bedenken bejahen.
Hat sie etwas anderes erwartet? Ihm geht es ja nur um das Kind. So bleibt sie äußerlich ganz ruhig, als er ihr Vorschläge wegen der Trauung macht. Sie stimmt allem bei, hat keine Sonderwünsche, und er merkt, daß er in ihr eine sehr fügsame Frau gewonnen hat. Soll er sich darüber freuen? Oder ist das Gleichgültigkeit? Er kann sich diese Frage nicht beantworten.
*
An einem schönen Vorfrühlingstag, der voll Sonne und Wärme ist, wird Marina Albert Gellerts Frau.
Es ist eine stille, kleine Hochzeit im intimen Kreis. Dr. Hartmann und Annemarie sind die Tranzeugen.
Man hat weder Einladungen noch Anzeigen verschickt. Keiner weiß, daß Gellert und Marina Mann und Frau geworden sind. Daß Marina ihren Arbeitsplatz nicht wieder eingenommen hat, erklärt Barbara sich damit, daß sie dazu noch nicht fähig ist.
Marina kommt sich wie verloren in dem großen, prachtvollen Haus Gellerts vor, zumal der Haushalt ohne ihre Hilfe reibungslos läuft.
Die Hitze macht ihr zu schaffen, und Gellert beobachtet sie und sorgt sich um sie.
»Fühlst du dich auch wohl, Marina?« fragt er sie eines Tages beim Abendessen, das sie im kleinen Speisezimmer einnehmen. »Du siehst erschreckend blaß aus.«
Seine Fürsorge tut ihr wohl. Also nimmt er doch an ihrem Wohlbefinden Anteil?
Sie sieht ihn aus dunkelumschatteten Augen an. »Danke, mir geht es soweit gut. Nur die Hitze bekommt mir nicht.«
»Willst du verreisen?« schlägt er vor.
Sie schüttelt verneinend den Kopf. »Ich habe mich hier sehr gut eingelebt. Laß mich hierbleiben.«
»Wie du willst, Marina.« Er zögert und schließt stockend: »Vielleicht könnte ich mich für einige Zeit freimachen und dich begleiten. Ich habe sehr lange keinen Urlaub gemacht.«
Der Schreck, stündlich in seiner Gesellschaft zu sein, durchfährt