schnuppert sie. »Das hast du wieder schön gemacht, Marina.«
Sie läßt sich am Tisch nieder.
»Du weißt nicht, wie wunderschön es ist, heimzukommen und nicht allein zu sein.«
Marina läßt den Tee in die schöngeformten Tassen fließen.
»Ab morgen wirst du allein sein, Annemarie.«
»Was?« Annemarie fährt auf und starrt die Freundin an. »Was soll das heißen?«
»Ich fliege morgen mit meinem Chef nach London.«
»Nach London?« Annemarie betrachtet die Freundin aufmerksam. »Und das sagst du mit einem Gesicht, als würde man dich aufgefordert haben, an einer Beerdigung teilzunehmen?«
Marina macht sich am Tisch zu schaffen. Mit abgewandtem Gesicht sagt sie: »Mir liegt nichts an der Reise.«
»Aber Marina, warum denn nicht?«
Marina nimmt Annemarie gegen-über Platz. »In letzter Zeit verstehe ich mich nicht mehr richtig mit meinem Chef, und das bekümmert mich.«
»Und dabei warst du erst so begeistert von ihm.«
Marina versorgt die Freundin und sich mit Sahne und Zucker.
»War ich auch«, bekennt Marina ehrlich. »In letzter Zeit aber ist er recht merkwürdig geworden.«
Annemarie macht eine kleine, wegwerfende Handbewegung. »Mach dir nichts draus, Marina. Männer sind eben so. Sie haben Launen –«
»– und dabei heißt es, wir hätten Launen, wir Frauen«, fällt Marina der Freundin erbittert ins Wort.
»Gott ja, haben wir auch. Nimm es nicht so wichtig, Marina. Wer weiß, was einem Mann, der so vielbeschäftigt ist und so große Verantwortung trägt, alles durch den Kopf geht. Vielleicht weiß er nicht einmal, daß er sich verändert hat.«
»Mag sein«, kommt es widerwillig von Marinas Lippen.
»Nach deiner anfänglichen Begeisterung«, spricht Annemarie weiter, »hatte ich den Eindruck, als seiest du in den Mann verliebt.«
Vor Schreck wagt Marina sich nicht zu rühren. Natürlich liebt sie ihn, aber niemals würde sie es zugeben, zumal ihre Liebe gänzlich aussichtslos ist.
Zeitiger als sonst erhebt Marina sich vom Tisch und beginnt ihre Sachen für die Reise einzupacken. Sie tut es ohne jede Lust, trotzdem wählt sie sorgfältig unter ihrer Garderobe. Sie müßte keine Frau sein, wenn sie dem Mann, den sie liebt, nicht gefallen wollte.
*
»Wünschen die gnädige Frau Tee oder Kaffee?« Höflich lächelnd wendet sich die Stewardeß an Marina, die einen Fensterplatz im Flugzeug innehat. Albert Gellert sitzt neben ihr. »Kaffee, bitte!«
»Und der Herr Gemahl?« wendet sich das hübsche Mädchen in der kleidsamen Uniform an Gellert. Er wirft einen schnellen Seitenblick auf die verwirrte Marina. Um seinen Mund liegt ein belustigtes Lächeln.
»Dasselbe, bitte.«
Als das Mädchen verschwunden ist, funkelt Marina ihn aus zornigen Augen an.
»Warum haben Sie die Stewardeß nicht aufgeklärt?«
Er sieht sie mit fröhlich blitzenden Augen an. Dieser Mann erinnert sie wieder an den von früher. Alles Kühle, Abweisende ist aus seinem Wesen verschwunden.
»Ich finde es ausgesprochen nett, uns für ein Ehepaar anzusehen.«
»Bitte, wenn Sie so viel Spaß daran finden.« Sie wendet den Kopf und blickt angestrengt zum Fenster hinaus. Aber sie sieht nichts. Sie sieht nur die hellen Augen Gellerts vor sich und ist wütend auf sich selbst, daß sie sich nicht unbefangener geben kann.
Günther Gellert als Sekretär des Konzerns hat die Reise gut vorbereitet. Sein Vater bewohnt ein Appartement mit Salon, Schlafzimmer und dazugehörigem Bad. Marina bewohnt auf derselben Etage ein geräumiges Wohn- und Schlafzimmer mit Bad.
Um dreizehn Uhr soll sie sich zum Mittagessen im Speisesaal einfinden. Marina wählt lange unter ihren mitgenommenen Kleidern.
Sie wählt ein schokoladenfarbenes, apartes Kleid, einfach im Schnitt, aber es wirkt an ihrer schlanken, gutgewachsenen Figur überaus elegant. Und sie versteht es auch zu tragen.
Albert Gellert erwartet sie schon. Er rückt ihr einen Sessel zurecht und ist sehr aufmerksam zu ihr.
Marina wird immer verwirrter, zumal er den Kellner weggeschickt hat und sie selbst bedient. Sie möchte am liebsten auf und davon. Doch sie verharrt in ungewöhnlich steifer Haltung, ist sehr ernst und wenig gesprächig. Gellert scheint es nicht zu bemerken. Er erzählt aus seinem Leben, und sie lauscht ihm mit allen Sinnen.
Nach dem Mokka bietet er ihr Zigaretten an und gibt ihr Feuer. Ihre Hand zittert leicht, sie wagt ihn nicht anzusehen.
»Es ist Ihnen wohl sehr unangenehm, mit mir zu speisen?« hört sie ihn sagen.
Sie sieht ihn aus verdunkelten Augen offen an.
»An diesen Zustand muß ich mich erst gewöhnen.«
Er kommt sich wie ein großer Junge vor. Er ist wie verwandelt. Was ist nun sein wahres Gesicht?
Jetzt ähnelt er seinem Sohn auffallend – und doch gibt es einen Unterschied, den Marina nur gefühlsmäßig wahrnimmt. Der Mann, der vor ihr sitzt, flößt ihr Vertrauen ein. Günther Gellert würde sie nicht bedenkenlos vertrauen, obgleich er sich in den letzten Monaten sehr gewandelt hat, und das zum Guten. Sie versucht auch, den Zwischenfall von damals zu vergessen und ihm kameradschaftlich zu begegnen.
Über ihre Gefühle zu Albert Gellert ist sie sich völlig klar. Diesen Mann liebt sie, und sie wünscht sich aus tiefstem Herzen, er wäre ein kleiner Angestellter des Konzerns und nicht der Generaldirektor.
»Was grübeln Sie?« fragt Gellert in ihren Gedankengang hinein, und sie senkt beschämt den Kopf. Wie kann er wissen, daß sie sich ausgiebig mit seiner Person beschäftigt hat? Sie greift zu einer Ausrede.
»Ich dachte an die heutige Konferenz. Um wieviel Uhr findet sie statt?«
»Um fünfzehn Uhr. Dazu habe ich den kleinen Konferenzsaal für mich reservieren lassen.« Jetzt ist er wieder ganz Geschäftsmann, ruhig und sachlich, und Marina weiß nicht, welcher ihr nun lieber ist: Dieser Distanz haltende Mann – oder der, der sie in Verwirrung stürzt durch seine Aufmerksamkeit, seine Ritterlichkeit.
Gellert blickt auf seine Uhr. »Da haben Sie noch Zeit, sich etwas auszuruhen. Ich weiß nicht, wie lange die Sitzung dauern wird.«
Marina spürt zwar keine Müdigkeit, da sie durch den leichten Tischwein angeregt ist, doch nachdem sie sich von ihrem Chef verabschiedet und ihr Zimmer aufgesucht hat, macht sie es sich doch bequem und legt sich auf die Couch.
Noch einmal ziehen die mit Albert verbrachten Stunden an ihr vorüber, und ehe sie zu Ende gedacht hat, ist sie eingeschlafen.
*
Aus drei Tagen Aufenthalt in London sind tatsächlich fünf geworden. Fünf anstrengende Tage. Marina hat sich tapfer gehalten und ist fleißiger und gewissenhafter denn je gewesen. Albert Gellert, der hartnäckige Geschäftspartner vor sich hatte, war von Marinas Arbeit begeistert. Er sparte nicht mit Lob, das sie jedesmal verwirrte.
In der Freizeit fuhr er mit Marina durch London. Leider war das Wetter sehr ungünstig, kühl und neblig, und sie waren jedesmal froh, wenn sie im Hotel den heißen Tee zu sich nehmen konnten.
Wenn sie mit der Arbeit fertig waren, ließ er sie nie allein. Immer schlug er ein Programm vor, das Marina begeisterte.
Am letzten Abend in London ging er mit Marina aus.
Marina hat sich mit aller Sorgfalt angezogen. Sie trägt ein Tunikakleid aus perlgrauer, schwerer Seide. Sie sieht reizender denn je aus, und Gellerts Augen leuchten bei ihrem Anblick sekundenlang auf.
»Was