ist einfach schön, dass es dich gibt«, sagte er dann mit dunkler Stimme. »Wenn du doch Manuels Herz gewinnen könntest!«
»Und sie?«, flüsterte sie erstickt. »Sie will dich doch haben mit Haut und Haaren. Glaubst du, dass ich das nicht gespürt hätte?«
»Du, du hast mich – mit Haut und Haaren«, erwiderte er, »und alles andere wird sich finden. Sie bedeutet mir nichts – gar nichts! Damit du dir darüber im Klaren bist. Ich werde dir einmal alles erzählen, wie es kam und warum ich mich nicht dagegen gewehrt habe, dass sie in meinem Hause blieb, aber nicht heute. Wir wollen diesen Abend nicht zerstören, Sandra, nicht zerreden. Du sollst mir glauben, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben wirklich glücklich bin. Ich möchte, dass auch du glücklich bist.«
»Und ich möchte, dass Manuel ein glückliches Kind wird«, sagte sie leise.
Marianne von Rieding konnte sich über das lange Ausbleiben ihrer Tochter gar nicht genug wundern. Carlo Heimberg hatte sich längst in das Gästezimmer zurückgezogen, das ihm immer offenstand, wenn seine Anwesenheit in Erlenried erforderlich war. Ein sonderlich guter Gesellschafter war er nicht, wie sie hatte feststellen müssen. So energisch er in seinem Beruf war, so scheu war er als Mensch, und über sich sprach er gar nicht.
Ob er insgeheim in Sandra verliebt war?, hatte sie überlegt. Die Männer um fünfzig entdeckten manchmal ihr Herz um so stürmischer. Doch wenn es so war, wusste er sich gut zu beherrschen.
Sie wollte eben das Fenster schließen, als sie Schritte auf dem frisch aufgeschütteten Kies knirschen hörte. Gedämpfte Stimmen drangen an ihr Ohr, und dann vernahm sie, wie der Motor von Felix Münsters Wagen leise ansprang.
Ganz sacht schob sie den Vorhang etwas zur Seite, um sich gleich dieser neugierigen Regung zu schämen.
Felix Münster war noch einmal ausgestiegen, und Marianne sah, wie zwei Schatten in inniger Umarmung ineinanderflossen. Ihr Herz pochte bis zum Halse. Sie war keines klaren Gedankens mehr fähig. Rasch wich sie ins Zimmer zurück und stand wie versteinert.
Sandra und Felix Münster! Mein Gott, dachte sie, was soll daraus werden? Sie kannte Sandra zu gut, ein flüchtiges Abenteuer kam für sie nicht infrage. Leise ging sie in ihr Schlafzimmer, gerade noch rechtzeitig, denn schon ging Sandra durch die Halle. Ihre Schritte, kaum vernehmbar, verharrten einen Augenblick vor ihrer Tür. »Mutti?«, tönte ihre Stimme wie ein Hauch an Mariannes Ohr, und als sie keine Antwort gab, verschwand Sandra in ihrem Zimmer.
Sie darf nicht unglücklich werden, dachte Marianne von Rieding. Wären wir doch nur nicht hierhergekommen. Wären wir Felix Münster doch nie begegnet!
*
Über Felix Münster sprach Sandra nicht. »Es ist gestern spät geworden«, erwähnte sie beiläufig. »Es war ein sehr netter Abend. Die Auerbachs waren auch da, und wir haben völlig die Zeit vergessen.«
Zeit und Raum und alle Vorsätze, dachte Marianne von Rieding deprimiert, und morgen würden Ellen Düren und Manuel kommen.
»Schade, dass ihr nicht dabei wart«, fuhr Sandra fort. »Es war wirklich sehr vergnügt.« Mehr aber sagte sie nicht, und schmerzhaft wurde es Marianne bewusst, dass es zum ersten Mal Heimlichkeiten zwischen ihr und ihrer Tochter gab.
Auch im Hause Auerbach wurde von dem netten Abend gesprochen. Hannes und Bambi hatten fest geschlafen, als sie heimkamen, und wussten gar nicht, wie spät es geworden war.
Bambis ganzes Interesse gehörte Jonny, der sich nicht von ihrer Seite fortlocken ließ.
»Sollte er nicht eigentlich dir gehören?«, fragte Jörg seine Schwester in anzüglichem Ton.
»Er gehört Bambi«, erwiderte sie trotzig, denn sie hatte wohl bemerkt, dass Jörg sie unausgesetzt forschend betrachtete.
»Mir brauchst du nichts vorzumachen«, brummte er.
»Mische ich mich in deine Privatangelegenheiten?«, fragte sie aggressiv.
»Dann wird es wohl nichts mit der Lady Merriman«, spottete er. »Und dabei war Percy doch noch vor ein paar Wochen alleiniger Favorit.«
»Du kannst dir deine Anzüglichkeiten sparen. Es war nie mehr als Freundschaft.«
»Ich meine es doch nur gut, Ricky«, lenkte er ein. »Ich habe dir ja immer gesagt, dass dir noch mehr Männer über den Weg laufen. Das wird auch in Zukunft so sein. Mit achtzehn fängt es doch erst richtig an.«
»Heb deine Weisheiten für dich selbst auf«, brauste sie auf. »Und was ich dir noch sagen wollte, Stella ist zu schade für einen Wochenendflirt.«
»Zum Donnerwetter, willst du mich auch gleich festnageln, damit alles schön in der Familie bleibt? Mit mir nicht. Ich will mein Leben noch genießen.«
»Dann lass die Finger von ihr, verstanden?«
»Ich habe sie noch nicht angerührt«, spottete er. »Ich werde mich hüten. So ein grünes Küken. Sie ist überhaupt nicht mein Typ, wenn du es genau wissen willst.«
Hannes zupfte Bambi am Ärmel. »Ricky und Jörg streiten –«, meinte er tiefsinnig. »Das kenne ich gar nicht.«
»Ach wo, bei uns streitet niemand«, widersprach Bambi.
»Aber sie reden ganz zornig miteinander. Ich möchte zu gern wissen, warum.«
»Man darf nicht lauschen«, stellte Bambi fest. »Guck doch mal, wie niedlich Jonny spielt.«
»Du und dein Jonny, jetzt brauchst du mich auch nicht mehr.«
»Und wenn die Zwillinge da sind, brauchst du mich auch nicht. Da bin ich froh, wenn ich Jonny habe.«
»Nun fangen wir auch noch an zu streiten«, murrte er.
»Ich nicht. Du bist mein Bruder und ein Mensch. Den hat man ganz anders lieb als einen Hund.«
Gegen diese Logik wusste Hannes nichts zu sagen, und außerdem konnte man mit Bambi wirklich nicht streiten.
Weder Stella noch Fabian ließen sich an diesem Tag blicken. Es herrschte eine recht müde Sonntagnachmittagsstimmung, was Inge dadurch erklärte, dass sie das lange Aufbleiben eben nicht mehr gewohnt seien.
»Dieser Felix Münster kann eigentlich sehr nett sein«, stellte sie beiläufig fest.
»Das ist auch so’n Typ, dem alle Frauen nachrennen«, erklärte Jörg missmutig.
»Wer ist noch so’n Typ?«, fragte Hannes.
»Euer Lehrer zum Beispiel«, bekam er zur Antwort.
Hannes riss die Augen auf. »Der mag aber so was bestimmt nicht«, ereiferte er sich.
»Ob er es nun mag oder nicht – ausbleiben wird es nicht, und er wird immer und jedes Jahr neue hübsche Schülerinnen haben, die ihm schöne Augen machen.«
Henrike sprang auf. Krachend flog die Tür hinter ihr ins Schloss. Werner Auerbach schrak aus seinen Gedanken empor. Schläfrig blickte er in die Runde.
»Was ist denn los?«, fragte er verwundert.
»Und wenn die Welt zusammenstürzt, Paps wird der Letzte sein, der es bemerkt«, knurrte Jörg.
»Einer muss ja der Letzte sein«, erwiderte sein Vater gemütlich, »und wenn die Welt zusammenstürzen sollte, möchte ich es am liebsten verschlafen.«
»Was dir in deiner heutigen Verfassung nicht schwerfallen würde«, stellte Inge lächelnd fest.
Bambi warf Hannes einen schrägen Blick zu. »Manchmal verstehe ich nicht, was die Großen meinen«, flüsterte sie.
»Ist auch besser«, bemerkte er tiefsinnig.
*
Sandra war schon früh am Morgen in die Stadt gefahren, um sich den Einzug von Ellen Düren zu ersparen. Vor ihr war Henrikes Wagen, und kurz vor der Ortseinfahrt überholte sie ihn und winkte dem Mädchen zu, um dann zu halten. Auch Ricky bremste.
»Morgen,