vertragen. Ich weiß nun, woran ich bin, und werde fortan wieder bei mir wohnen. Ich habe dort ja immer noch ein Zimmer und werde mich mit meiner Untermieterin schon einigen.«
»Um Gottes willen, mach doch so etwas nicht! Das will ich nicht! Bleib doch hier! Es ist nicht so, wie du glaubst.«
»Für die Kleine werde ich natürlich auch weiterhin ihre Freundin sein«, sprach sie weiter, ohne auf seine bittenden Worte einzugehen. »Sie kann ja nichts dafür, dass du mich – betrogen – hast. Oder etwa nicht?«
»Doch, aber wir haben uns nicht versöhnt.«
»Aha«, erwiderte sie mit beißendem Spott. »Und weil ihr nach wie vor verkracht seid, habt ihr miteinander geschlafen. Für wie dumm hältst du mich eigentlich?«
»Ich kann dir alles erklären. Komm, wir setzen uns jetzt irgendwohin und reden über alles in Ruhe.«
»Es ist alles gesagt, oder fast alles. Wir werden natürlich nicht mehr heiraten.« Sie zog den Ring, den er ihr geschenkt hatte, vom Finger, legte ihn auf den Küchentisch und wandte sich anschließend zur Tür.
»Es tut mir so leid, dass ich mich nicht beherrschen konnte.« Er war mit wenigen Schritten bei ihr, hielt sie eisern fest. »Bitte verzeih mir.«
»Ich bin dir nicht böse und verzeihe dir. Du hast eine Entscheidung getroffen, die ich akzeptiere. Nun akzeptiere du aber auch die meine.«
»Bitte, Gitta, denk doch an die schönen Jahre und an Reni.«
»Ich denke an sie, aber sie ist nicht meine Tochter. Sie hat eine Mutter, und die ist die Frau, die du immer noch liebst.«
»Ich weiß nicht, ob ich sie noch liebe.« Henrik sah sie bittend an, räusperte sich und gestand ihr dann: »Sie gefällt mir aber noch. Und als wir uns nach so langer Zeit wieder gesehen haben, hat mein Verstand wohl ausgesetzt. Das soll jetzt keine Entschuldigung sein. Ich weiß, dass es nicht hätte passieren dürfen.«
»Es ist aber passiert. Und nun lass mich gehen. Es ist am besten so.«
Er gab es auf, sie zurückhalten zu wollen, und fragte nur mit gepresster Stimme: »Was soll ich Reni sagen?«
»Dass ich krank bin und sie nicht anstecken will. Nach ein paar Tagen werden wir beide ruhiger sein und mit dem Kind reden. Dann hole ich meine Sachen und ziehe endgültig aus.«
Als sie merkte, dass sie die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, rannte sie zum Flur, riss Jacke, Tasche und Handtasche an sich und verließ fluchtartig die Wohnung, in der sie ein paar Jahre glücklich gewesen war.
Henrik sah ihr verzweifelt nach. Und er begriff, dass er in den vergangenen Tagen alles getan hatte, um seinem Kind die mütterliche Freundin zu nehmen.
Am anderen Abend rief Evelin an und erzählte ihm, dass sie gut daheim angekommen wäre. Als sie sich jedoch für die schöne Zeit bedankte, legte er einfach auf und war auch in den nächsten Tagen nicht zu sprechen.
Aber schließlich und endlich sagte er ihr doch die Wahrheit und bat sie, ihn und das Kind in Zukunft in Ruhe zu lassen. Sie hätte schon genug Unheil angerichtet.
*
Ich halte es nicht mehr aus, ich halte es einfach nicht mehr aus! Henrik hatte eine schlimme Woche hinter sich. Schon wieder hatte ihn eine Frau verlassen, ihn und das Kind.
Und dieses Kind fragte und fragte nach der Tante Gitta, jammerte und jammerte und weinte und weinte. Dieser Zustand war kaum noch zu ertragen. Die Erzieherinnen in der Kindertagesstätte wollten inzwischen schon wissen, welche Probleme sein Kind hatte, die Nachbarn gingen ihm aus dem Weg, und seine Großmutter, der er sein Herz ausgeschüttet hatte, hatte vorwurfsvoll gefragt: »Junge, wie konntest du nur?«
Mehr sagte sie nicht, aber das reichte ihm auch schon.
Insgeheim hatte er gehofft, Gitta würde von allein wiederkommen, würde einsehen, dass sie ihn und Reni nicht alleinlassen durfte, auch wenn die Schuld allein bei ihm lag. Sie hatte jedoch nur ihre Sachen geholt und war trotz mehrfacher Bitten zu keinem Gespräch bereit gewesen.
Er war also wieder allein. Und erst jetzt fiel ihm auf, wie sehr sie schon zu seinem Leben gehörte, wie sehr er sie brauchte.
Um endlich sein Lebensschiff wieder auf einen sicheren Kurs zu bringen, verfrachtete er Reni an diesem Samstagnachmittag zu seiner Großmutter, kaufte anschließend einen Strauß Rosen und ging damit zu Gitta.
»Du kannst mir die Blumen jetzt vor die Füße werfen oder um die Ohren hauen«, sagte er leise, nachdem sie ihm die Tür geöffnet hatte. Er hielt ihr den Strauß hin, und als sie den nicht annehmen wollte, stieß er mit zitternder Stimme hervor: »Ich weiß, dass ich einen großen Fehler gemacht habe, aber du könntest mir wenigstens eine Chance geben, alles wiedergutzumachen. Lass uns miteinander reden.«
Sie schaute in sein verhärmtes Gesicht, bemerkte die Sorgenfalten und wusste, dass es ihm leidtat, sie betrogen zu haben. Doch für wie lange?
War er vielleicht genauso wie Reinhard Wagner, für den sie nur von Bedeutung war, wenn er Hilfe brauchte? Aber hier ging es ja nicht nur um Henrik, sondern vor allem um sein Kind. Daher trat sie schweigend zur Seite, damit er ihr in die Wohnung folgen konnte.
»Bist du allein?«, erkundigte er sich, während er die Rosen auf eine kleine Kommode legte.
»Ja, Dana ist mit Freunden unterwegs. Und wo ist Reni?«
»Bei Oma, sie wollen zum Zoo.«
Sie nickte nur, nahm dann den Strauß und stellte ihn in eine Vase mit Wasser, was ihn heimlich aufatmen ließ. Sie bot ihm auch Platz an und setzte sich zu ihm. Ihre Worte waren jedoch wie eine eiskalte Dusche, sie machten ihm wenig Hoffnung, dass bald wieder Frieden zwischen ihnen herrschen würde. Sie sagte nämlich: »Es gibt Sachen, die kann man nicht mehr gutmachen. Und für mich ist dein Verhalten der Beweis, dass ich immer nur dein Hausmütterchen war, das du nach Herzenslust betrügen kannst. Aber ich bin nicht so einfältig, wie du glaubst. Ich bleibe lieber allein, als mir so etwas bieten zu lassen.«
»Ich werde dich nicht mehr betrügen.«
»Du wirst deine Ehemalige also nie mehr wiedersehen.«
»Das kann und will ich dir nicht versprechen. Sie ist nun einmal Renis Mutter …«
»… und wenn du mit ihr zusammen bist, dann geht dir dein Verstand wieder flöten«, ergänzte sie höhnisch.
»Nein, Gitta, bestimmt nicht. In Zukunft könntest du dabei sein, wenn wir uns treffen.«
»Als Aufpasser, nicht wahr? Damit du ja nicht in Versuchung kommst. Du bist ein guter Vater, aber auf einen treulosen Freund oder gar Ehemann verzichte ich gern.«
»Ich weiß nicht, was nun werden soll«, würgte er hervor und wischte sich über die Augen.
»Na, was schon?«, gab sie herb zurück. »Ich werde von hier wegziehen, habe mit Elsies Hilfe schon eine Wohnung in Aussicht. Du kannst mir Reni natürlich immer bringen, wenn du wirklich niemanden für sie hast, und auch sonst mal ab und zu. Mehr geht nicht, mach das deinem Kind klar.«
»Ja, ich werde ihr sagen, dass ihr Vater das größte Rindvieh des Jahrhunderts ist. Ob sie das aber schon begreifen kann, glaube ich nicht. Sie wird nicht verstehen, dass du uns nicht mehr haben willst.«
»Nein, so richtig wohl noch nicht. Aber sie ist noch relativ klein, sie wird mich irgendwann vergessen.«
»Sie wird dich nicht vergessen, genauso wenig wie ich, aber ich sehe ein, dass du noch viel Abstand brauchst. Darf ich dir dennoch Reni einmal in der Woche bringen?«
»Ja, das habe ich dir doch versprochen.«
»Gut, dann machen wir es so.« Er stand auf und hielt ihr die Hand hin, die sie nach kurzem Zögern nahm. Und er dachte, dass ihre gemeinsame Sorge um Reni vielleicht die Brücke sein könnte, auf der sie wieder zueinander finden konnten.
*
»Sie sehen müde und krank aus, Frau Hollstein.« Hartmuth