Wilhelm Raabe

Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe


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Signora, als ich Euch am Stuhle jenes blonden Kindes lehnend fand.«

      »Aber Ihr verbarget Euere Überraschung meisterhaft.«

      »Ach, man wird älter, Schönste – freilich, das ist nicht für dich gesagt, meine schöne Zauberin, der deutsche Knabe, unser Wirt, sandte Blicke nach dir aus, welche … ohime, Fausta, nicht wahr, wir spielen noch immer das alte Spiel mit Gold, Herzen und Schwerterklingen? Fausta, auch du mußt einmal eine tüchtige Rechnung den olympischen Göttern abzulegen haben.«

      »Ja!« sagte Fausta La Tedesca, setzte aber grimmig hinzu: »Aber wer ist schuld daran? In wessen Macht lag es allein, mich zu retten?«

      »Verzeihung, Fausta! Wahrlich, ich war’s nicht, welcher die Hülle, die über dem Vergangenen liegt, aufritzt! Die Nacht war’s – wahrlich, es ist eine Nacht, um Gespenster aus dem Boden heraufzubeschwören.«

      »Ihr habt recht, Cesare, wecken wir die Gespenster nicht – wenigstens nicht in dieser Nacht, und –«

      »Frische! Hoffnung! Zukunft!« fiel ihr der Ritter ins Wort. »Es ist nicht Zufall, daß wir uns hier in diesem verschneiten Erdwinkel wiedertreffen müssen. Du gehörst noch immer mir, Fausta La Tedesca, und ich halte mich an das Wort Messires Clement Marots:

      Rien n’a acquis des valeurs de ce monde

       Qu’une maistresse, en qui gist et abonde

       Plus de sçavoir parlant et escrivant

       Qu’en autre femme en ce monde vivant.

      Wenn du willst, Fausta La Tedesca, so werde ich dich befreien aus dieser kalten Hölle, welche Dante zum Vorbild gedient haben könnte. Gehörst du hieher, Fausta La Tedesca? Nein, nein, nein! Wohl mögen deine Flügel müde geworden sein für einen Augenblick, und dann bist du niedergesunken zur Erde, neue Kräfte zu sammeln. Du sollst dich wieder erheben, du mußt es; ein ungeheures Mitleid drückt mir fast das Herz ab, wie ich dich ansehe, Fausta La Tedesca!«

      »Cesare?!«

      »Blicke mich nicht so an, Weib! Bei allen Göttern, es ist so! Ich will dir sagen, was ich fühlte, ehe du eingetreten warst: ich fürchtete mich vor dir, ich wollte dich von mir stoßen durch Kälte, Spott und Hohn – Fausta La Maga, ich vermag es nicht – ich sage dir, daß ich schwach wie ein Kind bin, seit du in dieses Zimmer eingetreten bist!«

      Die Geisteskraft, welche zu allen Zeiten aus allen Gesichtszügen Faustas vorleuchtete, verlieh in diesem Augenblick ihr einen unendlichen Reiz. Jetzt – in dieser Minute war sie den Erwählten von Tausenden, den Auserkorenen, welche nicht gleiche Rechnung von ihrem Tun und Lassen abzulegen haben wie die gewöhnlichen Sterblichen – beizuzählen!

      Sie war unsäglich schön.

      »O schöner Nachtstern, sprich! Erzähle, wie du hieher kommst!« rief Cesare Campolani. »Setze dich dort in den Sessel; ich will das Feuer schüren – man hat es nötig in diesem Hyperboräerlande!«

      Eine fieberhafte Aufregung hatte sich des Ritters bemächtigt, und er suchte sich durch körperliche Bewegung Luft zu machen. Er schritt hin und her, er warf mehr Holz in den Kamin, er wühlte in den Flammen, daß sie höher aufloderten; er schob der Tedesca den Sessel hin. Der Zauber, welcher jeden, der in die Nähe Faustas kam, ergriff, faßte auch den Ritter wieder; atemlos horchte er den Worten der Magierin, die ihm erzählte von Benedikt Meyenberger und dem Arzt Simone Spada, von der Meerfahrt, von dem Klosterkerker, von ihrer Flucht!

      Mehr als einmal schüttelte Cesare Campolani sich, als ob ihm fröstele; aber nicht der deutsche Winter war schuld daran.

      »Und nun, Cesare«, sprach Fausta nach einer Pause, »nun liegt mein Leben offen vor dir seit der Stunde, in welcher wir uns trennten; nichts habe ich dir verborgen; nun sprich auch du, Cesare, was willst du auf diesem Schlosse? Es ist nicht der Zufall, der dich hertreibt; denn ich weiß, wie wenig Raum du dem Zufall in deinem Leben gönnst. Was willst du auf dem Schloß Pyrmont, Cesare Campolani?«

      Noch einmal versuchte der Ritter den magischen Bann von sich abzuschütteln. Lachend erhob er sich und sagte:

      »Ach, wenn Ihr wüßtet, schönste Freundin, was ich heute erduldet habe vom Wetter und dem deutschen Tolpatsch, meinem Begleiter, Ihr hättet ein wenig Mitleid mit mir und erließet mir solchen Bericht bis morgen. Schon hab ich Euch gesagt, ma mie, daß auch ich es nicht für einen Zufall, sondern für eine Fügung halte, Euch hier gefunden zu haben! … Bei der Venus, gewiß bin ich nicht umsonst auf diesem verwünschten Schlosse. Aber, Signora, so schön Ihr seid, ich erblicke Euch doch nur durch einen Nebel von Schlaftrunkenheit.«

      »Ist das Eure Offenheit, Cesare?«

      »Nein, nein – nicht diese Augen, Fausta! Ich verspreche dir, du sollst in meiner Seele lesen wie in einem offenen Buch.«

      »So sprecht, sprecht!«

      »Nicht in dieser Nacht. Wie Messire Clement Marot könnte ich Euch nur erzählen:

      – de courses et chevaux,

       De sang, de feu, de guerre et de travaux!

      Hört nur den Sturm da draußen! Bei allen Mächten, das ist keine Nacht, um von einem Leben, wie das meinige, zu erzählen.«

      »Und ich, ein Weib, habe dir doch von dem meinigen erzählt!« sagte Fausta La Tedesca dumpf.

      »Darum beuge ich mich dir auch, darum vermag ich es nicht, dich von mir zu treiben, deshalb mußte – einst – ich es auch sein, ich, Cesare Campolani, welcher die Flucht vor dir ergriff. Fausta, Fausta, du hast wieder gesiegt, wir werden wieder zusammen gehen! Nach Paris sollst du mit mir zur Katharina. Es gibt nur noch ein Weib auf dieser Erde, welches dir gleichen wird in künftigen Tagen, Fausta La Tedesca – die Medicäerin ist’s, die Frau Heinrichs von Frankreich, welche jetzt noch von niemand gekannt ist, die aber einst gleich einem blutigen Stern über der Welt aufgehen wird.«

      Die Augen Faustas leuchteten.

      »So führe mich, Cesare Campolani«, sagte sie. »Noch einmal will ich dir dienen, wie ich dir schon diente. Gebiete, ich werde dir folgen auf deinem Pfade als deine Sklavin, aber – bedenke es wohl – zugleich als deine Richterin.«

      Fausta La Tedesca legte die kleine Hand in die dargebotene Rechte Don Cesares. – Est politia inter daemones, sagt Martin Luther!

      »Und nun noch ein Wort«, sprach der Ritter nach einer Pause. »Bist du dieses Grafen von Pyrmont sicher?«

      Fausta lächelte.

      »Gut! Das ist mir sehr wichtig und wird unsere Pläne vortrefflich fördern. Träume von Gold, Sonne und Krieg, Fausta La Tedesca – heute über ein Jahr wollen wir im königlichen Louvre zu Paris von diesem Wiederfinden sprechen! Gute Nacht, mein prächtiger Nachtstern!«

      Fausta La Tedesca neigte das Haupt:

      »Gute Nacht, Don Cesare!«

      Noch einmal schaute sie von der Tür aus nach dem Ritter zurück, dann verschwand sie lautlos, wie sie gekommen war. und Cesare Campolani fand sich allein, fast mit noch weniger Neigung zum Schlaf als vorher.

      »Diavolessa!« murmelte er, während er den Türriegel vorschob.

      Noch einige Male schritt er im Gemache auf und ab.

      »Ah bah«, rief er endlich, »genug der Sorgen für einen Tag – erwarten wir, wie die Sachen im Licht sich gestalten werden – o Fausta – Fausta auf diesem Schloß Pyrmont!«

      Er gürtete sein Schwert los, kleidete sich aus und warf sich auf das Lager. Wider Erwarten und Hoffen überkam ihn der Schlaf doch; aber unruhig war er und voll wilder Träume. Mehr als einmal rief Cesare auffahrend den Namen Faustas der Magierin.

      Ununterbrochen lärmte bis zum ersten Morgengrauen der Sturm fort, ununterbrochen wirbelte der Schnee und verschüttete immer mehr alle Wege, die zum Schloß führten!

      Dreizehntes Kapitel