Wilhelm Raabe

Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe


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ganze Nacht und die halbe Ewigkeit durch!« rief Klaus, welcher eigentlich schon genug getrunken hatte. Der Ritter Campolani ließ ihm einige Geldstücke in die Hand gleiten – nouveaulx Henricus, geprägt in dem Jahre, in welchem der Verfasser des Gargantua und Pantagruel das Zeitliche gesegnete und das »große Vielleicht« zu suchen ging.

      »Herr, Herr, das ganze Schloß Pyrmont wird Euch auf den Händen tragen, wenn Ihr es möglich macht, daß unser Graf aufsatteln läßt.«

      »Gut – ich glaube es – bringt Euern Kriegsgesellen meinen Gruß und schlafet wohl!«

      »Diese Nacht nicht, Herr Ritter – Krieg! Krieg! O Monika Fichtner! Krieg! Krieg!«

      Fort stürzte Klaus Eckenbrecher, in der Wachtstube das Lob des Herrn Camplan zu singen.

      Auf dem Gange beschaute er denn auch die empfangenen Geldstücke.

      »Schau, schau, Franzosen! Was für Geld aus aller Herrn Ländern man zu sehen bekommt im Reiterdienst! He – e – n – ri – cus – se – cun – dus – bon musjeh – vivat der Krieg! Vivat der Herr von Camplan! O Monika, jetzt mag unser Weizen zu blühen anfangen!«

      Plötzlich hielt er aber in seinem Jubel und Lauf ein; schwer fiel ihm ein Bedenken auf die Seele.

      »O Donner, ich hätt’ ihn doch fragen sollen, gegen wen es eigentlich gehen soll. Da könnte mir der Teufel den Schwanz wieder einmal auf die Geschichte legen! … Gegen uns gehe ich nicht mit, und wenn ich mir die heilige römische Kaiserkrone dadurch erreiten könnte.«

      »Wir« das waren für Klaus Eckenbrecher die Protestanten, wie » Wir« für Christof von Wrisberg der Geldsack und die Beute, wie »Wir« für den Ritter von Campolani für jetzt das Haus Valois war.

      Kurz faßte sich der Reiter und klopfte leise noch einmal an die Tür des Fremden. Dieser öffnete und fragte:

      »Ihr noch? Was gibt’s denn noch, mein Bursch?«

      »Verzeihung, Herr Ritter; ‘s ist mir eine Frage auf das Herz gefallen: gegen wen wollt Ihr das Haus Pyrmont aufbieten?«

      Der Italiener hatte bereits eine ärgerliche Antwort auf den Lippen, aber er faßte sich noch zur rechten Zeit, schluckte sie hinunter und sagte sanft lächelnd:

      »Gern will ich Euch diese Frage beantworten: gegen die Spanier möchte ich Euern Grafen und Euch mit mir führen.«

      Dieses Mal tat Eckenbrecher vor Freuden einen Satz fast bis unter die Decke. »Juchhe!« schrie er, ohne weiteren Gruß forteilend, »Juchhe, das laß ich mir gefallen! Vivat die Monika Fichtner! Da müßte doch mein junger Herr nicht bei Trost sein, wenn er gegen die Spanier nicht mit auszöge. Gegen die Hispanier! gegen die Hispanier!«

      Gegen die Spanier! Welches lutherische Herz schlug seit dem Schmalkaldischen Kriege nicht noch einmal so schnell bei solchem Kriegsgeschrei?

      Atemlos, fast erstickend an der freudigen Nachricht stürzte der Klaus in die Wachtstube, wo die Knechte des Grafen, die Reisigen des Wrisbergers und die Diener Campolanis durcheinandersaßen und große Worte feil hatten. Die Diener des Italieners mußten sich freilich dabei auf Pantomimen beschränken, da sie kein Wort Deutsch verstanden.

      Jubelnd trompetete Klaus Eckenbrecher seine Nachricht aus, und ein gewaltiges Hallo war die Folge davon.

      »Gegen die Spanier! Gegen die Spanier!«

      An Kaspar Wicht den Fiedelmann, welcher gekommen war, die Mannen von Pyrmont durch sein Geigenspiel zu erfreuen, verlor im Würfelspiel, in derselben Nacht noch, Klaus Eckenbrecher seine welschen Henricus-Stücke.

      Unterdessen zog der Gesandte des französischen Königs in seinem Gemache allerlei Papiere aus einer Tasche, die er sorgsam verwahrt in seinem Wams auf der Brust trug. Sie waren bedeckt mit langen Reihen von Namen und Zahlen, und Cesare breitete sie auf dem Tische aus und brütete darüber und zählte zusammen alle die Reiter und Rosse, Fußgänger, Wagen, Kartaunen, Serpentinen, Falkonetlein, welche er in Deutschland geworben und aufgebracht hatte oder noch werben und aufbringen wollte.

      Auch in dieser Nacht trat Fausta bei ihm ein, »Siehe da, mein Nachtstern!« sagte Don Cesare. »Ich habe dich erwartet; aber – was ist dir, Fausta? Bist du krank?«

      »Ja krank, sehr krank.«

      Der Ritter war im nächsten Augenblick dicht neben ihr.

      »Was ist das, Fausta? Was bedeutet das?«

      »Das bedeutet, daß du mich gestört hast in den Bahnen, welche ich mir für mein künftiges Leben gezogen hatte. Das bedeutet, daß ich wieder ein Recht auf dich habe, Cesare Campolani –«

      »Ich kann nur wiederholen, was ich in der vergangenen Nacht gesprochen habe, Fausta.«

      »Das bedeutet, daß ich noch die Fausta bin, die ich einst war – die Fausta, welcher du einst angehörtest.«

      »Einst!« sagte der Ritter, die Hand an die Stirn legend. »Ach, Fausta La Tedesca, wieviel blutige Schlachtfelder, wieviel Arbeit im Ratssaal und auf der Walstatt liegen zwischen jenem ›Einst‹ und dem jetzigen Augenblick, Fausta, Fausta, ich bin alt, sehr alt geworden!«

      »Aber ich bin jung geblieben! Schau mich an, Cesare, ich bin jung geblieben, und was ist alle Wildheit deines Lebens gegen die des meinigen?«

      »Weib«, murmelte der Soldat und Diplomat, »Weib, du hast recht – schön bist du noch wie damals, wo du den alten Meister Tizian entzücktest. Fausta, Fausta, soll der alte Bann wieder über mich kommen? Bei allen Göttern, ich will nicht, ich will nicht, ich will dich nicht mehr lieben!«

      Er faßte ihre beiden Hände:

      »Höre, höre, Fausta la Maga – was ich in der verflossenen

      Nacht gesagt habe, das wiederhole ich jetzt; aber – täusche dich nicht, ich liebe dich nicht mehr, ich will dich nicht mehr lieben, und auch du liebst mich nicht mehr. Aber unsere Wege sollen wieder zusammen gehen – hoch in die Höhe! Wild und unbändig klopfen uns beiden die Herzen, und dunkelste Nacht ist in uns. Was ist uns noch die Liebe? Ein Spiel der Kinder! … Andere Triumphe auf anderen Bahnen wollen wir erringen. Willst du wieder mein sein mit Leib und Seele, Fausta, so sprich es noch einmal aus, so lege noch einmal deine Hand zum Schwur in die meinige. Keiner von uns ist dann mehr einsam in seinem Streben, und verbunden wollen wir die Würfel auf den Tisch des Schicksals schleudern. Du weißt, wir haben Glück und mögen noch einmal den Venuswurf werfen.«

      »Wenn ich dich sehe, glaube ich dir, Cesare! Schließt sich die Tür hinter dir, so verzehre ich mich in qualvollster Unruhe, in Ungewißheit – Zorn – – in Haß. jetzt blicke ich dir ins Auge: was soll ich jetzt tun, als meine Hand dir reichen und sagen: Leite mich, ich folge!«

      »Vertraue mir, vertraue mir, Fausta! Nichts anderes kann ich sagen als: vertraue mir. Welche Bürgschaft sollte ich dir geben? Welches Pfand sollte ich in deine Hände legen?«

      »Du hast recht, es ist dir nichts geblieben!« sagte Fausta tonlos. »Wir sind schrecklich elend!«

      »Deshalb, deshalb laß uns das Bündnis, welches ich dir gestern vorschlug, welches ich dir in diesem Augenblicke wieder vorschlage, schließen. Töricht haben wir uns einst getrennt – laß uns auf andere Weise die zerbrochene Kette anknüpfen! Gedenke nicht mehr des Unwiederbringlichen; denke an das, was noch sein und geschehen mag!«

      »Ich bin doch nur ein armes, schwaches Weib, und ich vermeinte so stark zu sein!«

      »Und du bist auch stark, Fausta! Wärest du ein gewöhnliches Weib, so würde ich dir Lügen sagen und über dich lächeln, sobald du den Rücken gewandt hättest. Aber das kann ich nicht – ich sage dir, als Gleichberechtigte will ich dich halten auf meinem künftigen Lebenswege. Komm, komm mit mir; ich halte, was ich versprach, nach Paris führe ich dich zur Katharina – du sollst die Stelle haben, welche der Fausta La Tedesca gehört.«

      Mit ehrfurchtsvoller Höflichkeit führte der Ritter die schöne Vagabondin zu einem Sessel und nahm neben ihr Platz.

      In