Джек Лондон

Gesammelte Werke


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Ge­mein­we­sen hät­te der Dorf­po­li­zist ihre Pa­pie­re sehr ge­nau an­ge­schaut, denn er hät­te sie für Va­ga­bun­den ge­hal­ten.

      »Der Fran­zo­sen-Louis!« flüs­ter­te ein Chechaquo sei­nem Kum­pan zu. »Be­sitzt drei El­do­ra­do-Claims in ei­nem Block! Sei­ne zehn Mil­lio­nen ist der schwer!«

      Der Fran­zo­sen-Louis hat­te ir­gend­wo un­ter­wegs sei­nen Hut ver­lo­ren und durch ein aus­ge­fran­s­tes sei­de­nes Tuch er­setzt. Trotz sei­nen zehn Mil­lio­nen trug er das Ge­päck selbst auf sei­nem brei­ten Rücken.

      »Der mit dem Bart ist der Strom­schnel­len-Bill, auch ei­ner von den El­do­ra­do-Kö­ni­gen.«

      »Wo­her wis­sen Sie das?« frag­te Fro­na miss­trau­isch.

      »Wo­her ich das weiß? Ich weiß es eben, ver­ste­hen Sie, Fräu­lein! Wenn ei­ner sein Bild alle fünf Mi­nu­ten in sämt­li­chen Zei­tun­gen hat, dann weiß man eben, wie er aus­sieht.«

      »Wer ist der Drit­te?« frag­te sie. Ihr Be­richt­er­stat­ter stell­te sich auf die Ze­hen­spit­zen.

      »Den kenn’ ich nicht«, ge­stand er be­trübt. Dann frag­te er sei­nen Ne­ben­mann.

      »Du, der Ma­ge­re, mit dem aus­ra­sier­ten Voll­bart, der mit dem Lap­pen ums Knie, wer ist das?«

      In die­sem Au­gen­blick aber stieß Fro­na einen Freu­den­schrei aus und stürz­te auf den Mann mit dem Voll­bart zu.

      »Matt! Mein lie­ber, al­ter Matt!«

      Der Mann schüt­tel­te ihr die Hand, aber sein Ge­sicht schi­en miss­trau­isch. Er hat­te kei­ne Ah­nung, mit wem er sprach.

      »Du kennst mich nicht mehr, Matt? Un­ter­steh dich, mir zu sa­gen, dass du mich nicht mehr kennst! Wenn nicht so viel frem­de Leu­te hier wä­ren, be­kämst du jetzt auf der Stel­le einen Kuss, dass du’s nur weißt, al­ter Bär!«

      »Na­tür­lich, ich ken­ne Sie na­tür­lich … aber wenn Sie mich tot­schla­gen, im Au­gen­blick kom­me ich nicht dar­auf …«

      Sie zeig­te auf das Haus, in dem sie ge­bo­ren war.

      »Jetzt hab’ ich’s!« rief er. Als er sie dann aber von oben bis un­ten ge­mus­tert hat­te, war er wie­der ent­täuscht. »Kann nicht sein. Muss mich ir­ren. In dem Stall da ha­ben Sie nie ge­wohnt.«

      Fro­na nick­te hef­tig mit dem Kopf.

      »Dann bist du’s also doch? Die klei­ne, blon­de Hexe, im­mer bar­fuß und mit blo­ßen Bei­nen? Die ich im­mer hab’ käm­men müs­sen?«

      »Ja, ja!«

      »Der klei­ne Sa­tan, der mit dem Hun­de­ge­spann durch­ge­brannt ist und mit­ten im Win­ter über den Pass woll­te, weil ihr der alte Matt er­zählt hat­te, dort drü­ben höre die Welt auf?«

      »Matt, lie­ber al­ter Matt! Und weißt du noch, wie ich mit den Mäd­chen aus dem In­dia­ner­la­ger schwim­men ge­gan­gen bin?«

      »Und ich dich gra­de noch an den Wu­scheln ge­kriegt hab’, wie du schon am Er­sau­fen warst!«

      »Und wie du da­bei einen von dei­nen neu­en Gum­mi­schu­hen ver­lo­ren hast?«

      »Na, ob ich das noch weiß! Gra­de erst bei dei­nem Va­ter ge­kauft, da im La­den, für zehn Dol­lar, Gott er­bar­me sich mei­ner.«

      »Und dann bist du fort­ge­zo­gen … über den Pass ins Land hin­ein … und hast nichts mehr von dir hö­ren las­sen. Alle Welt hat ge­glaubt, du wärst tot.«

      »Was du al­les noch weißt! Und warst doch so ein win­zi­ges Frau­en­zim­mer.«

      »Acht Jah­re alt war ich.«

      »Lass mich mal nach­rech­nen, Mä­del. Zwölf Jah­re war ich drin­nen im Land, heut’ zum ers­ten Mal wie­der an der Küs­te. Dann hast du jetzt also dei­ne zwan­zig auf dem Bu­ckel?«

      »Und bin fast eben­so groß wie du, al­ter Matt!«

      »Ein aus­ge­wach­se­nes, großes Mä­del und gar nicht so übel. So’n biss­chen mehr Fleisch könn­test du gern auf den Kno­chen ha­ben.«

      »Mit zwan­zig braucht man kein Fett. Füh­le lie­ber hier!«

      Sie streck­te ihm den ge­beug­ten Arm hin und zeig­te ihre Mus­keln.

      »Don­ner­wet­ter!« Er griff tüch­tig zu. »Als ob du fürs täg­li­che Brot ge­schafft hät­test.«

      »Das nicht, aber Keu­len­schwin­gen, Bo­xen, Fech­ten! Au­ßer­dem Schwim­men, zwan­zig Klimm­zü­ge hin­ter­ein­an­der! Und dann kann ich noch auf den Hän­den lau­fen!«

      »Dann hast du dei­ne Zeit nicht schlecht an­ge­wen­det. Hier ha­ben die­se Kaf­fern er­zählt, du wärst fort­ge­reist, um da drü­ben Bü­cher zu büf­feln.«

      »Das ist heu­te nicht mehr ganz so, Matt. Sie pfrop­fen ei­nem den Kopf nicht mehr so voll, dass die Bei­ne zu dünn wer­den, um ihn zu tra­gen. Aber du, was machst du, Matt? Was hast du in die­sen zwölf Jah­ren al­les ge­trie­ben?«

      »Also schau mich an, Mä­del. Wie ich vor dir ste­he, bin ich Herr Matt­hew McCar­thy, Kö­nig Matt der Ers­te aus der El­do­ra­do-Dy­nas­tie. Mein Be­sitz ist un­be­grenzt, und ich hab’ mehr Gold­staub ge­macht, als ich je ge­träumt hät­te. Jetzt hab’ ich ge­nug, jetzt möcht’ ich wie­der mal einen an­stän­di­gen Whis­ky gra­ben. Ei­nen von der rich­ti­gen Sor­te, ehe ich st­er­be. Dazu fah­re ich rü­ber in die Staa­ten, denn hier her­aus kommt im­mer nur das ge­pansch­te Zeug. Au­ßer­dem will ich mich nach mei­nen Vor­fah­ren um­se­hen. Ich glau­be be­stimmt, dass ich wel­che habe. Wenn du im üb­ri­gen ein paar Pfund Gold­staub nö­tig hast, kannst du’s mir ja sa­gen.«

      »Den hol’ ich mir selbst, wenn ich wel­chen brau­che.«

      Der Ir­län­der Matt bahn­te sich jetzt sei­nen Weg durch die Men­ge der Chechaquos, die ehr­fürch­tig vor ihm zur Sei­te wi­chen, und in sei­nem Fahr­was­ser se­gel­te die leich­te, klei­ne Fro­na. In den Au­gen all die­ser Leu­te wa­ren sie bei­de eine Art Göt­ter des Nor­dens.

      »Der El­do­ra­do-Kö­nig Matt McCar­thy und eine rich­ti­ge Wel­se, wirk­lich und wahr­haf­tig, eine Toch­ter von Ja­cob Wel­se!«

      *

      Sie trat aus dem glit­zern­den Bir­ken­wald her­aus und flog leicht über die be­tau­te Wie­se da­hin, wäh­rend die ers­ten Son­nen­strah­len auf ih­rem flat­tern­den Haar flamm­ten. Die Erde strotz­te von Feuch­tig­keit und quoll un­ter ih­ren Fü­ßen, und die nas­sen Pflan­zen schlu­gen ihr ge­gen die Knie, dass flüs­si­ge Dia­man­ten leuch­tend sprüh­ten. Die Mor­gen­rö­te färb­te ihre Wan­gen und fun­kel­te in ih­ren Au­gen, und sie glüh­te von Ju­gend und Lie­be. Denn da sie kei­ne Mut­ter ge­habt, war sie am Bu­sen der Na­tur auf­ge­wach­sen, und sie lieb­te die al­ten Bäu­me und die Sch­ling­pflan­zen lei­den­schaft­lich. Das un­deut­li­che Ge­mur­mel er­freu­te ihr Ohr, und der feuch­te Bro­dem der Erde stieg ihr süß in die Nase.

      Dort, wo der obe­re Teil der Wie­se in ei­nem dunklen, en­gen Wald­weg ver­schwand, fand sie zwi­schen langs­ten­ge­li­gem Lö­wen­zahn und leuch­ten­den But­ter­blu­men ein Bü­schel Alas­ka-Veil­chen. Sie warf sich der Län­ge nach zu Bo­den, be­grub ihr Ant­litz in der duf­ten­den Küh­le und press­te die pur­pur­ne Pracht an sich. Sie schäm­te sich nicht. Sie war zu den kom­pli­zier­ten Le­bens­be­din­gun­gen der großen Welt, zu ih­rem