Джек Лондон

Gesammelte Werke


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Mut­ter von den al­ten Sach­sen und ih­ren Raub­zü­gen an den Küs­ten Eng­lands er­zählt hat­te. Aus der Kom­mo­de, die die Rei­se über die Prä­rie mit­ge­macht hat­te, nahm sie eine ih­rer teu­ren Re­li­qui­en – ein Poe­sie­al­bum, das ih­rer Mut­ter ge­hört hat­te, und in das vie­le ge­druck­te Ver­se aus der ka­li­for­ni­schen Pio­nier­zeit ein­ge­klebt wa­ren. Es ent­hielt auch ver­schie­de­ne Re­pro­duk­tio­nen von Ge­mäl­den und al­ten Holz­schnit­ten aus Ma­ga­zi­nen, die eine Ge­ne­ra­ti­on oder län­ger zu­rück­la­gen.

      Sa­xon blät­ter­te mit ge­üb­ten Fin­gern dar­in, bis sie das Bild fand, das sie such­te. Zwi­schen stol­zen Fel­sen und un­ter ei­nem grau­en, wol­ki­gen Sturm­him­mel sah man ein Dut­zend Boo­te, lan­ge, schma­le und dunkle Boo­te mit Ste­ven wie ge­wal­ti­ge Vo­gel­schnä­bel, die an ei­nem san­di­gen, schaum­wei­ßen Strand lan­den woll­ten. Die Män­ner in den Boo­ten wa­ren halb­nackt, mus­ku­lös, ab­ge­här­tet und tru­gen Flü­gel­hel­me. Schwer­ter und Spee­re hiel­ten sie in den Hän­den, und sie spran­gen bis zu den Hüf­ten in die Bran­dung und wa­te­ten an Land. Fell­be­klei­de­te Wil­de, die je­doch nicht In­dia­nern gli­chen, hat­ten sich in Scha­ren am Stran­de ver­sam­melt und gin­gen bis zu den Kni­en ins Was­ser, um sie an der Lan­dung zu ver­hin­dern. Die ers­ten Hie­be wa­ren ge­wech­selt, und hie und da sah man schon Tote und Ver­wun­de­te in der Bran­dung. Ein blond­lo­cki­ger Strandräu­ber lag über der Re­ling ei­nes der Boo­te; der Pfeil in sei­ner Brust er­zähl­te, dass er tot war. Aber über ihn hin­weg sprang in das Was­ser, das Schwert in der Hand, ihr Bil­ly. Ein Irr­tum war nicht mög­lich. Die ver­blüf­fen­de Blond­heit, das Ge­sicht, die Au­gen, der Mund, es war Bil­ly. Der Ge­sichts­aus­druck war der Bil­lys an je­nem Fest­ta­ge, als er die drei wil­den Ir­län­der in Schach hielt.

      *

      »Un­ser Vieh war ganz ab­ge­trie­ben«, sag­te Sa­xon, »und der Win­ter war so nah, dass wir nicht den Ver­such wag­ten, durch die große ame­ri­ka­ni­sche Wüs­te zu ge­hen; un­se­re Ka­ra­wa­ne blieb des­halb den Win­ter über in Salt Lake City. Die Mor­mo­nen wa­ren da­mals noch ver­nünf­tig und be­han­del­ten uns gut.«

      »Du re­dest, als wä­rest du selbst mit da­bei ge­we­sen«, mein­te Bert.

      »Mei­ne Mut­ter war mit da­bei«, sag­te Sa­xon stolz. »Sie war da­mals acht Jah­re alt.«

      Sie sa­ßen am Kü­chen­tisch in dem klei­nen Haus in der Pine Street bei ei­nem aus But­ter­brot, Ta­ma­len und Bier be­ste­hen­den kal­ten Lunch. Es war Sonn­tag, so­dass sie alle vier ih­ren frei­en Tag hat­ten, und sie wa­ren früh ge­kom­men, um Fens­ter zu put­zen, Wän­de zu wa­schen, Fuß­bö­den zu scheu­ern, Tep­pi­che und Lin­ole­um zu le­gen, Gar­di­nen auf­zu­hän­gen, den Herd zu mon­tie­ren, Kü­chen­ge­rä­te und Tel­ler zu ord­nen und die Mö­bel auf­zu­stel­len.

      »Er­zähl nur wei­ter, Sa­xon«, bat Mary. »Ich bin ganz ver­ses­sen dar­auf, mehr zu hö­ren. Und Bert, du wirst ge­fäl­ligst still­sit­zen und zu­hö­ren.«

      »Schön. Es war im Win­ter, als Del Han­cock auf­tauch­te. Er war in Ken­tucky ge­bo­ren, leb­te aber seit vie­len Jah­ren im Wes­ten. Sein Weg führ­te ihn durch Salt Lake City – er soll­te ir­gend­wo­hin und ei­ni­ge Rocky-Moun­tain-Fän­ger zu­sam­men­brin­gen, mit de­nen er an ei­nem neu­en Ort, den er kann­te, Bi­ber ja­gen woll­te. Er war ein schö­ner Mann. Er trug lan­ges Haar, wie man es auf Bil­dern sieht, und eine sei­de­ne Schär­pe um den Leib – das hat­te er von den Spa­ni­ern in Ka­li­for­ni­en ge­lernt – so­wie zwei Re­vol­ver im Gür­tel. Er ge­hör­te zu den Män­nern, in die sich alle Frau­en auf den ers­ten Blick ver­lie­ben. Nun, er sah Sa­die, die äl­tes­te Schwes­ter mei­ner Mut­ter, und sie ge­fiel ihm wohl, denn er blieb in Salt Lake City. Er war der Schre­cken der In­dia­ner, und ich er­in­ne­re mich von klein auf, wie Tan­te Vil­la sag­te, dass er die schwär­zes­ten, fun­kelnds­ten Au­gen hat­te, und dass sein Blick an den ei­nes Ad­lers er­in­ner­te. Er fürch­te­te sich vor nichts.

      Sa­die war eine Schön­heit. Sie flir­te­te mit ihm und mach­te ihn ganz ver­rückt. Ei­nes Abends kam er an­ge­rit­ten. ›Sa­die‹, sag­te er, ›wenn du mir nicht ver­sprichst, mich mor­gen zu hei­ra­ten, schie­ße ich mich noch heu­te Abend hier hin­ter der Wa­gen­burg tot.‹ Und er hät­te es auch ge­tan, und Sa­die wuss­te das und sag­te ja. War nicht Schwung in der Lie­be je­ner Tage?«

      »Ach, ich weiß nicht recht«, sag­te Mary ver­ächt­lich. »Eine Wo­che, nach­dem du Bil­ly das ers­te­mal ge­se­hen hast, wart ihr ver­lobt. Sag­te Bil­ly, dass er sich hin­ter der Plät­te­rei er­schie­ßen woll­te, wenn du ihm einen Korb gäbst?«

      »Ich gab ihm kei­ne Ge­le­gen­heit dazu«, ge­stand Sa­xon. »Aber Del Han­cock und Tan­te Sa­die hei­ra­te­ten am sel­ben Tage. Und sie wa­ren sehr glück­lich. Aber dann starb sie. Und vie­le Jah­re spä­ter wur­de er von den In­dia­nern ge­tö­tet. Er war da­mals ein al­ter Mann, aber ich glau­be schon, dass er eine gan­ze An­zahl In­dia­ner tö­te­te, ehe sie ihn ab­ta­ten. Män­ner sei­nes Schla­ges ster­ben im­mer kämp­fend und neh­men die mit, die sie tö­ten. So ging es auch mit Al St­an­ley, den ich kann­te, als ich klein war. Er wur­de am Ti­sche sit­zend von ei­nem Ei­sen­ar­bei­ter in den Rücken ge­schos­sen. Und der Schuss tö­te­te ihn. Er starb im Lau­fe von we­ni­gen Se­kun­den. Aber ehe er starb, zog er noch den Re­vol­ver und schoss drei Ku­geln ab auf den Mann, der ihn tö­te­te.«

      »Ich kann kei­nen Kampf lei­den«, pro­tes­tier­te Mary. »Das macht mich ner­vös – Bert sucht im­mer Kra­keel – es hat kei­nen Sinn.«

      »Ich gebe kei­nen sau­ren He­ring für einen Mann, der nicht den Mut hat, zu kämp­fen«, ant­wor­te­te Sa­xon. »Wir wür­den heu­te nicht hier sit­zen, wenn un­se­re Vä­ter nicht zu kämp­fen ver­stan­den hät­ten.«

      »Du hast ja auch einen Mann be­kom­men, der zu kämp­fen ver­steht«, ver­si­cher­te Bert. »Un­ver­fälscht durch und durch. Bil­ly ist ein Mo­hi­ka­ner, dem die Skal­pe vom Gür­tel her­ab­hän­gen. Und wenn sein Ge­sicht mür­risch wird, ist es rat­sam, sich schleu­nigst zu ver­zie­hen, sonst fällt der Ham­mer – bums!«

      »Eben«,