Джек Лондон

Gesammelte Werke


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Aber so füh­le ich es. Es ist stolz. We­der die Häu­ser noch die Stra­ßen oder sonst et­was von der Stadt ist stolz. Aber dies hier ist es. Ich weiß nicht, warum. Aber es ist so.«

      »Ich glau­be fast, du hast recht«, rief er. »Jetzt, da du es sagst, fällt es mir auf. Dies hier ist we­der Sport noch Streik, we­der Schie­bung noch Lüge. Die Bäu­me hier ste­hen auf­recht, na­tür­lich und red­lich wie jun­ge Ker­le da, die zum ers­ten Mal im Ring sind, ehe sie ler­nen, zu schie­ben und dem Sport­teu­fel und an­derm fau­len Zau­ber zu op­fern. Ja, es ist stolz. Weißt du, Sa­xon, du kannst wirk­lich se­hen.« Er schwieg bei­na­he de­mü­tig, be­trach­te­te sie aber mit ei­nem so zärt­li­chen Blick, dass ein ver­rä­te­risches Zit­tern ih­ren gan­zen Kör­per durch­flog. »Weißt du, ich möch­te, dass du mich ein­mal bo­xen sä­hest. In ei­nem rich­ti­gen Kampf, wo im­mer­zu et­was ge­schä­he. Ich wäre mäch­tig stolz dar­auf, wenn du zu­sä­hest. Ich wür­de ge­win­nen, glau­be ich, wenn du zu­sä­hest und al­les ver­stän­dest. Das soll­te ein Kampf wer­den, glau­be mir. Und merk­wür­dig, ich habe noch nie in mei­nem Le­ben ge­wünscht, dass eine Frau mich kämp­fen se­hen soll­te. Sie schrei­en und krei­schen und ver­ste­hen nichts da­von. Aber du wür­dest es ver­ste­hen. Si­cher, du wür­dest es ver­ste­hen.«

      Als sie kurz dar­auf in die Tal­soh­le ein­bo­gen und durch die Ro­dung fuh­ren, wo die Bau­ern­hö­fe la­gen und das rei­fe Ge­trei­de gol­den im Son­nen­schein stand, wand­te Bil­ly sich wie­der zu Sa­xon.

      »Sag mal, du bist na­tür­lich oft ver­liebt ge­we­sen. Wie ist es da­mit?«

      Sie schüt­tel­te den Kopf.

      »Ich bil­de­te mir nur ein, ver­liebt zu sein, und nicht oft!«

      »Doch, oft!« rief er.

      »Nie im Ernst«, ver­si­cher­te sie, wäh­rend sie sich im stil­len über die Ei­fer­sucht freu­te, die er, ohne es zu wis­sen, ver­riet. »Ich bin nie im Ernst ver­liebt ge­we­sen. Wäre ich es, dann wür­de ich jetzt ver­hei­ra­tet sein. Denn wenn ich in einen Mann ver­liebt wäre, was soll­te ich an­ders tun, als ihn hei­ra­ten?«

      »Aber ge­setzt, er wäre nicht in dich ver­liebt?«

      »Ach, ich weiß nicht.« Sie lä­chel­te, aber nicht ohne ein ge­wis­ses Selbst­ge­fühl. »Ich glau­be fast, ich müss­te ihn dazu brin­gen kön­nen, sich in mich zu ver­lie­ben.«

      »Ja, das glau­be ich auch«, er­klär­te Bil­ly be­geis­tert.

      »Aber lei­der«, fuhr sie fort, »mach­te ich mir nie et­was aus den Män­nern, die in mich ver­liebt wa­ren. – Ach, sieh!«

      Ein Ka­nin­chen war über den Weg ge­lau­fen und hin­ter­ließ eine dün­ne Staub­wol­ke, die wie ein Rauch­strei­fen den Weg sei­ner Flucht be­zeich­ne­te. Bei der nächs­ten Bie­gung ex­plo­dier­te ein Volk Reb­hüh­ner ge­ra­de vor der Nase der Pfer­de. Bil­ly und Sa­xon bra­chen in lau­ten Ju­bel aus.

      »Gro­ßer Gott«, sag­te er, »ich wünsch­te förm­lich, dass ich Bau­er ge­wor­den wäre. Wir Men­schen sind nicht dazu ge­schaf­fen, in Städ­ten zu le­ben.«

      »Je­den­falls nicht Men­schen wie wir«, räum­te sie ein. Und nach ei­ner kur­z­en Pau­se füg­te sie mit ei­nem tie­fen Seuf­zer hin­zu: »Al­les ist hier so schön. Es müss­te wie ein Traum sein, sein gan­zes Le­ben hier zu le­ben. Ich wünsch­te manch­mal, ich wäre eine In­dia­ne­rin.«

      Bil­ly woll­te ein paar­mal et­was sa­gen, be­zwang sich aber im­mer wie­der im letz­ten Au­gen­blick. End­lich kam es.

      »Aber die­se Bur­schen, die in dich ver­liebt wa­ren. Von de­nen hast du mir nichts er­zählt.«

      »Möch­test du das so gern wis­sen«, frag­te sie. »Es hat gar kei­ne Be­deu­tung.«

      »Selbst­ver­ständ­lich möch­te ich es gern wis­sen. Los! Er­zäh­le.«

      »Schön. Zu­erst war da Al St­an­ley –«

      »Was war der?« frag­te Bil­ly halb ge­bie­te­risch.

      »Er war Spie­ler.«

      Bil­lys Ge­sicht ver­zog sich, und sie konn­te se­hen, wie sich der Zwei­fel in dem schnel­len Blick, den er ihr sand­te, sam­mel­te.

      »Ja, es ist wahr«, lach­te sie. »Ich war erst acht Jah­re alt. Du siehst, dass ich mit dem An­fang be­gin­ne. Nach dem Tode mei­ner Mut­ter nahm Cady mich zu sich. Er hat­te ein Ho­tel und eine Wirt­schaft. Es war in Los An­ge­les, ein ganz klei­nes Ho­tel, wo die Ei­sen­bahn­ar­bei­ter und der­glei­chen Leu­te ver­kehr­ten. Und ich glau­be, dass Al St­an­ley von ih­rem Lohn leb­te. Er war so hübsch und so ru­hig und hat­te eine so wei­che Stim­me. Und sehr schö­ne Au­gen hat­te er und die weichs­ten, wei­ßes­ten Hän­de. Ich sehe sie noch vor mir. Er spiel­te manch­mal nach­mit­tags mit mir, gab mir Bon­bons und klei­ne Ge­schen­ke. In der Re­gel ver­schlief er den größ­ten Teil des Ta­ges. Da­mals wuss­te ich nicht, wes­halb. Ich glaub­te, er wäre et­was wie ein ver­klei­de­ter Prinz. Und dann wur­de er in der Schank­stu­be ge­tö­tet. Aber vor­her tö­te­te er den Mann, der ihn tö­te­te. So en­de­te die­se Lie­bes­ge­schich­te.

      Der nächs­te kam, als ich das Asyl ver­las­sen hat­te – ich war da­mals drei­zehn Jah­re alt und wohn­te bei mei­nem Bru­der – wir ha­ben seit­dem im­mer zu­sam­men ge­wohnt. Es war ein Jun­ge, der einen Bäcker­wa­gen fuhr. Ich traf ihn fast je­den Mor­gen auf dem Schul­weg. Er kam zu der Zeit durch die Wood Street und bog in die Zwölf­te ein. Vi­el­leicht war es der Um­stand, dass er mit ei­nem Pferd fuhr, was mich an­zog. Was es auch war, je­den­falls war ich ein paar Mo­na­te lang in ihn ver­liebt. Dann ver­lor er sei­ne Stel­lung oder was sonst ge­sch­ah –, je­den­falls fuhr von jetzt an ein an­de­rer Jun­ge den Bäcker­wa­gen. Und wir ge­lang­ten nicht ein­mal so weit, dass wir mit­ein­an­der spra­chen.

      Der drit­te kam, als ich sech­zehn Jah­re alt war, er war Buch­hal­ter. Es scheint fast, dass ich zu Buch­hal­tern pas­se. Der, den Char­ley Long über­fiel, war auch Buch­hal­ter. Die­sen traf ich, als ich in Hick­meyers Fa­brik ar­bei­te­te. Er hat­te auch wei­che Hän­de. Aber ich hat­te bald ge­nug von ihm. Er war – nun ja, er war so wie dein Chef. Und of­fen ge­stan­den, Bil­ly, ich war nie ernst­haft in ihn ver­liebt. Ich fühl­te von An­fang an, dass er nicht war, wie er sein soll­te. Und als ich in der Kar­to­na­gen­fa­brik ar­bei­te­te, glaub­te ich eine Wei­le, in einen Kom­mis aus Kahns Wa­ren­haus, du weißt, in der Elf­ten Ave­nue, ver­liebt zu sein. Er war un­ge­heu­er kor­rekt. Das eben war das Lang­wei­li­ge an ihm. Er war zu kor­rekt – gar kein rich­ti­ger Mann. Aber er woll­te mich zur Frau ha­ben. Das war mir noch nicht ein­mal auf­ge­gan­gen. Das be­weist, dass ich nicht in ihn ver­liebt war. Er war schmal­brüs­tig und ma­ger, und sei­ne Hän­de wa­ren im­mer kalt und feucht. Aber du großer Gott, wie er ge­klei­det ging! Wie aus ei­nem Mo­de­jour­nal aus­ge­schnit­ten. Er sag­te, er wol­le ins Was­ser ge­hen und der­glei­chen, aber ich mach­te doch Schluss.

      Und da­nach … ja, da­nach gibt es nichts mehr. Ich war viel­leicht et­was an­spruchs­voll ge­wor­den, aber ich traf kei­nen, in den ich mich hät­te ver­lie­ben kön­nen. Mit den Män­nern, de­nen ich be­geg­ne­te, war es eher eine Art Spiel oder Kampf. Und kei­ner von uns kämpf­te ganz ehr­lich. Char­ley Long, der war al­ler­dings ehr­lich, und der Bank­kas­sie­rer üb­ri­gens auch. Aber die lie­ßen mich nur de­sto stär­ker füh­len, wie schwer der Kampf war. Und alle lehr­ten mich, selbst auf mich zu ach­ten. Sie ta­ten es nicht. Das ist si­cher.«

      Sie hielt inne und be­trach­te­te