Джек Лондон

Gesammelte Werke


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zu küm­mern. So si­cher ich nicht ganz ge­we­sen bin, wie ich hät­te sein sol­len – du ver­stehst, was ich mei­ne – so si­cher habe ich noch zu kei­nem Mäd­chen von Lie­be ge­spro­chen.«

      »Aber die Mäd­chen sind doch in dich ver­liebt ge­we­sen«, neck­te sie ihn, wäh­rend ihr Herz vor ver­wun­der­ter Freu­de über sein keu­sches Ge­ständ­nis schwoll.

      »Nun ja, da­für konn­te ich nichts«, sag­te er nach­denk­lich. »Du weißt nicht, Sa­xon, wie sie ei­nem Bo­xer nach­lau­fen. Aber der Mann, der sich so von ih­nen in die Ta­sche ste­cken lässt, ist ein gu­ter Dumm­kopf.«

      »Vi­el­leicht bist du ein Mensch, der sich gar nicht ver­lie­ben kann«, mein­te sie her­aus­for­dernd.

      »Kann sein«, lau­te­te sei­ne we­nig er­mu­ti­gen­de Ant­wort. »Je­den­falls kann ich es mir nicht gut den­ken, mich in ein Mäd­chen, das es dar­auf an­legt, zu ver­lie­ben.«

      »Mei­ne Mut­ter sag­te stets, Lie­be sei die größ­te Macht in der Welt«, sag­te Sa­xon. »Sie schrieb auch Ge­dich­te dar­über. Ei­ni­ge da­von wur­den im ›San José Mer­cu­ry‹ ver­öf­fent­licht.«

      »Und was meinst du dazu?«

      »Oh, ich weiß nicht«, warf sie leicht hin, be­geg­ne­te aber sei­nem Blick mit ei­nem neu­en trä­gen Lä­cheln. »Ich weiß nur, dass es gut ist, einen Tag wie die­sen zu er­le­ben.«

      »Mit ei­ner Aus­fahrt wie heu­te – ja, da hast du recht«, füg­te er schnell hin­zu.

      *

      Um ein Uhr bog Bil­ly von der Land­stra­ße ab und fuhr in eine Lich­tung un­ter den Bäu­men. »Hier es­sen wir«, ver­kün­de­te er. »Ich dach­te, es wäre bes­ser, selbst das Früh­stück zu ma­chen, als in ei­nem Wirts­haus an der Land­stra­ße zu es­sen. Und jetzt will ich die Pfer­de ab­schir­ren. Wir ha­ben mas­sen­haft Zeit. Wir kön­nen den Früh­stücks­korb aus­pa­cken.«

      Als Sa­xon den Korb aus­ge­packt hat­te, war sie über sei­ne Ver­schwen­dung ent­setzt. Sie hol­te ein ver­blüf­fen­des Ar­se­nal von But­ter­bro­ten mit Schin­ken, Krab­ben­sa­lat, hart­ge­koch­te Eier, Schweins­fü­ße in Ge­lee, rei­fe Oli­ven, Es­sig­gur­ken in Dill, Schwei­zer­kä­se, Salz­man­deln, Ap­fel­si­nen, Ana­nas und meh­re­re Fla­schen Bier her­vor. Nicht al­lein die Men­ge ver­blüff­te sie, son­dern auch die Viel­fäl­tig­keit. Es mach­te auf sie den Ein­druck, als hät­te er kühn ver­sucht, ein gan­zes De­li­ka­tes­sen­ge­schäft auf­zu­kau­fen.

      »Es war doch nicht nö­tig, so­viel zu kau­fen«, sag­te sie, als sie sich ne­ben ihn ge­setzt hat­te. »Das ist ja ge­nug für ein Dut­zend Mau­rer.«

      »Aber es ist gut, nicht wahr?« frag­te er.

      »Ja«, gab sie zu. »Nur zu viel.«

      »Dann ist es also rich­tig«, ent­schied er. »Ich habe im­mer gern al­les reich­lich. Lass uns mit ei­nem Schluck Bier den Staub aus dem Hals spü­len, ehe wir uns ans Es­sen ma­chen. Sei vor­sich­tig mit den Glä­sern. Ich muss sie zu­rück­ge­ben.«

      Als sie mit dem Es­sen fer­tig wa­ren, leg­te er sich auf den Rücken, rauch­te eine Zi­ga­ret­te und frag­te sie nach ih­rer Ver­gan­gen­heit aus. Sie hat­te ihm ge­ra­de von ih­rem Le­ben im Hau­se ih­res Bru­ders er­zählt, wo sie vier­ein­halb Dol­lar wö­chent­lich be­zahl­te. Mit fünf­zehn Jah­ren hat­te sie die Ge­mein­de­schu­le ver­las­sen und dann Ar­beit in der Ju­te­fa­brik für vier Dol­lar wö­chent­lich ge­fun­den, von de­nen sie Sa­rah drei be­zahl­te.

      »Aber die­ser Gast­wirt?« frag­te Bil­ly. »Wie ging es zu, dass er dich zu sich nahm?«

      Sie zuck­te die Ach­seln. »Ich weiß es ei­gent­lich nicht – viel­leicht, weil es der Fa­mi­lie schlecht ging. Sie schie­nen nicht wei­ter­kom­men zu kön­nen. Sie konn­ten sich ge­ra­de durch­schla­gen, aber mehr auch nicht. Cady – der Gast­wirt – hat­te in der Kom­pa­gnie mei­nes Va­ters ge­stan­den, und er schwor auf Ka­pi­tän Kit, das war der Spitz­na­me mei­nes Va­ters. Mein Va­ter hat­te die Ärz­te ver­hin­dert, ihm das Bein zu am­pu­tie­ren, und das ver­gaß er ihm nie. Er ver­dien­te viel Geld mit sei­nem Ho­tel und sei­ner Wirt­schaft, und spä­ter er­fuhr ich, dass er ge­hol­fen hat­te, die Ärz­te­rech­nun­gen für mei­ne Mut­ter und ihre Bei­set­zung ne­ben mei­nem Va­ter zu be­zah­len. Ich hät­te ei­gent­lich bei On­kel Will le­ben sol­len – das war der Wunsch mei­ner Mut­ter; aber es hat­te Un­ru­hen in den Ven­tu­ra­ber­gen ge­ge­ben, wo er eine Viehr­anch hat­te, und ei­ni­ge Män­ner wa­ren ge­tö­tet wor­den. Es war et­was mit der Mark­schei­de, Vieh­hür­den oder der­glei­chen, und wie es nun zu­ging, je­den­falls kam er ins Ge­fäng­nis und saß lan­ge, und als er her­aus­kam, hat­ten die Rechts­an­wäl­te ihm sei­ne Farm ge­nom­men. Er war da­mals schon alt und ge­bro­chen, sei­ne Frau wur­de krank, und er be­kam eine Stel­lung als Nacht­wäch­ter für vier­zig Dol­lar den Mo­nat. Er konn­te also nichts für mich tun, und so nahm Cady mich zu sich.

      Cady war ein gu­ter Mann, wenn er auch nur Gast­wirt war. Sei­ne Frau war groß und hübsch, und ich glau­be, sie war nicht, wie sie sein soll­te – das habe ich spä­ter ge­hört. Aber zu mir war sie gut. Als er starb, ging sie ganz vor die Hun­de, und dann kam ich ins Wai­sen­haus. Da war es nicht ge­ra­de an­ge­nehm, und ich war drei Jah­re lang dort. Dann aber hat­te Tom sich ver­hei­ra­tet und fes­te Ar­beit be­kom­men, und er nahm mich her­aus, und seit­dem habe ich stets für mein täg­li­ches Brot ar­bei­ten müs­sen.«

      Sie sah trau­rig über die Fel­der hin­aus, bis ihr Blick auf ei­nem Gat­ter haf­ten blieb, an dem flam­men­der Mohn wuchs. Bil­ly, der auf dem Rücken ge­le­gen, zu ihr auf­ge­se­hen und sei­nen Blick mit Wohl­be­ha­gen auf dem fei­nen Oval des schma­len Mäd­chen­ant­lit­zes hat­te ru­hen las­sen, streck­te jetzt lang­sam die Hand aus und mur­mel­te: »Ar­mes Tier­chen.«

      Sei­ne Hand schloss sich im in­ni­gen Mit­ge­fühl um ih­ren rech­ten Un­ter­arm, und als ihr Blick den sei­nen such­te, las sie so­wohl Über­ra­schung wie Freu­de dar­in.

      »Nein«, sag­te er, »wie kühl dei­ne Haut ist. Fühl mich an, ich bin im­mer warm. Fühl mei­ne Hand an.«

      Die Hand war warm und feucht, und jetzt be­merk­te sie auch win­zi­ge Schweiß­per­len auf sei­ner Stirn und sei­ner glat­tra­sier­ten Ober­lip­pe.

      »Aber, Lie­ber, du bist ja ganz ver­schwitzt.«

      Sie beug­te sich über ihn und wisch­te ihm mit ih­rem Ta­schen­tuch Stirn und Lip­pen und dann die Hand­flä­chen ab.

      »Ich atme durch die Haut, glau­be ich«, er­klär­te er. »Die klu­gen Leu­te auf dem Trai­nings­platz und in den Turn­sä­len sa­gen, dass das gute Ge­sund­heit be­deu­tet. Aber au­gen­blick­lich schwit­ze ich doch mehr als ge­wöhn­lich. Ko­misch, nicht wahr?«

      Um ihm den Schweiß von der Stirn zu wi­schen, hat­te sie ih­ren Arm frei­ma­chen müs­sen; als sie aber fer­tig war, nahm er ihn wie­der.

      »Aber wie kühl doch dei­ne Haut ist«, wie­der­hol­te er mit der­sel­ben Be­wun­de­rung als frü­her. »Und so weich wie Samt und so glatt wie Sei­de an­zu­füh­len.«

      Sanft und un­ter­su­chend ließ er sei­ne Hand von ih­rem Hand­ge­lenk bis zum Ell­bo­gen und wie­der zu­rück glei­ten. Der lan­ge Vor­mit­tag im Son­nen­schein hat­te sie müde und schläf­rig ge­macht; sie gab sich dem Wohl­be­ha­gen hin, das sie bei die­ser Berüh­rung fühl­te, und er­tapp­te sich da­bei,