zu kümmern. So sicher ich nicht ganz gewesen bin, wie ich hätte sein sollen – du verstehst, was ich meine – so sicher habe ich noch zu keinem Mädchen von Liebe gesprochen.«
»Aber die Mädchen sind doch in dich verliebt gewesen«, neckte sie ihn, während ihr Herz vor verwunderter Freude über sein keusches Geständnis schwoll.
»Nun ja, dafür konnte ich nichts«, sagte er nachdenklich. »Du weißt nicht, Saxon, wie sie einem Boxer nachlaufen. Aber der Mann, der sich so von ihnen in die Tasche stecken lässt, ist ein guter Dummkopf.«
»Vielleicht bist du ein Mensch, der sich gar nicht verlieben kann«, meinte sie herausfordernd.
»Kann sein«, lautete seine wenig ermutigende Antwort. »Jedenfalls kann ich es mir nicht gut denken, mich in ein Mädchen, das es darauf anlegt, zu verlieben.«
»Meine Mutter sagte stets, Liebe sei die größte Macht in der Welt«, sagte Saxon. »Sie schrieb auch Gedichte darüber. Einige davon wurden im ›San José Mercury‹ veröffentlicht.«
»Und was meinst du dazu?«
»Oh, ich weiß nicht«, warf sie leicht hin, begegnete aber seinem Blick mit einem neuen trägen Lächeln. »Ich weiß nur, dass es gut ist, einen Tag wie diesen zu erleben.«
»Mit einer Ausfahrt wie heute – ja, da hast du recht«, fügte er schnell hinzu.
*
Um ein Uhr bog Billy von der Landstraße ab und fuhr in eine Lichtung unter den Bäumen. »Hier essen wir«, verkündete er. »Ich dachte, es wäre besser, selbst das Frühstück zu machen, als in einem Wirtshaus an der Landstraße zu essen. Und jetzt will ich die Pferde abschirren. Wir haben massenhaft Zeit. Wir können den Frühstückskorb auspacken.«
Als Saxon den Korb ausgepackt hatte, war sie über seine Verschwendung entsetzt. Sie holte ein verblüffendes Arsenal von Butterbroten mit Schinken, Krabbensalat, hartgekochte Eier, Schweinsfüße in Gelee, reife Oliven, Essiggurken in Dill, Schweizerkäse, Salzmandeln, Apfelsinen, Ananas und mehrere Flaschen Bier hervor. Nicht allein die Menge verblüffte sie, sondern auch die Vielfältigkeit. Es machte auf sie den Eindruck, als hätte er kühn versucht, ein ganzes Delikatessengeschäft aufzukaufen.
»Es war doch nicht nötig, soviel zu kaufen«, sagte sie, als sie sich neben ihn gesetzt hatte. »Das ist ja genug für ein Dutzend Maurer.«
»Aber es ist gut, nicht wahr?« fragte er.
»Ja«, gab sie zu. »Nur zu viel.«
»Dann ist es also richtig«, entschied er. »Ich habe immer gern alles reichlich. Lass uns mit einem Schluck Bier den Staub aus dem Hals spülen, ehe wir uns ans Essen machen. Sei vorsichtig mit den Gläsern. Ich muss sie zurückgeben.«
Als sie mit dem Essen fertig waren, legte er sich auf den Rücken, rauchte eine Zigarette und fragte sie nach ihrer Vergangenheit aus. Sie hatte ihm gerade von ihrem Leben im Hause ihres Bruders erzählt, wo sie viereinhalb Dollar wöchentlich bezahlte. Mit fünfzehn Jahren hatte sie die Gemeindeschule verlassen und dann Arbeit in der Jutefabrik für vier Dollar wöchentlich gefunden, von denen sie Sarah drei bezahlte.
»Aber dieser Gastwirt?« fragte Billy. »Wie ging es zu, dass er dich zu sich nahm?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß es eigentlich nicht – vielleicht, weil es der Familie schlecht ging. Sie schienen nicht weiterkommen zu können. Sie konnten sich gerade durchschlagen, aber mehr auch nicht. Cady – der Gastwirt – hatte in der Kompagnie meines Vaters gestanden, und er schwor auf Kapitän Kit, das war der Spitzname meines Vaters. Mein Vater hatte die Ärzte verhindert, ihm das Bein zu amputieren, und das vergaß er ihm nie. Er verdiente viel Geld mit seinem Hotel und seiner Wirtschaft, und später erfuhr ich, dass er geholfen hatte, die Ärzterechnungen für meine Mutter und ihre Beisetzung neben meinem Vater zu bezahlen. Ich hätte eigentlich bei Onkel Will leben sollen – das war der Wunsch meiner Mutter; aber es hatte Unruhen in den Venturabergen gegeben, wo er eine Viehranch hatte, und einige Männer waren getötet worden. Es war etwas mit der Markscheide, Viehhürden oder dergleichen, und wie es nun zuging, jedenfalls kam er ins Gefängnis und saß lange, und als er herauskam, hatten die Rechtsanwälte ihm seine Farm genommen. Er war damals schon alt und gebrochen, seine Frau wurde krank, und er bekam eine Stellung als Nachtwächter für vierzig Dollar den Monat. Er konnte also nichts für mich tun, und so nahm Cady mich zu sich.
Cady war ein guter Mann, wenn er auch nur Gastwirt war. Seine Frau war groß und hübsch, und ich glaube, sie war nicht, wie sie sein sollte – das habe ich später gehört. Aber zu mir war sie gut. Als er starb, ging sie ganz vor die Hunde, und dann kam ich ins Waisenhaus. Da war es nicht gerade angenehm, und ich war drei Jahre lang dort. Dann aber hatte Tom sich verheiratet und feste Arbeit bekommen, und er nahm mich heraus, und seitdem habe ich stets für mein tägliches Brot arbeiten müssen.«
Sie sah traurig über die Felder hinaus, bis ihr Blick auf einem Gatter haften blieb, an dem flammender Mohn wuchs. Billy, der auf dem Rücken gelegen, zu ihr aufgesehen und seinen Blick mit Wohlbehagen auf dem feinen Oval des schmalen Mädchenantlitzes hatte ruhen lassen, streckte jetzt langsam die Hand aus und murmelte: »Armes Tierchen.«
Seine Hand schloss sich im innigen Mitgefühl um ihren rechten Unterarm, und als ihr Blick den seinen suchte, las sie sowohl Überraschung wie Freude darin.
»Nein«, sagte er, »wie kühl deine Haut ist. Fühl mich an, ich bin immer warm. Fühl meine Hand an.«
Die Hand war warm und feucht, und jetzt bemerkte sie auch winzige Schweißperlen auf seiner Stirn und seiner glattrasierten Oberlippe.
»Aber, Lieber, du bist ja ganz verschwitzt.«
Sie beugte sich über ihn und wischte ihm mit ihrem Taschentuch Stirn und Lippen und dann die Handflächen ab.
»Ich atme durch die Haut, glaube ich«, erklärte er. »Die klugen Leute auf dem Trainingsplatz und in den Turnsälen sagen, dass das gute Gesundheit bedeutet. Aber augenblicklich schwitze ich doch mehr als gewöhnlich. Komisch, nicht wahr?«
Um ihm den Schweiß von der Stirn zu wischen, hatte sie ihren Arm freimachen müssen; als sie aber fertig war, nahm er ihn wieder.
»Aber wie kühl doch deine Haut ist«, wiederholte er mit derselben Bewunderung als früher. »Und so weich wie Samt und so glatt wie Seide anzufühlen.«
Sanft und untersuchend ließ er seine Hand von ihrem Handgelenk bis zum Ellbogen und wieder zurück gleiten. Der lange Vormittag im Sonnenschein hatte sie müde und schläfrig gemacht; sie gab sich dem Wohlbehagen hin, das sie bei dieser Berührung fühlte, und ertappte sich dabei,