Ludwig Ganghofer

Der Klosterjaeger


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      „Mein Gott, mein Gott, schaut bei mir auch nit besser aus!“

      „Wie geht’s der Bäuerin?“

      Der Bauer seufzte. „Schlecht, schlecht! Wär mir schon lieb, wenn sie bald wieder gesunden tät! Das Weib ist so viel ungut und zuwider. Und jagt mir die Seel aus dem Leib.“

      „Ist halt ein Krankes, Bauer, da muß man Geduld haben.“

      „Ja, ja, metzenweis! Aber jeden Wehdam von ihr, den krieg ich zehnfach zu spüren. Und Salben! Und Trankln! Und Geschichten! Mein Gott, ja, mir wär doch alles recht, wenn’s nur was helfen tät. Und jetzt meint der Bader, daß gar nichts anders mehr die Bäuerin auf die Füß bringt als nur ein Herzkreuzl von einem Steinbock. Aber wo soll ich’s denn hernehmen? Jetzt war ich heut beim Klostervogt, hab geglaubt, er verkauft mir eins. Aber der hat mich schön gestampert. So was wär nur für die Herrenleut, sagt er. Als ob eine Bäuerin nit grad so gern leben tät wie eine Ritterin! Und das Weib zieht mir schiergar die Haut vom Leib. Gleich zehn Schilling tät ich zahlen für ein Herzkreuzl! Aber wo soll ich denn eins hernehmen?“

      Wolfrat schaute auf, und die Blicke der beiden trafen sich. Nun wußte der Sudmann, wie es der Bauer meinte. Schweigend machte er sich wieder an seine Arbeit; die Hände zitterten ihm. Zehn Schilling. Und mit acht Schilling wäre das Lehent bezahlt. Und dazu noch ein paar Flaschen roten Tiroler für die Seph und Fleisch zur Suppe, und vom feinsten Kälbernen einen tüchtigen Schnitz, der ausgab auf fünf Mahlzeiten für das Kind. Und ein paar Heller blieben immer noch übrig für eine weitere Woche. Ach du lieber Gott, was hatte der Teufel, der den Wolfrat zu versuchen kam, ein gutes, gutes Herz!

      Aus dem Hause klang die fröhlich singende Stimme der Zenza. „Hehehehe!“ lachte der Eggebauer. „Die kann’s auch schier nimmer erwarten, bis Sonntag ist. Die spürt den Feiertag heut schon in den Füßen. Gehst du auch zum Ostertanz, Polzer?“

      „So eine Frag, Bauer! Wenn einmal getanzt wird an vierzehn Nothelfer, dann geh ich vielleicht.“

      „Hehehehe! Das Mädel ist völlig närrisch vor Freud. Meintwegen! Soll sich einen aussuchen unter den jungen Mannsleuten! Hehehehe! Vielleicht taugt ihr der neue Klosterjäger. Der kommt auch. Grad jetzt, wie er draußen vorbeigegangen ist, hat er es ihr versprochen: daß er ganz gewiß kommt am Sonntag, in aller Früh schon!“ Es schien dem Eggebauer viel daran gelegen, daß seiner Zenza zum mindesten dieser eine Tänzer sicher war; jedem Wort, das er sprach, gab er einen Druck, als wär’s ein Schilling, den man auf den Tisch zählt. Und genau so, wie man die letzten Münzen, um seiner Sache sicher zu sein, noch einmal nachzählt, so wiederholte er die letzten Worte: „Ja! In aller Früh schon!“

      Wolfrat hatte sich aufgerichtet und sah den Bauer, der ihm lustig zuzwinkerte, mit funkelnden Augen an; dann wischte er sich den kalten Schweiß von der Stirn und schaffte weiter. Mit beiden Armen hob er das schwere Christusbild empor, um es auf die mit weichen Heubüscheln gepolsterte Kraxe zu legen. Aber wie unsicher seine Hände waren! Fast wäre das schwere Schnitzwerk seinen Armen entglitten; dabei riß ihm ein Stachel der Dornenkrone eine blutige Schrunde in die Wange. Er wischte das Blut weg und besah seine Hand. Und da war ihm, als hätte jemand zu ihm gesprochen, ganz leise und dicht am Ohr — nicht der Eggebauer, sondern ein dritter. Aber sie waren doch nur zu zweien! Er schüttelte den Kopf und griff nach den Stricken, aber durch das Herz ging es ihm wie ein kalter Schauer.

      „Sei so gut! Und laß mir den Herrgott fallen!“ lachte der Eggebauer. „Der tät mir kein Halmerl Gras nimmer wachsen lassen auf meiner Alm! Hehehehe!“

      Wolfrat gab keine Antwort. In fester Spannung schnürte er die Stricke über das hölzerne Bild, daß es auf der Kraxe keinen Ruck mehr tat.

      Der Eggebauer schaute nicht auf Wolfrats Hände, nur immer in sein Gesicht. „Deinem Weib geht’s besser, wie ich von der Zenza hör?“ sagte er nach einer Weile. „Ja, ja, gut Essen und Trinken mußt du ihr geben, nachher klaubt sie sich schon wieder zusammen, wenn das Frühjahr wärmer wird. Aber was macht denn das kleine Katzerl, das liebe? Da schaut’s schlecht aus, hör ich!“

      Wolfrat nickte nur; seine Brust hob sich, als wollte sie springen.

      „So ein festes und gesundes Kind! Wie über so ein Kind nur so was kommen kann?“ sagte der Eggebauer und schüttelte den Kopf. „Wie hat’s denn angefangen?“

      Mit stockenden Worten schilderte Wolfrat den Beginn und die Zeichen der Krankheit.

      „Du, Polzer, das ist heilig dieselbige Krankheit, an der im vorigen Winter das Jüngste vom Klostervogt schier draufgegangen wär. Der Totengraber hat schon gewartet, ja!“

      „Ich bin fertig, Bauer!“ unterbrach Wolfrat mit heiserer Stimme.

      „Brav, brav!“ Der Eggebauer ging auf die Kraxe zu, rüttelte an dem Schnitzwerk und fühlte überall hin, wo es auflag. „Ich mein’, es tut’s. Aber hohl liegen tut er, schau! Geh, nimm einen festen Buschen Heu und stopf drunter hinein, was geht! Ja, Polzer, völlig im Verlöschen war das Kindl schon, und kein Mensch hätt sich mehr gedacht, daß der arme Wurm noch einmal aufkommt! — Was hast du denn?“

      Wolfrat war auf den Heuhaufen zugegangen, um aufzunehmen, was seine Arme fassen konnten. Da hatte er etwas Hartes im Heu gegriffen und hervorgezogen. Eine Armbrust! Über Wolfrats Züge flog ein irres Lächeln.

      „Bauer? Wie kommt das Schießzeug da her?“

      Wolfrat stand mit aschfahlem Gesicht und hielt die Armbrust umklammert, als wollte er ihren Schaft zerquetschen unter seinen eisernen Fingern.

      „Und was war’s, Bauer, was dem Kind geholfen hat?“

      „Schweißbluh von einem Steinbock.“

      Wolfrat wandte sich ab. Mit ruhiger Hand prüfte er die Sehne und das Schloß der Armbrust, nickte befriedigt, umwickelte die Waffe dicht mit Heu und schob sie auf der Kraxe in den hohlen Raum unter dem Schnitzwerk. Nun erhob er sich, schüttelte die Heufäden von seinem Gewand und sagte: „In der Samstagnacht, Bauer! Um Feierabend komm ich und hol den Herrgott.“

      „Brav, lieber Polzer, hilf mir, und du hilfst dir selber!“

      „Und wenn ich komm — und bring’s?“

      „Was ich gesagt hab! Ich bin der Eggebauer.“ Er streckte die Hand, und Wolfrat schlug ein mit festem Druck.

      Als der Sudmann sein Haus erreichte, stand Gittli wartend in der finsteren Tür.

      „Aber geh, wie kannst du so lang ausbleiben?“ schmollte sie. „Die Seph hat sich schon gelegt. Komm! Ich hab dein Essen heraußen auf dem Herd stehen, weißt, drin in der Stub könnt das Kindl wieder wach werden.“

      Er ging in die Küche und setzte sich an den Herd, auf dem die letzten Kohlen schon zu erlöschen begannen; nur noch ein roter Schimmer füllte den Raum. Gittli wollte sich an seine Seite setzen; er schob sie von sich und sagte: „Geh schlafen.“

      Sie schüttelte den Kopf, denn sie wollte mit ihm von der Hilfe sprechen, die sie sich ausgesonnen. Aber kaum begann sie vom Lehent zu reden, da sagte er: „Sorg dich nimmer! Ich hab das Lehent. Der Eggebauer leiht mir das Geld.“

      Gittli war sprachlos vor Freude; nur die Hände schlug sie ineinander; dann rannte sie davon, huschte in die Stube, tappte zum Bett und fiel der Seph um den Hals. „Er hat’s! Er hat’s!“

      Das Weib verstand sofort, was Gittli meinte. „Gelt, daß er’s noch nit gehabt hat?“

      „Ich