Patricia Vandenberg

Dr. Norden (ab 600) Box 2 – Arztroman


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»Es war wohl eine ziemlich dumme Idee, zu Aramis in die Box zu gehen«, musste sie zu ihrer eigenen Schande gestehen.

      »Ehrlich gesagt hatte ich dir etwas mehr Verstand zugetraut«, erwiderte Heinz überraschend freundlich.

      »Ich dachte, ich bin vielleicht schuld daran, dass er sich so benimmt.« Simone hatte viel Zeit zum Nachdenken gehabt und teilte ihrem Vater ihre Gedanken mit in der Hoffnung, er würde sie verstehen.

      Heinz runzelte die Stirn.

      »Du? Warum das denn?«

      »Nun, Hasher meinte, ein Pferd spürt es, wenn man nicht genug Kraft hat, um konsequent zu sein. Wenn man den Glauben verloren hat«, seufzte sie bekümmert. »Deshalb dachte ich, ich muss nur überzeugend genug auftreten …«

      »Hasher?«, polterte Heinz unvermittelt los und erschreckte Simone mit dieser unwirschen Reaktion zutiefst. »Wer ist das? Wer ist imstande und setzt dir solche Flausen in den Kopf? Einer erfahrenen Frau wie dir?«

      Trotzig presste Simone die Lippen aufeinander. Sie wusste selbst nicht mehr, welcher Teufel sie geritten hatte, auf das Verständnis ihres Vaters zu hoffen. Seine Reaktion hatte ihr klargemacht, dass ihre Hoffnung vergeblich war.

      »Einen Versuch war es wert. Und ist es auch immer noch«, erklärte sie. »Sobald ich hier raus bin, werde ich es wieder versuchen.«

      Heinz Kühn begann zu zittern. Vergessen war die Anweisung der Schwester, als er unvermittelt lospolterte.

      »Hast du jetzt völlig den Verstand verloren?«, donnerte er wütend. »Aramis hat dich fast umgebracht. Und schuld daran ist dieser Hasher, wer auch immer das sein mag.«

      Trotz ihrer Schmerzen ließ sich Simone auf die Auseinandersetzung ein.

      »Er ist ein Prinz, der Sohn von Scheich Ahmed, und betreibt im Orient weltberühmte Pferdezuchten. Seine Tiere sind fast ausnahmslos Champions«, verteidigte sie Hasher trotz ihrer Schmerzen leidenschaftlich. »Deshalb habe ich ihn um Rat gefragt.« Simone nahm allen Mut zusammen. »Er wird mit Aramis arbeiten.« Das Atmen fiel ihr schwer und bereitete ihr große Schmerzen. Trotzdem hielt sie dem Blick ihres Vaters tapfer stand.

      »Und wenn er der Kaiser von China wäre, würde ich das nicht zulassen«, wollte sich Heinz jedoch nicht bekehren lassen. »Mit diesen dummen Sprüchen hätte er dich um ein Haar umgebracht. Mit Aramis arbeiten?« Schnaubend schüttelte er den Kopf. »Nein, ausgeschlossen. Dieses Kapitel ist ein für alle Mal beendet. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören.«

      Simone schluckte. Sie wusste, dass ihr die Hände gebunden waren. In diesem Zustand konnte sie die Klinik unmöglich verlassen und sich schützend vor Aramis stellen. Wenn, dann musste sie ihren Vater mit Worten besiegen.

      »Bitte, Paps, gib Hasher wenigstens ein paar Tage. Aramis ist das Wichtigste in meinem Leben. Du darfst ihm nichts antun.« Ein Glück, dass der Prinz versprochen hatte, ihr zu helfen. Doch das sagte sie ihrem Vater vorsichtshalber nicht. Heinz allerdings hatte auch so schon genug.

      Die Worte seiner Tochter hatten ihn wie ein Peitschenhieb getroffen. Zutiefst verletzt starrte er Simone an.

      »Und ich dachte, ich bin dir wenigstens ein bisschen wichtig«, knurrte er und erhob sich so brüsk von seinem Stuhl, dass er polternd umfiel.

      Nur einen Augenblick später stand Schwester Emma im Zimmer.

      »Was ist hier los?«, fragte sie streng und eilte zu Simone, die sichtlich abgekämpft im Bett lag und flach und schwer atmete. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass sich Ihre Tochter nicht aufregen darf«, herrschte sie Heinz Kühn ungehalten an.

      Doch der beachtete sie gar nicht.

      »Aramis kommt weg. Das ist mein letztes Wort!«, erklärte er in Richtung Klinikbett. Dann drehte er sich um und stapfte aus dem Zimmer.

      Simone brach in Tränen aus und wollte sich nicht mehr beruhigen. Schließlich blieb Emma nichts anderes mehr übrig, als einen Arzt zu rufen, der der Patientin ein Beruhigungsmittel verabreichte. Danach informierte sie die Klinikleitung. Bevor Simone Kühn ein Unglück geschah, musste Jenny Behnisch einschreiten.

      An diesem Nachmittag hatte Danny Norden alle Hände voll zu tun. Dementsprechend hektisch ging es auch bei den beiden Assistentinnen zu, sodass sie kaum dazu kamen, ein Wort miteinander zu wechseln. Dabei interessierte es Wendy brennend, wie sich Janine nach der Abreise ihres Verlobten Lorenz vor ein paar Tagen fühlte. Der Juniorchef der Medizintechnik-Firma Herweg war von seinem Vater für unabsehbare Zeit nach Atlanta geschickt worden, um dort eine weitere Firma aufzubauen.

      Endlich schien sich die Chance für ein Gespräch zu ergeben, als schon wieder das Telefon klingelte. Wendy verdrehte die Augen und hob den Hörer ab, als Danny das Behandlungszimmer mit seiner Patientin verließ und sie an den Tresen zu Janine brachte.

      »Frau Zehentner braucht bitte einen neuen Termin Anfang nächster Woche«, informierte er seine Assistentin und verabschiedete sich freundlich von seiner Patientin. »Wer ist der Nächste?«, erkundigte er sich dann und griff nach der Patientenkarte, die oben auf dem immer noch ansehnlichen Stapel lag.

      »Herr Dr. Rosenknecht leidet seit einigen Tagen unter schlimmen Bauchschmerzen«, informierte Janine ihren Chef knapp.

      Der junge Arzt nickte.

      »Wenn das schon ein paar Tage dauert, können wir zumindest eine Lebensmittelvergiftung ausschließen«, erwiderte er. »Dann wollen wir mal sehen.« Er schickte Janine ein freundliches Lächeln und ging zum Wartezimmer, um den Tierarzt Josef Rosenknecht aufzurufen.

      »Ich weiß nicht, was mit mir los ist«, stöhnte Josef und ließ sich schwerfällig auf dem Stuhl gegenüber von Danny Nordens Schreibtisch nieder. Er war übergewichtig und atmete schwer. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, den jungen Arzt kritisch zu mustern. »Aber sagen Sie: Wo steckt denn der alte Kollege Norden? Eigentlich hatte ich einen Termin bei ihm.«

      »Mein Vater ist im Augenblick bei einem Notfall«, antwortete Danny bereitwillig. »Deshalb müssen Sie wohl oder übel mit mir vorliebnehmen. Aber keine Sorge: Ich bin auch Arzt.« Er lachte.

      Trotzdem blieb Dr. Rosenknecht skeptisch.

      »Ein junges Bürschchen wie Sie?«, hakte er trotz seiner Schmerzen ungläubig nach und haderte sichtlich mit sich. »Na, wenn es unbedingt sein muss.« Es war ihm anzusehen, dass ihm der Glaube an Dannys Fähigkeiten fehlte. Aber die Schmerzen ließen ihm keine Wahl.

      Danny Norden, der solche Kommentare inzwischen schon gewohnt war, schluckte seinen Unwillen herunter und klappte hartnäckig lächelnd die Patientenkarte auf.

      »Leiden Sie denn ständig unter diesen Schmerzen?«, begann er betont freundlich mit der Befragung.

      »Ja, vierundzwanzig Stunden am Tag«, brummte der Tierarzt unwillig.

      Das war keine gute Nachricht. Danny wusste, dass er es in diesem Fall mit einer schweren Erkrankung zu tun haben konnte.

      »Gut. Machen Sie bitte den Oberkörper frei und legen Sie sich auf die Liege«, wies er Josef an und war ihm behilflich. Schwer atmend lag der beleibte Mann endlich vor ihm, und Danny konnte mit der körperlichen Untersuchung beginnen. Vorsichtig tastete er den runden Bauch ab. Als er in die Gegend des Nabels kam, stutzte er. Wieder und wieder ließ er seine Hände dort kreisen.

      »Hab ich was Schlimmes?«, fragte Josef Rosenknecht ängstlich.

      »Ich habe eine Verhärtung im Bauchraum ertastet«, erklärte Danny langsam. »Unter der Bauchdecke kann ich einen harten Knoten fühlen.«

      Alarmiert riss der Patient die Augen auf.

      »Was wollen Sie damit sagen? Hab ich etwa Krebs? Einen Tumor? Aber das können Sie Jungspund doch nicht einfach so sagen. Das ist fahrlässig!«

      Vor Aufregung klopfte Dannys Herz schneller. Da er aber wusste, wie wichtig ein souveränes Auftreten für die Sicherheit des Patienten war, gab er sich alle Mühe, überlegen und besonnen zu wirken. Während er fieberhaft darüber nachdachte, was nun zu tun war, tastete er konzentriert weiter. Wieder fühlte