Edgar Wallace

Edgar Wallace: 69 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Band


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er leichtfertig. »Ich will einmal sehen, ob ich nicht den Trainer finde. Eine Runde Golf würde mich jetzt richtig auf die Höhe bringen.«

      Später sah sie, wie er mit dem Trainer zum Golfplatz ging; ein Junge trug ihnen die Geräte nach. Nelson schien alle Sorgen vergessen zu haben, weder an morgen zu denken, noch sein Betragen von gestern zu bedauern.

      Als er zu Tisch zurückkam, war er in glänzender Stimmung, und sie wußte, daß alle guten Vorsätze längst vergessen waren.

      »Es ist immer von Nutzen, wenn man weiß, wann man aufhören muß, Stella. Das ist eben der Unterschied zwischen einem Mann und einem Narren. Ich weiß immer, wann ich genug habe. Ich bin ein Künstler, und daher kommen all die Unannehmlichkeiten. Meine Phantasie schwelgt in rosigen Träumen, dann trinke ich rein mechanisch, ohne überhaupt zu wissen, daß ich etwas zu mir nehme.« Er lachte vergnügt und kniff sie in die Wange. »Mache dir nur keine Sorge, in einer Woche ist der Pygmalion fertig. Du denkst natürlich wieder, daß es nur ein leeres Versprechen ist, aber ich kann dir nur sagen, mein Liebling, als ich ein junger Mann war und das große Gemälde schuf, dem ich meinen Namen verdanke – Sokrates, den Schierlingsbecher trinkend –, da habe ich am Sonntagmorgen angefangen und am Dienstagabend war das riesengroße Bild fertig. Ich habe allerdings später noch einige Lichter aufgesetzt.«

      »Hast du im Klub etwas getrunken, Vater?«

      Der Klub war ein kleines Gebäude am Ende der Straße. Es war wohl der Golfklub mit der geringsten Mitgliederzahl der Welt.

      »Ach, nur einen Whisky Soda«, erwiderte er leichthin.

      Kenneth Nelson hatte, wie viele Neurotiker, die Gewohnheit, alle Gedanken zu unterdrücken, die ihm nicht angenehm waren. Er konnte alles aus seinem Denken ausschalten, was ihm mißfiel, alle Erinnerungen, deren er sich schämen mußte. Er betrachtete das als eine große Begabung. Er liebte es, weise Aussprüche zu gebrauchen, und er brachte sie stets so vor, als ob sie von ihm selbst stammten.

      »Nebenbei bemerkt, Stella, wir haben Besuch im Gästehaus. Das ist die ausgleichende Gerechtigkeit!« Er lachte. »Bellingham war ein Dieb, ein Einbrecher! Bei Gott, ich hätte nicht ruhig schlafen können, wenn ich das gewußt hätte.«

      Stella überlegte, was Scottie wohl zu einem Einbruch in dieses Haus hätte veranlassen sollen, wenn er nicht unvollendete Bilder stehlen wollte.

      Noch bevor ihr Vater weitersprach, wußte sie, was er sagen würde.

      »Der Detektiv wohnt dort?« fragte sie schnell.

      »Ja, er hält sich ein paar Tage hier auf – ein sehr interessanter Mann, äußerst liebenswürdig. Er ist gewissermaßen ein Gast Mr. Merrivans. Du weißt doch, daß der immer die sonderbarsten Leute aufgreift, gewöhnlich sind es ganz unmögliche Menschen. Aber diesmal hat er Glück gehabt. Dieser Detektiv – Andrew wie zum Teufel heißt er doch sonst noch – es ist ein schottischer Name – ich kann all diese Macs nicht auseinderhalten.«

      »Macleod.«

      »Ja, Andrew Macleod, so heißt er. Das ist derselbe, der hierhergeschickt wurde, um den Einbrecher zu verhaften. Das hat er auch tatsächlich sehr fein gemacht. Er ist ein ausgezeichneter Beamter. Es ist ungewöhnlich, einen Detektiv zu finden, der zugleich auch Gentleman ist. Würdest du nicht auch gern seine Bekanntschaft machen? Er würde dich sicher interessieren.«

      »Nein«, sagte sie so schnell, daß er sie überrascht anschaute. »Ich interessiere mich wirklich nicht für ihn, und außerdem habe ich ihn ja schon gestern auf dem Postamt gesehen – er gefällt mir nicht.«

      Mr. Nelson gähnte und schaute auf die Uhr.

      »Ich muß jetzt gehen, ich habe Pearson versprochen, zu einer Bridgepartie zu kommen. Würdest du nicht zum Tee nachkommen?«

      Sie ärgerte ihn nicht mehr durch unangenehme Fragen nach dem unvollendeten Pygmalion. Vor drei Jahren, als sie aus dem Pensionat gekommen war, wäre sie erstaunt gewesen, daß er seine guten Absichten so schnell vergessen konnte. Sie hätte ihm dann zugeredet, den Nachmittag im Atelier zu bleiben, und er hätte ihr geantwortet, daß er am nächsten Morgen ganz früh aufstehen werde, um einen guten Anfang zu machen. Und wenn sie ihn heute gebeten hätte, zu Hause zu arbeiten, hätte sie wahrscheinlich dieselbe Antwort bekommen. Also ließ sie den Dingen ihren Lauf. Ihr krampfhaftes Bemühen, dem Schicksal zu entkommen, war nutzlos – es ließ sich nicht mehr aufhalten.

      Stella hatte an diesem Morgen einen Brief von Artur Wilmot vorgefunden und ihn ungelesen zerrissen und in den Papierkorb geworfen. Der Gedanke an ihn bedrückte sie am wenigsten.

      Auch in dem Erscheinen des Detektivs lag etwas Schicksalhaftes. Er mußte ja seine Pflicht tun. Sie war auf das Schlimmste vorbereitet. Auch er würde in all das Unglück verkettet sein, das über sie hereinbrechen mußte.

      Am Nachmittag bekam sie über eine Stellenvermittlung zwei ungeschulte Dienstboten. Es waren ungeschliffene Landmädchen, die sie anstarrten und lachten, als sie ihnen zeigte, wie sie alles anfassen mußten. Es wäre vergebene Mühe gewesen, sich nach gelernten Leuten umzusehen, denn die hatten alle von Kenneth Nelson und seinen Verrücktheiten gehört.

      Stellas kleine, geheimgehaltene Reservesumme, die immer mehr und mehr zusammenschmolz, ermöglichte es ihr, die Löhne der entlassenen Dienstboten zu zahlen.

      Sie hatte eben versucht, der neuen Köchin beizubringen, wie man guten Tee aufgießt, als Mr. Merrivan sich dem Hause näherte. Sie hatte ihn schon durch das Fenster gesehen und öffnete selbst die Haustür.

      Sein Besuch war ihr unangenehm, obwohl sie ihn ganz gut leiden konnte. Aber auch er gehörte nun einmal zu den Unvermeidlichkeiten des Schicksals, und dieser Gedanke machte sie ruhiger.

      »Ich komme in einer sehr heiklen Angelegenheit, Miss Nelson«, begann er und schüttelte den Kopf, als ob er durchaus schon ausdrücken wollte, daß er sich zur Lösung seiner Aufgabe nicht fähig fühle. »Wirklich, eine sehr heikle Angelegenheit. Ich weiß kaum, wie ich anfangen soll –«

      Sie wartete und fürchtete schon, daß er sie an eine frühere Schuld erinnern würde, die sie ihm aber glücklicherweise hatte zurückzahlen können. Sie atmete erleichtert auf, als sich herausstellte, daß er gekommen war, um das brutale Auftreten seines Neffen zu entschuldigen.

      »Ich kann nur vermuten, was er zu Ihnen gesagt hat. Gestatten Sie, daß ich Platz nehme?«

      Sie schob ihm einen Sessel hin. Er setzte sich langsam und dankte umständlich.

      »Er hat Sie so schwer beleidigt, daß Sie ihm eigentlich nicht verzeihen können«, begann er, aber sie unterbrach ihn sofort.

      »Wir wollen nicht mehr darüber sprechen, Mr. Merrivan. Artur ist noch sehr jung und weiß nicht, wie man mit Frauen umgeht.«

      »Meinen Sie?« fragte er. »Es tut mir leid, daß ich Ihnen darin widersprechen muß. Er weiß genug über Damen, um seine Pflichten Ihnen gegenüber zu kennen.«

      »Hat er Ihnen denn alles erzählt?« Sie war erstaunt, daß Merrivan von dem Vorfall unterrichtet war.

      »Ja, er hat es mir gebeichtet, und er bat mich, meinen Einfluß bei Ihnen geltend zu machen.« Er räusperte sich. »Ich habe ihm aber geantwortet«, sagte er dann langsam und nachdrücklich, »daß er sich keine Hoffnungen zu machen brauchte. Ich würde den Heiratsantrag eines andern nicht unterstützen.«

      Es trat eine Pause ein, und sie dachte über seine Worte nach.

      »Eines anderen?« wiederholte sie dann. »Sie wollen doch nicht etwa sagen, ach nein – das können Sie doch nicht meinen –«

      »Doch, ich meine mich selbst«, entgegnete Mr. Merrivan ruhig. »Aber der Altersunterschied zwischen uns ist vielleicht ein unüberwindliches Hindernis für unser Glück, Miss Nelson.«

      »Nein, Ihr Alter hat damit nichts zu tun, Mr. Merrivan«, erwiderte sie hastig. »Ich werde überhaupt nicht heiraten. Aber das ist doch nicht Ihr Ernst? Sie wollen mich ja gar nicht heiraten.«

      »Ich meine es wirklich