vergeblich – auf dem Wege der Analogien zu suchen, steht der Mensch allein mit seiner Einbildungskraft – die Liebe dagegen ist die Vereinigung zweier Leiber und zweier Seelen. Wenn die drei Hauptarten, dem Gedanken Ausdruck zu verleihen, von den von der Natur zu Dichtern, Musikern oder Malern Bestimmten ein fleißiges Studium verlangen – ist es dann nicht sinnfällig, daß man, um glücklich zu sein, zuvor in die Geheimnisse der Liebeswonne eindringen muß? Alle Menschen empfinden das Bedürfnis der Fortpflanzung, wie alle Hunger und Durst haben; aber nicht alle sind berufen, Liebeskünstler und Feinschmecker zu sein. Die Zivilisation unserer Tage hat den Beweis geführt, daß der Geschmack eine Wissenschaft und daß es keine Eigentümlichkeit gewisser bevorzugter Wesen sei, mit Verständnis zu essen und zu trinken. Die Liebeswonne, als Kunst betrachtet, harrt noch ihres Physiologen. Für uns genügt es, nachgewiesen zu haben, daß nur die Unkenntnis der Grundbedingungen des Glücks an dem Unglück schuld ist, das alle Prädestinierten erwartet.
Nur mit Zittern und Zagen wagen wir die Veröffentlichung einiger Aphorismen, die vielleicht zur Entstehung dieser neuen Kunst führen können, wie aus Gipsabgüssen die Geologie entstanden ist. Wir widmen sie dem Nachdenken der Philosophen, der heiratsfähigen jungen Leute und der Prädestinierten.
Ehekatechismus
XXVII. Die Ehe ist eine Wissenschaft.
XXVIII. Ein Mann kann sich nicht verheiraten, ohne Anatomie zu studieren und mindestens eine Frau seziert zu haben.
XXIX. Das Schicksal einer Ehe hängt von der ersten Nacht ab.
XXX. Die Frau, die ihrer freien Willensbestimmung beraubt ist, kann niemals das Verdienst haben, ein Opfer zu bringen.
XXXI. In der Liebe – ganz abgesehen von allen Seelenstimmungen – ist die Frau gewissermaßen eine Leier, die ihre Geheimnisse nur dem offenbart, der sie als Meister zu spielen weiß.
XXXII. Unabhängig von einem unwillkürlichen Widerwillen lebt in der Seele aller Frauen ein Gefühl, das sie treibt, Liebeswonnen, die der Leidenschaft entbehren, früher oder später zu verwerfen.
XXXIII. Nicht nur die Ehre, sondern zum mindesten ebenso sein eigener Vorteil gebieten einem Ehemann, sich niemals einen Genuß zu erlauben, wenn er nicht verstanden hat, in seiner Frau den Wunsch nach diesem Genuß zu erwecken.
XXXIV. Da die Wonne der Liebe durch die Vereinigung von Gefühl und sinnlichen Empfindungen hervorgerufen wird, so kann man kühn behaupten, daß die Liebesfreuden eine Art materieller Ideen sind.
XXXV. Da die Ideen eine unendliche Menge von Zusammenstellungen zulassen, so muß mit den Wonnen der Liebe das gleiche der Fall sein.
XXXVI. So wenig wie an einem Baum zwei völlig gleiche Blätter sind, finden sich im Menschenleben zwei völlig gleiche Augenblicke der Wonne.
XXXVII. Wenn zwischen einem Augenblick der Lust und dem andern Unterschiede bestehen, so kann ein Mann stets mit derselben Frau glücklich sein.
XXXVIII. Der Mann, der die Abstufungen der Wonne geschickt zu erkennen, sie zu entwickeln, ihnen einen neuen Stil, einen originalen Ausdruck zu verleihen weiß – hat das Zeug zu einem genialen Ehemann.
XXXIX. Im Verkehr zweier Menschen, die sich nicht lieben, ist ein solches Genie Unzucht; aber Liebesbeweise, die von der Liebe eingegeben sind, sind niemals unzüchtig.
XL. Die keuscheste verheiratete Frau kann zugleich die wollüstigste sein.
XLI. Die tugendhafteste Frau kann unbewußt unanständig sein.
XLII. Wenn zwei Menschen in der Wonne der Liebe vereint sind, schlummern alle Formen gesellschaftlicher Etikette. Hierin birgt sich eine Klippe, an der schon viele Schiffe gescheitert sind. Ein Ehemann ist verloren, wenn er ein einziges Mal vergißt, daß es eine Scham gibt, die mit den äußern Hüllen nichts zu tun hat. Die eheliche Liebe muß stets zur rechten Zeit die Augenbinde umzulegen und abzunehmen wissen.
XLIII. Kraft besteht nicht darin, daß man stark oder oft zuschlägt, sondern daß man richtig trifft.
XLIV. Eine Begierde aufkeimen zu lassen, sie zu nähren, sie sich entfalten und größer werden zu lassen, sie zu reizen, sie zu befriedigen – das ist ein ganzes Gedicht.
XLV. Die Wonnen der Liebe gehen vom Distichon zum Vierzeiler über, vom Vierzeiler zum Sonett, vom Sonett zur Ballade, von der Ballade zur Ode, von der Ode zur Kantate, von der Kantate zum Dithyrambus. Der Ehemann, der mit dem Dithyrambus beginnt, ist ein Dummkopf.
XLVI. Jede Nacht muß ihr Programm für sich haben.
XLVII. In der Ehe gilt es einen unaufhörlichen Kampf gegen ein Ungeheuer, das alles verschlingt: die Gewohnheit.
XLVIII. Wenn ein Mann nicht die Liebeswonnen zweier aufeinanderfolgender Nächte vollkommen verschieden zu gestalten weiß, hat er sich zu früh verheiratet.
XLIX. Es ist leichter Liebhaber als Ehemann zu sein, weil es schwerer ist, alle Tage Geist zu haben, als von Zeit zu Zeit eine hübsche Bemerkung zu machen.
L. Ein Ehemann darf niemals zuerst einschlafen und niemals zuletzt aufwachen.
LI. Der Mann, der das Ankleidezimmer seiner Frau betritt, ist ein Philosoph oder ein Dummkopf.
LII. Der Ehemann, der keine Begierden übrig läßt, ist ein verlorener Mann.
LIII. Die verheiratete Frau ist eine Sklavin, die man verstehen muß, auf einen Thron zu setzen.
LIV. Ein Mann kann sich nicht eher schmeicheln, seine Frau zu kennen und sie glücklich zu machen, als wenn er sie oft auf den Knien sieht.
An diese ganze unwissende Herde unserer Prädestinierten, an unsere Legionen von Katarrhalikern, Rauchern, Schnupfern, Wackelgreisen, Brummbären usw. dachte Sterne bei jenem Brief, den in seinem ›Tristram Shandy‹ Walter Shandy an seinen Bruder Toby schrieb, als dieser letztere mit dem Gedanken umging, die Witwe Wadman zu heiraten.
Da die berühmten Lehren, die der originellste englische Schriftsteller in diesem Briefe niedergelegt hat, fast ausnahmslos unsere Beobachtungen über die Art, sich den Frauen gegenüber zu benehmen, vervollständigen können, so bieten wir sie in wörtlicher Übertragung dem Nachdenken der Prädestinierten dar, indem wir sie bitten, andächtig darüber nachzusinnen, da dieser Brief eines der gehaltvollsten Meisterwerke des menschlichen Geistes ist.
Brief Mr. Shandys an den Kapitän Toby Shandy.
Mein lieber Bruder Toby!
Was ich Dir sagen will, bezieht sich auf die Natur der Frauen und auf die Art und Weise, sich in Liebesangelegenheiten mit ihnen zu benehmen. Und vielleicht ist es ein Glück für Dich – obgleich nicht in demselben Maße für mich – daß die Gelegenheit sich dargeboten hat, und daß ich mich imstande sehe, einige Belehrungen über diesen Gegenstand für Dich niederzuschreiben.
Wenn Er, der uns unsere Gaben zumißt, hätte geruhen wollen, Dir mehr Kenntnisse zuzuteilen als mir, so wäre ich entzückt gewesen, säßest Du an meinem Platze und hieltest Du diese Feder in der Hand; da es aber mir zukommt, Dich zu belehren, und da Mrs. Shandy hier bei mir ist, indem sie sich anschickt, sich zu Bett zu legen, so will ich in großen Umrissen und ohne besondere Ordnung allerlei Gedanken und Vorschriften über die Ehe zu Papier bringen, wie sie mir gerade einfallen, und je nachdem ich glaube, daß sie für Dich werden von Nutzen sein können. Ich möchte Dir damit einen Beweis meiner Freundschaft geben und zweifle nicht, mein lieber Toby, an der Dankbarkeit, womit Du ihn empfangen wirst.
Was nun zunächst hierbei die Religion anbetrifft, so bemerke ich zwar an dem Feuer, das mir ins Gesicht steigt, daß ich erröte, indem ich Dir hiervon spreche; und ich weiß ferner trotz Deiner Bescheidenheit, die es uns nicht würde sehen lassen, daß Du keine einzige ihrer frommen Übungen vernachlässigst – indessen möchte ich Dir eine derselben ganz besonders ans Herz legen und Dich bitten, sie niemals zu vergessen, zum mindesten nicht, solange Deine Liebschaft dauert. Ich meine, Bruder Toby, daß Du Dich bei dem Gegenstande Deiner Bewerbung niemals, weder morgens noch abends, einfinden solltest, ohne Dich zuvor dem