Joachim Merchel

Kinder- und Jugendhilfe


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Deutsche Jugend (FDJ) die Jugendförderung ressortübergreifend koordinieren und kontrollieren sollte.

      »Der traditionelle Jugendhilfebegriff wurde damit aufgegeben. Das bedeutete auch das Ende der durch das RJWG begründeten Zusammenfassung von Jugendpflege und Jugendfürsorge bei einer Fachverwaltung« (Hoffmann 1981, 34). Ebenfalls Anfang der 1950er Jahre wurden mit der Verordnung über die Übertragung der freiwilligen Gerichtsbarkeit (1952) in der DDR die Vormundschaftsgerichte aufgelöst und deren Aufgaben auf die Jugendhilfeorgane übertragen, die damit direkte Eingriffsmöglichkeiten in das elterliche Erziehungsrecht erhielten (Seidenstücker 1990).

      In der BRD ging unterdessen die Reformdebatte um das RJWG weiter und mündete 1961 in eine erneute Novellierung des Gesetzes als JWG. Der Gesetzgeber hielt dabei an den beiden zentralen Zielen des RJWG, der Stärkung des Elternrechts und dem Vorrang der freien Träger, fest. Daneben wurde die Freiwillige Erziehungshilfe (FEH) eingeführt und so die Fürsorgeerziehung (FE) um eine leistungsrechtliche Variante ergänzt. Während die FE nach § 64 JWG durch das Vormundschaftsgericht angeordnet wurde, »weil der Minderjährige zu verwahrlosen droht oder verwahrlost ist«, wurde einem Minderjährigen FEH nach § 62 JWG auf Antrag der Personensorgeberechtigten gewährt, sofern »dessen leibliche, geistige oder seelische Entwicklung gefährdet oder geschädigt ist« und »die Personensorgeberechtigten bereit sind, die Durchführung der Freiwilligen Erziehungshilfe zu fördern.« Kostenträger war das Landesjugendamt. Neu war ebenfalls die Einführung der Heimaufsicht durch die Landesjugendämter, die vor allem von den konfessionellen Trägern zunächst abgelehnt wurde (von einer Erlaubnis zum Betrieb von Einrichtungen sah das JWG zu diesem Zeitpunkt noch ab.). Schließlich schuf die JWG-Novelle auch die rechtlichen Voraussetzungen für eine regelmäßige Jugendberichterstattung (Jugendberichte in vierjährigem Abstand und Konstituierung des Bundesjugendkuratoriums – BJK) sowie den Bundesjugendplan, der es der Bundesregierung ermöglichte, überregionale Bestrebungen der Jugendhilfe anzuregen und zu fördern (Wiesner 2011, 73).

      Das JWG sollte dann ohne gravierende Veränderungen bis zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts und dem Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes, zum 3. Oktober 1990 in den neuen und zum 1. Januar 1991 in den alten Bundesländern, Bestand haben.

      Dazwischen gab es allerdings mehrere Anläufe, das JWG grundlegend zu reformieren, die aus verschiedenen Gründen nicht durchkamen: Bereits 1974 legte das Bundesjugendministerium einen ersten Referentenentwurf vor, der zunächst an den zu erwarteten Kosten scheiterte. So kam es im Herbst 1977 zu einem erneuten Referentenentwurf, der am 8. November 1978 vom Bundeskabinett als Regierungsentwurf verabschiedet wurde. Da die CDU/CSU-regierten Länder jedoch eine Mehrheit im Bundesrat hatten, stemmten sich diese mit einem Alternativentwurf gegen den Regierungsentwurf, der im Mai 1979 vom Bundesrat angenommen wurde und anschließend gemeinsam mit dem Regierungsentwurf in den Ausschüssen des Bundestags beraten wurde. Im Mai 1980 wurde dann der Gesetzentwurf der Bundesregierung mit der Stimmenmehrheit der SPD/FDP-Koalition verabschiedet, während die CDU/CSU-Fraktion den Gesetzentwurf weiterhin ablehnte. Nicht unerwartet verweigerte daraufhin der Bundesrat seine Zustimmung zu einer Reform des Gesetzes, so dass der erste Anlauf, das JWG zu reformieren, vorwiegend an ideologisch-weltanschaulichen Gründen scheiterte (ebd., 75 ff.).

      Mehr Erfolg war dann erst dem zweiten großen Versuch beschieden, das Gesetz zu modernisieren und es an die veränderte gesellschaftliche Situation anzupassen: Den Auftakt dafür bildete im Mai 1987 eine Regierungserklärung des Bundeskabinetts unter Helmut Kohl, dem im August 1988 ein weiterer Referentenentwurf folgte, dem diesmal auch die CDU/CSU-geführten Länder im Bundesrat grundsätzlich zustimmten. Nach mehreren Kompromissen und 118 Änderungsanträgen zum Regierungsentwurf beim ersten Durchgang im Bundesrat, wurde das Gesetz am 28. März 1990 im Deutschen Bundestag nach dritter Lesung mit den Stimmen der damals oppositionellen SPD verabschiedet. Zu diesem Zeitpunkt hätte niemand mehr mit ernsthaften Schwierigkeiten bei der anschließenden Abstimmung im Bundesrat gerechnet, als dessen Finanzausschuss einstimmig beschloss, dem Bundesrat zu empfehlen, die Entscheidung zu vertagen, da nicht abzuschätzen sei, welche Kosten auf die Länder im Rahmen der Herstellung der deutschen Einheit zukämen. Erst wenige Tage vor der Bundesratssitzung wurde bekannt, dass die CDU/CSU-regierten Länder dem Gesetz zustimmen würden, so dass am 11. Mai 1990 das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts (KJHG) endgültig beschlossen wurde.

      Das KJHG trat am 3. Oktober 1990 in den damals neuen ostdeutschen Bundesländern und am 1. Januar 1991 in den alten Bundesländern in Kraft. Die vorgezogene Inkraftsetzung in den ostdeutschen Bundesländern war dem Umstand geschuldet, dass es nach Auflösung der DDR (und ihrer Gesetze) und ihrem Beitritt zur Bundesrepublik am 3. Oktober 1991 keinen Sinn gemacht hätte, das alte JWG dort noch für weniger als drei Monate in Kraft zu setzen und es dann gleich wieder durch das KJHG abzulösen.

      Das KJHG ist ein Artikelgesetz mit insgesamt 24 Artikeln. Der erste dieser 24 Artikel ist das »SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe«. Die anderen 23 Artikel enthielten Übergangsvorschriften und Änderungen in anderen Gesetzen (z. B. BGB und JGG), die in Sprache und Inhalt dem neuen SGB VIII – Kinder und Jugendhilfe angepasst werden mussten (Struck 2016, 666). Die begriffliche Erweiterung auf Kinder- und Jugendhilfe erfolgte, weil sich im Laufe der Zeit mehr und mehr ein engerer Sprachgebrauch des Begriffs »Jugend« für die 14- bis 18-Jährigen (und nicht für Minderjährige insgesamt) herausgebildet hatte und deutlich gemacht werden sollte, dass das Gesetz sich auf alle Minderjährigen bezieht. Ganz präzise ist diese Formulierung allerdings nicht, da der Begriff der jungen Volljährigen, auf die sich eine Reihe von Regelungen des Gesetzes ebenfalls beziehen, keine Berücksichtigung findet. Das SGB VIII selbst nimmt in § 7 eine Definition und Abgrenzung der altersgruppenbezogenen Definitionen vor und bezeichnet als Oberbegriff alle Menschen unter 27 Jahre als »junge Menschen«.

      § 7 SGB VIII: Begriffsbestimmungen

      (1) Im Sinne dieses Buches ist

      1. Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist, soweit nicht die Absätze 2 bis 4 etwas anderes bestimmen,

      2. Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist,

      3. junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist,

      4. junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist,

      5. Personensorgeberechtigter, wem allein oder gemeinsam mit einer anderen Person nach den Vorschriften des BGB die Personensorge zusteht,

      6. Erziehungsberechtigter, der Personensorgeberechtigte und jede sonstige Person über 18 Jahre, soweit sie auf Grund einer Vereinbarung mit dem Personensorgeberechtigten nicht nur vorübergehend und nicht nur für einzelne Verrichtungen Aufgaben der Personensorge wahrnimmt.

      Mit der Bezeichnung SGB VIII wurde die Kinder- und Jugendhilfe als Achtes Buch erstmals in das Sozialgesetzbuch (SGB) eingegliedert. Damit wurde klargestellt, dass für die Durchführung von Leistungen ebenfalls die Regeln des SGB I und des SGB X gelten.

      Das SGB I definiert die Grundsätze des Leistungsrechtes (z. B. Aufklärungs-, Beratungs- und Auskunftspflichten – §§ 13-15 SGB I; Regeln der Leistungserbringung und Gewährleistungspflichten für den Leistungsträger – § 17 SGB I); das SGB X normiert die Regeln des Verwaltungsverfahrens und des Sozialdatenschutzes. Die Ablösung des ehemaligen vor allem organisations- und ordnungsrechtlich geprägten JWG durch ein modernes Dienstleistungsgesetz wurde allgemein als gesetzlicher Vollzug eines Paradigmenwechsels von der Jugendhilfe als Ordnungstätigkeit zur Jugendhilfe als sozialpädagogische Dienstleistung charakterisiert, ein Wechsel, der sich in der Praxis schon in den 1970er und 1980er Jahren zunehmend entwickelt hatte, der nun aber auch seinen gesetzlichen Niederschlag fand (Fazekas 2015; Faltermeier/Wiesner 2017, 496).

      Grundlegende Neuerungen des KJHG im Vergleich zum vorherigen JWG waren

      • die Abschaffung der eher disziplinierenden Formen der FE und der Freiwilligen Erziehungshilfe (FEH),

      • die konsequente Ansiedlung aller Leistungen bei den örtlichen öffentlichen Trägern (Abschaffung des Verschiebebahnhofs zwischen Jugendämtern und