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Die großen Western Staffel 4


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für volljährig erklärt. Beinahe wünschte ich mir, der Kerl liefe mir über den Weg.«

      »Du würdest ihn glatt …«

      »Manchmal muss man etwas tun«, grinste Jericho und gähnte. »Prächtiger Mondschein draußen, Doc.«

      Der Doc stand auf und trat an das Fenster. Das Mondlicht beschien auch den Hügel mit dem Doppelgrab. Der Alte sagte leise: »Sie verließ mich viel zu schnell, aber wenn ich sie wiedersehe …, ob ich sie wiedersehe, Junge?«

      »Ja«, sagte Jericho genauso leise. »Ich bin sicher – tot ist nicht tot. Da muss irgendwo mehr sein, Doc.«

      »Das wäre schön«, flüsterte der Alte. »Wenn wir ausrückten und manchmal wochenlang unterwegs waren, dann dachte ich den ganzen Tag und manchmal auch die halbe Nacht an sie. Und wenn ich dann ins Fort zurückkam, fragte sie mich, ob ich an dem und dem Abend dieses oder jenes gedacht hätte. Wir waren so weit voneinander entfernt – und wir dachten dasselbe, stell dir das vor!«

      »Ja«, sagte Jericho. »Ich stelle mir das vor, Doc. Vielleicht denkt meine Miss Lehrerin jetzt auch an mich? Ich dachte gerade an sie, während du geredet hast.«

      »Deine Miss Lehrerin«, murmelte der Doc. »Verflixt schönes Weib, muss ich schon sagen. Warum nimmst du sie nicht einfach?«

      »Du lieber Himmel«, seufzte Jericho. »Es ist ziemlich kompliziert, Doc.«

      »Blödsinn – nichts ist kompliziert!«, knurrte der Alte und wandte sich um. »Eine Frau und ein Mann – was ist daran kompliziert? Du kommst dir ihr gegenüber zu ungebildet vor – das ist es. Du hast Komplexe, Mensch, ausgerechnet du?«

      »Vielleicht habe ich die wirklich«, grübelte Jericho. »Doc, lass uns schlafen gehen – der Tag war hart genug.«

      »Für dich doch wohl nicht, du Verbrecher«, fuhr ihn der Doc barsch an. »Dich hat doch keiner vergiftet, oder? Der bloße Gedanke an Whisky jagt mir die Übelkeit in den Bauch. Mensch, ich könnte jetzt nicht mal an dem Zeug riechen, ob du es glaubst oder nicht. Schlafen gehen – jetzt schon? Ich werde in meine Hütte traben und dort mal ein bisschen Ordnung machen. Und dann komme ich wieder her und lege mich unten auf die Bank, damit ich da bin, wenn man mich brauchen sollte. Gräulicher Gedanke, dass ich zwischen all den Flaschen in meiner Hundehütte schlafen sollte, pfui Teufel! Mach dir um Shannon keine Sorgen, der wacht spätestens nach Mitternacht auf. Er wird zwar schwach sein, aber er wird kein Fieber mehr haben – oder nur ein bisschen. Wird sich die Kleine freuen!«

      »Sicher«, nickte Jericho. »Verplappere dich bloß nie – er heißt schlicht und einfach Miller, Doc.«

      »Schöner Name«, grinste der Doc und paffte wahre Riesenwolken gegen die Decke.

      Er ging kichernd zur Tür, blickte an sich herunter und schüttelte sich, als gefiele er sich selbst nicht.

      »Irgendwo in dem Wirrwarr meiner Hundehütte«, sagte er, »muss ich doch noch eine Kleiderbürste haben. Mal sehen, ob ich nicht anständig aussehen kann – und den Bart könnte ich mir auch mal beschneiden. Und dann werde ich noch meinen alten Army-Colt suchen – falls dieser ehrenwerte Hundesohn Don Carlos erscheinen sollte, verstehst du?«

      »Vorsätze hast du ja«, sagte Jericho trocken.

      Der Doc starrte ihn seltsam an.

      »Ja«, meinte er nachdenklich. »Vorsätze sind gut, sie auch durchzuführen, ist noch besser. Lass dich mal überraschen, Junge. Du kennst mich noch lange nicht.«

      Er knallte die Tür ins Schloss und pfiff, als er die Treppe nach unten ging, die Melodie von »Oh, my Darling Clementine« vor sich hin.

      Ich lasse mich überraschen, dachte Jericho, mal sehen, ob er morgen nicht schon wieder an einer Flasche nuckelt.

      David Jericho grinste.

      Er sollte überrascht werden, nur ganz anders, als er es sich gedacht hatte …

      *

      Sie schrie und riss sich los, wich vor ihm zurück, seine Miss Lehrerin. Sie schrie und wollte ihn, weil er auf sie zukam, zurückstoßen.

      »Ireen«, sagte Jericho, der wirklich geglaubt hatte, dass es doch keine Probleme gab. »Aber Ireen!«

      Sie schrie – und David Jericho, Undertaker, Sargmacher, Posaunenkünstler und Townmarshal von Jerome in Arizona, Jericho riss erschrocken die Augen auf. Dann fuhr er hoch und sah das Fenster, durch das die Sonne in das Zimmer schien. Er saß in diesem alten Bett, das irgendwo knarrte, glotzte das Fenster an und wunderte sich über den Sonnenstand. Dann begriff Jericho, dass er geträumt und Ireen noch gar keine Ahnung von der Tatsache hatte, dass es zwischen einem Mann und einer Frau keine Probleme gab, wenn sie sich nur einig waren.

      Dennoch schrie sie. Sie schrie hell und durchdringend – und die Schreie kamen beinahe von nebenan.

      Es war Inez, die dort schrie, das wusste Jericho sofort. Sie schrie, weil Mikel Shannon etwas passiert war, auch das wusste Jericho. Es gab gar keine andere Möglichkeit für David Jericho Graves. Inez schrie, denn Mikel war nicht durch das Apachenkraut gesund geworden. Mikel war tot – und dieses Mädchen, das ihn wie wahnsinnig liebte, drehte nun durch!

      Jericho flog von dem Bett, auf dem er vollständig angekleidet irgendwann eingeschlafen war. Der Mond hatte auf das Bett geschienen und Jericho nicht schlafen lassen. Er war aufgestanden, nach unten gegangen, hatte noch mit dem Doc geredet und nach Mikel gesehen, der auch nach Mitternacht noch nicht erwacht war. Die Apachenmedizin hatte wohl nicht geholfen, sondern das Gegenteil von Gesundung bewirkt – Mikel war tot.

      Das war es, was er dachte, als er die Tür ausriss und in den Flur springen wollte. Rechts war das Zimmer, in dem Mikel schlief, links war die Treppe nach unten.

      Ehe Jericho auch nur begriff, was mit ihm passierte, schoss er bereits nach links und flog mit so unwahrscheinlicher Geschwindigkeit der Treppe entgegen, dass er nicht mal dazu kam, seinen linken Arm an den Körper zu nehmen. Der Steintopf mit der spitzblättrigen Agave stand auf einer Holzsäule neben dem Geländerpfosten. Jericho sauste mit dem linken Arm gegen den Steintopf und dann mit dem Rücken gegen den Geländerpfosten.

      Einen Augenblick, der Jericho winzig erschien, sah er die Tür seines Zimmers ins Schloss fliegen. Er sah, dass sie zuknallte. Den Knall hörte er aber nicht mehr, weil er schon über den Pfosten hinwegsegelte und jenem verfluchten Agaventopf nachkippte. Es war ein glatter Überschlag rückwärts, sozusagen ein Salto in wahrster Vollendung. Nur gab es unter Jericho keinen Flur mit einem billigen Kokosläufer mehr. Unter Jericho lag die Treppe, deren Stufen in die Unendlichkeit zu führen schienen.

      David Jericho sah die Treppe plötzlich vor sich und hatte nur noch etwas wahrgenommen, bevor er den Salto probierte: hinter seiner ins Schloss fliegenden Tür hatte jemand gestanden. Der Jemand trug einen Hut, den in diesem Land kein Mensch aufsetzte. Er hatte auch keinen Holsterriemen, sondern dafür zwei kreuzweise über die Brust laufende Patronengurte. Der Jemand hatte die Figur eines aus dem Urwald entsprungenen Menschaffen und auch beinahe dessen Gesicht.

      Irgendwie schaffte Jericho es gerade noch, sich mit beiden Händen von irgendeiner Treppenstufe abzustoßen, ehe er mit dem Schädel auf sie donnerte. Es gelang ihm tatsächlich, sich noch wie durch ein Wunder in die Bauchlage zu bringen. So schoss er nun die Stufen hinunter.

      Danach explodierte die Treppe vor Jericho. Jemand hatte eine Sprengpatrone geworfen, von deren Detonationsblitz er in die Höhe geschleudert wurde. Das Letzte, was David Jericho, Undertaker und Sargmacher, vorläufig hörte, war der brüllende Knall der Detonation. Der Knall begleitete ihn beim Sturz in ein schwarzes Loch.

      Der Mann, der unten im Saloon auf der Bank lag und vor sich jemand stehen hatte, der ihm die Gewehrmündung in den Kugelbauch bohrte, sah durch die aufstehende Tür die untersten neun Stufen der Treppe.

      Der Doc hörte das wüste Gepolter jetzt lauter als die helle, durchdringende Stimme des Mädchens. Dann erschien David Jericho, der Giftmischer, der dem Doc jegliche Sucht nach Fusel ausgetrieben hatte. David Jericho sauste die Stufen hinunter, prallte unten auf und drehte sich. Er sauste noch