stellte sie dann auf den Tisch, ohne getrunken zu haben. »Das ist ja fabelhaft. Hast du wirklich verdient. Dieser Montague muss ja ein Zauberer sein, was man so im Internet liest. Er bringt wirklich frischen Wind und frisches Geld.«
Ein merkwürdiger Blick zur Seite machte ihr deutlich, dass dies der falsche Satz gewesen sein musste.
»Mit Montague habe ich mehr Erfolg denn je. Na ja ... ich denke, ich bin aus vielem herausgewachsen.«
»Da gratuliere ich dir. Das freut mich sehr.« Sie wusste, dass er wusste, dass der Satz gelogen war, denn für Ivy stand fest, dass sie zu den Dingen gehörte, aus denen er herausgewachsen war. Sie hörte sich selbst zu und fühlte sich elend. Sie wollte ihm gegenüber nicht so klingen.
»Bist du zufrieden mit dieser Entwicklung? Immerhin lief das ja mal alles ganz anders«, versuchte sie beim Thema zu bleiben.
Jeff hob die Schultern an und ließ sie wieder heruntersacken. »Ehrlich gesagt, weiß ich es noch nicht. Aber Montague macht nicht die gleichen Fehler wie Ashes. Er behandelt mich wie einen erwachsenen, selbstverantwortlichen Mann und nicht wie ein Kind, das man von einem Punkt zum nächsten schieben muss. Du solltest ihn unbedingt mal kennen lernen. Er hat auch schon viel von dir gehört.«
Er nickte seinen eigenen Worten zu, doch Ivy fragte sich, worin der Sinn bestehen sollte, dass sie, die Ex-Freundin, seinen Manager kennen lernte.
»Also nicht mehr die gleichen Fehler wie damals?«, fragte sie leise.
Jeff presste die Lippen zusammen und schüttelte vorsichtig den Kopf.
Ivy schluckte hart, denn in der aktuellen Situation taten sie beide besser daran, kein Wort mehr über die Vergangenheit zu verlieren. Zumal sie ihm alles zutraute, vor dem Hintergrund, dass er unversehens hier aufgetaucht war, ohne ihr einen vernünftigen Grund dafür nennen zu können. Wie sehr er sich auch geändert haben mochte, es war mit Sicherheit nicht genug, dass sie sich ihm wieder annähern würde. Er reizte sie, weiß Gott, sein Gesicht, das lange Haar, dieser Körper, der ein einziges erotisches Versprechen war ..., aber für eine Beziehung taugte er sicherlich immer noch nicht und für alles andere hatte Ivy keine Kraft und keine Ausdauer. Es gab in diesem Business zu viele willige Frauen und zu viele schmierige Dealer.
»Und wie sieht es bei dir aus?«, fragte er und zog sie aus ihren Gedanken.
»Alles beim Alten. Die Praxis ist noch dieselbe und die Patienten auch. Man muss sich halt nach der Decke strecken, zumal die Regierung ein Kürzungspaket nach dem anderen verabschiedet und ich meinen Patienten erklären muss, wie sie damit umgehen sollen. Hier in Tottenham, wo die Gehwege sowieso nicht mit Gold überzogen sind.«
»Und sonst in deinem Leben?«
Ivy wusste sofort, worauf er hinauswollte. »Ebenfalls alles beim Alten, wenn du so willst.«
»Tja ... Bei mir auch«, stieß er hervor und erhob sich.
Sie war sich nicht sicher, auf welchen Status er sich dabei bezog: auf den, wo er mit ihr fest liiert gewesen war oder wo er es mit allem getrieben hatte, was sich ihm in den Weg geworfen hatte.
»Dann danke ich dir für den Tee und mache mich wieder auf den Weg.«
Ivy stand ebenfalls auf und brachte ihn zur Tür.
»Man sieht sich«, sagte er, ohne sie dabei anzuschauen. Es mochte die Enttäuschung sein, weil sie nicht mehr für ihn gehabt hatte als Belanglosigkeiten, aber Ivy war unfähig, weiter auf ihn zu zugehen. Dazu fehlte ihr die Kraft.
Monatelang war in jeder Nacht das Gleiche geschehen: Sobald sie das Licht gelöscht hatte, tauchten Bilder aus ihrer Vergangenheit auf. Immer wieder sah sie, was mit ihm geschehen war, was er getan hatte. Ab da hatte sie sich vorgenommen, ihn zu vergessen. Für Jeff Armstrong gab es in ihrem Leben keinen Platz mehr.
3.
Ivy wusste nicht, wann sie zum letzten Mal eine Einladung angenommen hatte. Schon gar nicht zu jemandem, den sie praktisch nicht kannte.
Clive Montague war solch ein Fall. Sein Anruf hatte sie vollkommen überrascht, denn sie wusste nicht mehr von ihm, als das, was Jeff bei seinem Besuch erzählt hatte. Zudem hatte sie keine Ahnung, wie dieser Mann überhaupt dazu kam, sie einzuladen. Immerhin war sie niemand anderes als die belanglose Ex seines Schützlings.
Er hatte sie eines Abends angerufen und einfach mit ihr geplaudert. Da er nett klang und ein äußerst begabter Plauderer war, befanden sie sich, ehe Ivy sich versah, in einem amüsanten Gespräch, das länger dauerte, als geplant. Am Ende hatte er sie tatsächlich in sein Haus eingeladen. Da sie nur über ein Kleid verfügte, hatte Ivy nicht lange grübeln brauchen, was sie zu einem solchen Mann anziehen sollte. Es war ein dunkelblaues, gerade geschnittenes Kleid, das bis zu den Knien ging. Der einzige Schmuck fand sich am Rücken. Er war sehr tief und stammte noch aus der Zeit, als es ihr Spaß gemacht hatte, Jeff damit ein wenig den Kopf zu verdrehen. An diesem tiefen Rückenausschnitt überkreuzten sich zwei Stoffbahnen, wobei eine über und über mit Glitzersteinen und Pailletten bestickt war.
Während sie sich fertig machte, überlegte Ivy, wieso sie diese Einladung angenommen hatte. Sie hatte von Ferne beobachtet, wie Montague die Band umgebaut und neue Wege eröffnet hatte, wobei er Jeff trotzdem im Griff hatte. Davon war sie stark beeindruckt. Und nun hatte sie die Gelegenheit, diesen Mann einmal live zu erleben.
***
Es war kurz vor sechs, als sie in die Auffahrt einbog. Vor ihr stand ein gewaltiges schmiedeeisernes Tor, vor dessen rechter Seite sich eine Säule mit Gegensprechanlage fand. So sehr sie auch den Kopf reckte, sie konnte nichts von dem Haus sehen, da ihr Blick von Bäumen und Sträuchern verstellt war. Die hiesige Nachbarschaft bestand aus lauter solcher Tore und Sprechanlagen, wobei es eine große Bandbreite zwischen historisch und hypermodern gab.
Ivy drückte den Klingelknopf.
»Miss Ivy Newman«, sagte sie mit fester Stimme. »Mister Montague erwartet mich.«
Ohne, dass jemand am anderen Ende reagiert hatte, öffnete sich das Tor vor ihr und sie fuhr hindurch. Ein geschwungener Kiesweg führte sie zunächst durch einen dunklen, scheinbar naturbelassenen Wald, bevor sich die Szenerie auf eine weite Rasenfläche hin öffnete. Vielleicht mochte es kein wirkliches Schloss sein, das sie nun sah, aber es war ein wundervolles Jagdhaus, wie es sich die Adligen im 18. Jahrhundert bauen ließen. Sie fuhr in einem Kreis um einen Brunnen herum, an dem Efeu herabhing und stellte ihr Auto halb unter einen gewaltigen Rhododendronbusch.
Es schien, als hätte Montague auf sie gewartet, denn der Ton des Autoschlosses war noch nicht verklungen, da hatte er schon die Eingangstür geöffnet und kam Ivy entgegengeeilt.
Für einen Moment blieb sie stehen und starrte ihn an. Zwar hatte sie ihn schon auf Fotos gesehen und gefunden, dass er wirklich gut aussah, aber ihn so live vor sich zu haben, war noch einmal eine gänzlich andere Sache.
»Ivy ... Wie schön, dass Sie es geschafft haben.« Seine Stimme hatte einen tiefen, weichen Klang, und sie fragte sich, warum er nicht Radiosprecher geworden war. Die letzten Strahlen der Abendsonne ließen sein kurzgeschnittenes dunkelbraunes Haar leuchten, während sein T-Shirt seinen sportlichen Körper kaum verdeckte.
»Sagen Sie das zu jedem Gast, Mr Montague?«, erwiderte sie und fand ihren Tonfall selbst ein wenig zu keck.
»Lassen Sie uns hineingehen. Dann entschuldige ich mich mit einem Drink.«
Er führte Ivy durch eine elegante Vorhalle, in der gewaltige Grünpflanzen dicht an dicht standen.
Montague hielt ihr die Tür auf. »Das ist der Salon. Ich mag ihn lieber als das Wohnzimmer«, sagte er und bedeutete Ivy, dass sie sich hinsetzen sollte.
Nachdem sie ihm gesagt hatte, dass sie gern ein Wasser trinken würde und er sich neben sie gesetzt hatte, begann der erfolgreiche Manager mit einem heiter dahinplätschernden Smalltalk. Zwar reagierte Ivy mit dem einen oder anderen Kommentar, tatsächlich aber beobachtete sie nur diesen mehr als gut aussehenden Mann. Allein die Art, wie seine Muskeln unter der festen Haut spielten, fesselte sie. Dazu das Schimmern der winzigen Härchen,