sagte, die man hinterher lieber ungeschehen machen würde. Sie startete den Wagen, setzte um das Mittelboskett und scherte in den Kiesweg ein, der einen zuerst durch den Park brachte und dann zum Eingangstor.
Montague war stehengeblieben und sah ihr nach, ohne zu winken oder auch nur zu lächeln. Erst als der Weg zwischen den Bäumen und Sträuchern verschwand, entschwand auch er ihren Blicken. Was allerdings blieb, war das Beben in ihrem Brustkorb und die weichen Knie. Wie hatte es nur dazu kommen können, dass sie mit ihm geschlafen hatte? Seit die Beziehung zu Jeff geendet hatte, hatte es keinen Mann mehr in ihrem Leben gegeben. Sie hatte nur gearbeitet. Wie mit Scheuklappen war sie durch ihr Leben gegangen, denn zu tief saß die Furcht, noch einmal so etwas zu erleben. Natürlich, sie war eine erwachsene, vernünftige Frau, aber Jeff hatte sie im Handumdrehen in sein Leben gezogen und damit auch in seinen Abgrund, und das würde ihr nie mehr passieren.
Aber Montague war etwas anderes. Er stand mitten im Leben, hatte ein Vermögen aufgehäuft und wirkte trotz aller Nüchternheit auch sensibel.
***
Als Ivy am nächsten Morgen durch ihre Praxis ging und die wartenden Patienten betrachtete, verglich sie deren Lebenswege mit dem ihres Liebhabers. Kam man lediglich durch harte Arbeit, Glück und zähen Willen zu einem solchen Vermögen? Es war, als wollte er in ihre Gedanken eingreifen, denn sie sah plötzlich seinen nackten Körper vor sich.
Gedankenverloren schob sie eine Patientenakte vor sich auf dem Schreibtisch hin und her. Mit den Nägeln hielt sie die Heftklammer fest und begann sodann, diese aus dem Papier zu lösen. Wäre er in diesem Moment aufgetaucht, sie hätte sich hier auf dem Schreibtisch von ihm nehmen lassen.
Allein die Bilder vom Vortag, die Ivy jetzt zuließ, genügten, ihre Möse anschwellen und ihren Slip nass werden zu lassen. Sie wollte Montague, ohne irgendeinen Gedanken an eine Beziehung oder Freundschaft. Einfach nur wegen seines unglaublichen Körpers, der ihr noch viel mehr zu bieten haben würde, wie Ivy glaubte.
4.
Wie lange hatte er das nicht mehr gespürt, diesen warmen Hauch, der aus der Dunkelheit zu ihm emporgeweht kam. Seine Brust hob und senkte sich schwer und er ging davon aus, dass es Nervosität war. Er spürte das blankpolierte Holz der Gitarre in seinen Händen, den ledernen Gurt, der an seinem Nacken scheuerte. Die Menschenmenge zu seinen Füßen war so greifbar, als hielte er sie in seinen Armen.
Bones wusste genau, dass, sobald das Licht anging, all die Menschen dort unten den Eindruck haben würden, dass er jeden einzelnen von ihnen ansah. Genau in die Augen. Doch tatsächlich sah er absolut nichts, wenn er dort hinunterblickte. Es gab eine einzige Beleuchtungseinstellung, wo er die Fans sehen konnte, vielleicht lag es am Alter, dachte er grinsend. Er erinnerte sich wieder an die ersten Konzerte, die er gespielt hatte und wo mehr Leute auf, als vor der Bühne standen. Wie seltsam es war, vor so vielen zu spielen. Es fühlte sich nicht so richtig gut an, denn die erotische Anspannung fehlte.
Er brauchte dringend Sex! Jetzt ärgerte er sich darüber, dass er nicht daran gedacht hatte, denn vor der Umkleide hatten genügend Mädchen gestanden und auch Typen, die sich alle mehr als willig zur Verfügung gestellt hätten, um seine Batterien wieder aufzuladen. An diesem Abend gab es keine Pause, während der er sich schnell von seinem Druck hätte erleichtern können. Sie hatten das Programm komplett umstellen müssen und das ärgerte ihn. Er mochte keine Veränderungen, zumal, wenn er das Gefühl hatte, dass sie über seinen Kopf hinweg vonstattengingen.
Die Luft war feucht und warm, sodass sein Haar an seinen Armen und an seinem Rücken klebte. Hätte man ein Messer dabei gehabt, so hätte man sie in Scheiben schneiden können. Dabei wusste Bones nur allzu gut, dass das Montagues Kalkül war. Wo Mick Jagger unter den Achseln besprüht worden war, damit er durchgeschwitzt aussah, half sein Manager eben mit dicker Luft nach. Solange nicht zu viele Fans umkippten, war alles in Ordnung.
In schnellem Rhythmus sprangen die Fans auf der Stelle auf und ab und skandierten dabei einen Laut, der wie »Hey ... Hey ... Hey« klang.
Gerade in diesem Moment schafften es zwei weibliche Fans, die Bühne zu erklimmen und zu ihm zu gelangen. Im nächsten Augenblick griffen zwanzig Finger mit wahlweise blutroten oder glänzend schwarzen Nägeln nach seinem T-Shirt und begannen, daran herumzuzerren. Dabei schrien die Mädchen infernalisch. Sie trugen enge Latex-Korsetts und die bunt gefärbten Haare toupiert und wild aufgesteckt. Dazu Stiefel mit bald zwanzig Zentimeter hohen Plateauabsätzen.
Als sein Shirt in Fetzen hing, pressten sie ihre Gesichter gegen seine Haut und Bones fürchtete wirklich für einen Moment, sie würden Fleischstücke aus ihm herausreißen.
»Du bist so geil ... so unfassbar geil!«, dröhnte es in sein Ohr.
Als die eine versuchte, ihre Hand in seine Hose zu schieben, hatte er genug und sah sich nach den Sicherheitsleuten um. Zumal langsam immer mehr Fans animiert wurden, ihr Glück zu versuchen. Plötzlich schnappte ein eiserner Griff sein Fußgelenk und Bones fürchtete, der Typ würde versuchen, ihn von der Bühne zu ziehen. Die Hitze glühte in seinem Schädel und in seinen Ohren dröhnte lautes Pfeifen. Etwas wie Panik explodierte in seiner nackten Brust und er konnte nicht mehr anders, als nach dem Typen zu treten. Der war zu allem Überfluss auch noch als Joker verkleidet und seine verschmierte Schminke machte seinen Anblick kein bisschen besser. Jetzt wurde Bones wütend, denn er war sich sicher, dass der Typ unter seinem Make-up breit grinste und sich so über ihn lustig machte. Dieses Arschloch würde er ein für alle Mal stoppen, sagte er sich, holte weit aus und trat so heftig er nur konnte in Richtung von dessen Gesicht. Allerdings war der Kerl nicht ungeschickt. Er bemerkte den auf ihn zukommenden Stiefel und wich nach hinten aus, wobei er ein paar andere Fans anrempelte. So entstanden Konzertabbrüche, sagte Bones sich, was ihn aber nicht dazu brachte, kleinbeizugeben. Im Gegenteil. Er wartete, bis der Typ sich wieder der Bühne näherte und holte dann noch einmal aus. Doch auch jetzt hatte er keinen Erfolg. Ihm war nur heiß und schwindelig. Das ganze Konzert war zum Kotzen und er hasste die Idee, hinterher noch zu einem Mini-Konzert zu müssen, das Montague für ein paar wenige Auserlesene organisiert hatte. Drei alte Songs würden sie spielen und zwei neue. Dann würde er umhergehen müssen und mit den ganzen sinnlosen Typen quatschen, die er nicht kannte und die ihn nicht interessierten. Die Wut verursachte einen heftigen Druck auf seiner Brust. Die Lungen schienen kurz davor, ihm den Dienst zu versagen. Es fühlte sich an, als würde ihn jemand mit Zement übergießen und nach und nach wurde der Zement fest.
Bones verlor die Kontrolle, riss den Gitarrengurt ab, holte mit dem Instrument aus und schlug es in die Richtung des Joker-Kopfes. Diesmal wich der Typ zu spät aus. Zwar hatte er Glück und nicht der komplette Korpus erwischte ihn, aber auch die Kante genügte, um ein großflächige Platzwunde zu verursachen, aus der das Blut in Strömen über die Schminke floss und ihm so ein wirklich gefährliches Aussehen verlieh.
Bones hatte die Gitarre, die wesentlich mehr aushielt, als solch einen Schlag, noch nicht wieder in Position gebracht, da stürmten auch schon die Sicherheitsleute in den Bereich vor und auf der Bühne. Die Männer in ihren schwarzen Anzügen brachten allerdings keine Ordnung in das sich ausbreitende Chaos – sie verschlimmerten alles noch, indem sie wild um sich schlugen, Fans beiseitestießen und offensichtlich sogar vorgaben, Verhaftungen vornehmen zu wollen.
Bones spielte ungerührt weiter, jetzt, da der Joker verschwunden war, beobachtete er lediglich das heillose Durcheinander zu seinen Füßen.
So endete das Konzert in lautem Getöse und mit wild durcheinanderflutenden Menschenmengen. Und alles getaucht in die dicke, feuchtheiße Luft der aus allen Nähten platzenden Halle.
Bones konzentrierte sich auf die bevorstehende erfrischende Dusche und ignorierte die schauderhafte Party, die ihm bevorstand. Trotzdem war er zu sehr Profi, um nicht zu wissen, dass solche Termine lebenswichtig für einen Künstler waren.
Dicht umringt von Bodyguards geleitete man ihn die endlos langen Betongänge hindurch, von denen er als junger, unbekannter Musiker immer geträumt hatte. Wenn man durch solche Gänge lief, hatte man es geschafft.
Noch ehe er die Dusche betrat, zog er sich die klatschnasse Hose aus. Er trug nie Unterwäsche, denn er fand, dass sie bei einem Mann einfach albern wirkte, wenn er mehr als nur die Jeans