der Halle mit den schwarz-weißen Bodenfliesen war es ebenso kalt wie draußen. Glücklicherweise führte Johanna von Dombrowski Hedwig in die nebenanliegende Küche, in der ein wärmendes Feuer im Herd brannte.
»Geht es um eine Fleischlieferung?«, fragte die Baronin. »Ich wüsste nicht, dass Sie eine Kundin sind, und ...«
»Ich komme wegen Albert«, platzte Hedwig heraus.
»Albert?« Johanna von Dombrowski sah Hedwig überrascht an. »Woher kennen Sie meinen Sohn?«
»Das ist eine lange Geschichte.« Auf einmal schwankte der Boden unter ihren Füßen und bunte Kreise tanzten vor ihren Augen. Haltsuchend klammerte sie sich an die Tischkante.
»Meine Güte, Sie sind ja kreideweiß!«, rief Alberts Mutter, drückte Hedwig auf einen Stuhl und schenkte ihr ein Glas Wasser ein. Aus zusammengekniffenen Augen beobachtete Johanna, wie Hedwig hastig trank und die Farbe wieder in ihre Wangen zurückkehrte. Dann setzte sie sich Hedwig gegenüber und sagte: »Sagen Sie nicht, dass es das ist, was ich vermute, Fräulein Mahnstein.«
Die herbe Frau hatte einen scharfen Blick. Hedwig senkte den Kopf und nickte kaum merklich.
»Ich möchte Sie bitten, mir die Adresse Ihres Sohnes zu nennen, damit ich ihm schreiben kann.«
»Wie alt sind Sie?«, fragte Johanna anstatt einer Antwort.
»Vor vier Wochen bin ich dreiundzwanzig geworden.«
»Sie sehen jünger aus«, stellte Johanna fest und forderte Hedwig auf: »Erzählen Sie, wie es so weit kommen konnte.«
Hedwig, die mit einer solchen Reaktion nicht gerechnet hatte, berichtete von ihrer ersten Begegnung mit Albert, über das Wiedersehen in Sensburg bis hin zu ihrer gemeinsamen Zeit in Allenstein, und schließlich sprach sie über ihre letzte Begegnung auf Schloss Duwensee. Johanna von Dombrowski hörte ihr stumm zu, nichts in ihrer Mimik verriet, was sie von der Sache hielt. Als Hedwig geendet hatte, stand die Baronin auf, setzte den Wasserkessel auf das Feuer, gab Kaffeepulver in eine Kanne und sagte nur: »Ich glaube, wir brauchen jetzt einen starken Kaffee, und ich werde meinen Mann holen. Sie warten hier, Fräulein Mahnstein.«
Paul von Dombrowski war ein mittelgroßer Mann mit breiten Schultern, einer untersetzten Statur, kräftigen Händen und dicken Fingern. Sein schwarzes, dichtes Haar war an den Schläfen ergraut, der Blick aus seinen Augen ähnelte dem Alberts. Es war das erste Mal, dass Hedwig dem Baron begegnete.
Von seiner Frau über das Wesentlichste informiert, musterte er Hedwig mit gerunzelten, buschigen Augenbrauen und sagte: »Selbstverständlich wird mein Sohn zu seinem Fehler stehen, Fräulein, das heißt, wenn es eindeutig bewiesen ist, dass Albert für diesen Fehler verantwortlich zu machen ist.«
Hedwig benötigte einen Moment, um zu verstehen, was von Dombrowski andeutete, dann rief sie: »Wie können Sie es wagen! In meinem Leben gab es nur einen einzigen Mann, Ihren Sohn Albert!«
»Nun beruhigen Sie sich mal, Fräulein«, sagte Johanna beruhigend. »Wenn Albert es bestätigt, ist alles in Ordnung. Ich werde ihm noch heute telegrafieren und ihn nach Hause beordern, damit wir so schnell wie möglich die Hochzeit vorbereiten können.«
»Ich möchte Ihren Sohn nicht heiraten«, platzte Hedwig heraus.
»Wie bitte?«, fragte Paul von Dombrowski überrascht. »Warum sind Sie dann gekommen? Wollen Sie Geld?« Er lachte bitter und machte eine raumgreifende Handbewegung. »Wenn Sie glauben, bei uns wäre etwas zu holen, nur weil ich einen Adelstitel trage und ein Gut besitze, dann sind Sie auf dem Holzweg. Wir haben selbst nichts.«
»Das ist mir bekannt«, sagte Hedwig leise. »Ich möchte nur mit Albert sprechen, er muss wissen, dass ich sein Kind erwarte, an eine Heirat denke ich jedoch nicht.«
Dies hatte sich Hedwig während ihres Fußmarsches nach Kahlenwald gut überlegt. An ihrer Meinung, Albert wäre als Ehemann eine schlechte Wahl, hatte sich nichts geändert. Auch wenn es bedeutete, als ledige Mutter an den Rand der Gesellschaft geschoben zu werden – die Reaktion ihres Vaters mochte Hedwig sich gar nicht ausmalen –, sie würde es irgendwie hinbekommen und sich nicht in eine Ehe stürzen, die sie unglücklich machen würde.
»Ich werde es nicht zulassen, dass unser guter Name durch den Schmutz gezogen wird«, sagte der Baron. »Er ist das Letzte, das uns geblieben ist, und niemand soll sagen, ein von Dombrowski ließe eine Frau, die sein Kind unter dem Herzen trägt, sitzen. Wir mögen zwar arm sein, haben aber unseren Stolz.«
»Auch wenn wir uns für unseren einzigen Sohn eine bessere Partie gewünscht hätten«, fuhr Johanna fort, »werden wir uns den Tatsachen fügen und versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.« Sie stand auf und ging zur Tür, das Zeichen, dass sie die Unterhaltung für beendet hielt. Zum Abschied sagte sie zu Hedwig: »Sobald Albert eingetroffen ist, werden wir mit Ihren Eltern sprechen, Fräulein Mahnstein. Auch wenn Sie blass sind, sehen Sie kräftig aus und so, als könnten Sie arbeiten. In der Fleischerei benötigen wir jede Hand, so wird sich diese leidige Angelegenheit schlussendlich zum Guten wenden.«
»Ich sagte bereits, dass ich nicht heiraten möchte«, beharrte Hedwig, »und ich habe einen Beruf, der mich auslastet, daher ...«
»Wir werden sehen«, schnitt Johanna Hedwig das Wort ab. »Gehen Sie jetzt nach Hause, wir melden uns, sobald wir Nachricht von Albert haben. Bis dahin werden Sie nichts unternehmen, Fräulein Mahnstein. Sie denken doch nicht etwa daran, dieses Kind loszuwerden?«
Ob dieser direkten Worte errötete Hedwig und erwiderte hastig: »Nein, natürlich nicht! So etwas würde ich niemals tun!«
Johanna atmete auf.
»Dann ist es ja gut, und jetzt lassen Sie uns allein. Mein Mann und ich haben viel zu besprechen.«
Hedwig blieb nichts anderes übrig, als zu gehen, sie fragte sich jedoch, ob es eine gute Idee gewesen war, Alberts Eltern aufzusuchen und ihnen alles zu erzählen.
In der guten Stube der Mahnsteins waren sie versammelt: Hedwigs Eltern, Johanna und Paul von Dombrowski und auch Albert, der wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa kauerte, den Blick angestrengt auf einen Fleck auf dem Teppich gerichtet. Aufrecht, den Rücken durchgestreckt und das Kinn erhoben, saß Hedwig auf dem Stuhl. Von allen Seiten prasselten Worte auf sie ein, denn ihre und Alberts Eltern hatten sich viel zu sagen.
»Die Hochzeit muss so schnell wie möglich stattfinden«, sagte Hermann Mahnstein, »solange man noch nichts sieht. Natürlich wird jeder wissen, was los ist, wenn Hedwig ein Fünfmonatskind zur Welt bringen wird, dies werden wir eben aushalten müssen.«
»Na ja, solche unangenehmen Vorfälle gibt es häufiger«, stimmte Baron von Dombrowski zu, griff nach dem gefüllten Schnapsglas und kippte dessen Inhalt mit einem Schluck hinunter. Hermann Mahnstein füllte das Glas erneut und schenkte auch sich wieder ein.
»Es kann natürlich nur eine kleine Hochzeit werden«, meldete Auguste Mahnstein sich zu Wort. »Für eine große Feier haben wir kein Geld, und ihr Brautkleid kann Hedwig selbst schneidern.«
»Ebenso den Anzug für Albert«, bemerkte Johanna von Dombrowski. »Sie kann einen alten Anzug meines Mannes umändern.« Erwartungsvoll sah sie Hermann Mahnstein an. »Dann ist da noch die Sache mit der Mitgift zu regeln. Hedwig verfügt doch sicher über eine Aussteuer, nicht wahr?«
»Das ist Sache unter uns Männern«, sagte der Baron und zu Mahnstein gewandt: »Über das Finanzielle spricht es sich am besten bei einem Schnaps.«
Mahnstein nahm die Flasche mit dem Korn zur Hand und schenkte sich und von Dombrowski großzügig ein.
Nachdem er getrunken hatte, sagte Mahnstein: »Eine gewisse Aussteuer an Tisch- und Bettwäsche ist vorhanden, ich sehe mich aber außerstande, eine Mitgift in klingender Münze aufzubringen.«
Die Frau Baronin seufzte. »Das habe ich befürchtet, wir werden uns wohl auch damit abfinden müssen.«
»Dem ansässigen Pfarrer müssen wir die Hintergründe dieser überstürzten Hochzeit verschweigen«, wechselte Auguste das Thema,