sondern trat ihm auskeilend gegen das Schienbein. Der Schmerz war derart stark, daß er sie unwillkürlich losließ. Artie nutzte seine Chance. Er schoß gnadenlos auf Gerald, der am linken Oberarm erwischt wurde und halb zu Boden ging.
Was ihm das Leben rettete, denn der zweite Schuß pfiff dicht über ihn hinweg. Gerald raffte sich auf und rannte hinüber ins schützende Unterholz.
Ashland schickte ihm zwei weitere Schüsse nach, die aber ihr Ziel verfehlten. Dann war Gerald in Deckung und erst einmal in Sicherheit.
»Laß ihn nicht weg!« Jane war wütend: »Los, ihm nach, Artie, schnell!«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Artie mit einer überraschenden Ruhe und Nachdenklichkeit in der Stimme, »bist du sicher, daß du dich nicht geirrt hast?«
Jane breitete sich wieder einmal auf dem Boden aus und schluchzte, ein Verhalten, das sie unbedingt beherrschte.
Gerald suchte nach Rander, aber er fand dessen Spur nicht mehr. Er hätte sich jetzt nur zu gern unter den Schutz des Anwalts gestellt, doch Mike Rander kam leider erst zu sich, als Gerald sich bereits abgesetzt hatte.
Der Anwalt kam jedoch auf seine Kosten.
Immerhin befand er sich in der Nähe von Artie und Jane Ashland. Und das Ehepaar war gerade dabei, so etwas wie Bilanz zu ziehen.
»Ich will jetzt wissen, ob er dir wirklich was getan hat«, sagte Artie und baute sich breitbeinig vor ihr auf, »ich will die Wahrheit wissen!«
»Du glaubst mir ja doch nicht. Sieh’ dir das doch an!«
Jane spielte wieder mit ihrer nackten Haut und zeigte die Nagelspuren. Ein überzeugender und überwältigender Anblick zugleich!
»Aber ausgerechnet Gerald?« zweifelte Artie kopfschüttelnd.
»Er war von dem Moment an hinter mir her, als du ihn eingestellt hast.«
»Warum hast du mir davon nie etwas gesagt?«
»Ich habe es nicht ernst genommen. Und vielleicht habe ich mich auch etwas geschämt.«
»Du und geschämt? Daß ich nicht lache!«
»Ja, ich weiß, ich weiß. Du hast mich aus der Gosse gezogen, ohne dich wäre ich ein dreckiges Nichts. Nur durch dich habe ich es zu was gebracht.«
Jane leierte diese Satzphrasen gelangweilt herunter. Wahrscheinlich hatte sie sie schon mehr als hundertmal gehört.
»Stimmt es etwa nicht?« fragte Artie dennoch.
»Du bist ungerecht!« Jane erhob sich.
»Ich gebe ja zu, daß ich ohne dich noch in dieser verdammten Bar wäre, aber ich habe mich an unsere Vereinbarung gehalten.«
»Um dann anschließend mit Glenford zu flirten.«
»Flirten! Das ist das richtige Wort. Zwischen uns war nie etwas! Auch wenn Stringale es dir anders erzählt hat. Begreifst du denn nicht, Artie, daß er zwischen uns einen Keil treiben wollte. – Stringale war von Anfang an darauf aus, die Kassette für sich allein zu holen.«
»Und Gerald?«
»Gut, ich habe den Jungen manchmal in Verlegenheit gebracht. Aus Langweile. Du bist eben zu oft weg, Artie. Warum eigentlich? Warum bleibst du nicht öfters zu Hause. Du ahnst ja nicht, wie sehr ich mich nach dir sehne!«
Schlechtes Schmierentheater, dachte Mike Rander, aber Artie schien anderer Meinung zu sein. Das, was Jane ihm sagte, schmeichelte ihm. Er hatte plötzlich nichts mehr dagegen, daß sie ihre nackten Arme um seinen Hals schlang.
»Okay, Jane«, sagte er und machte sich frei, »okay, ich werde mir Gerald kaufen. Weit kann dieser Trottel ja nicht sein.«
Sie lächelte triumphierend, als Artie nach seinem Gewehr griff. Er ging hinüber zum nahen Unterholz, um dann aber kurz stehen zu bleiben.
»Hast du Paul gesehen?« fragte er harmlos.
»Paul? Er ist doch zusammen mit dir weggegangen.«
»Wir haben uns am Steilhang getrennt. Er wollte sich in einer Höhle mal umsehen.«
»Ihm wird doch nichts passiert sein?« fragte sie ohne jeden Nachdruck.
»Keine Ahnung«, erwiderte Artie, der es besser wußte, »wenn er kommt, soll er auf dich warten. Du weißt, Stringale treibt sich immer noch in der Gegend herum.«
»Soll ich hier allein Zurückbleiben?« Sie hatte Angst, wie man ihrer Stimme anhörte. »Und wenn Gerald plötzlich auftaucht?«
»Hier, nimm …!« Er drückte ihr seinen Revolver in die Hand, nickte Jane zu und verschwand dann überraschend geschmeidig und geräuschlos im Unterholz.
Jane zündete sich eine Zigarette an und ging unruhig vor dem kleinen Zelt auf und ab. Sie überlegte wohl, wie sie sich in Zukunft zu verhalten hatte. Merkte sie, daß ihr Doppelspiel langsam durchschaut wurde?
Sie zuckte zusammen, als leise ihr Name gerufen wurde. Sie nahm die Schußwaffe hoch und ging in Deckung.
»Jane … Jane!«
Mike Rander war gespannt, wer sich jetzt um die Dame bemühte. Er staunte nicht schlecht, als ein junger Mann auf der Bildfläche erschien, der ein mehr als nur lädiertes Gesicht hatte.
»Les … Oh, Les!«
Jane Ashland war in Hochform, wie sich zeigte. Sie sprang auf und warf sich in die Arme eines unglücklichen Narren.
Parker hatte Stringale zurückgelassen, ihn vorher aber selbstverständlich außer Gefecht gesetzt.
Seine Krawattennadel hatte dies besorgt. Die Spitze dieser Nadel war mit einem starken Betäubungsgift bestrichen. Eine »Stichdosis« reichteerfahrungsgemäß für einen einstündigen Tiefschlaf. Diese Zeit mußte nach Parkers Schätzung reichen.
Parker machte sich auf den Weg, seinen jungen Herrn zu suchen. Sie hatten sich an einem Platz in der Nähe der abgebrannten Jagdhütte verabredet. Parker hoffte, dort seinen jungen Herrn zu treffen.
Dem war leider nicht so.
In Parker stieg leise Besorgnis auf. Schließlich kannte er ja Mike Rander. Der junge Anwalt neigte immer wieder dazu, etwas zu schnell aus dem Moment heraus zu handeln, eine Eigenschaft, die Parker nicht kannte. Bei ihm ging alles streng nach der kalten Logik. Womit er in der Regel richtig lag.
Da er wußte, daß Rander dem Land-Rover gefolgt war, konnte er die Spur seines jungen Herrn leicht verfolgen. Nach einem Fußmarsch erreichte der Butler den Rand des Kraterkessels und orientierte sich.
Er entdeckte den Landrover im dichten Strauchwerk. Der geländegängige Wagen war zurückgelassen worden, da er hier keine Fahrchancen mehr hatte.
Parker wollte sich gerade das Innere des Landrover ansehen, als er das Knacken und Brechen von Zweigen und Ästen hörte. Hier rannte ein von panischer Furcht gehetzter Mensch durch das dichte Unterholz, ein Mensch, der vom Teufel verfolgt zu werden schien.
Parker begab sich erst einmal gemessen in Deckung und wartete ab. Er konnte sich vorstellen, daß dieser flüchtende Mensch den Landrover ansteuern würde.
Es war Gerald, der plötzlich neben dem Wagen erschien. Er klinkte die Tür auf der Fahrerseite auf, setzte sich ans Steuer und merkte erst jetzt, daß er keinen Zündschlüssel hatte. Er kletterte zurück ins Freie, horchte offensichtlich auf Verfolger und wollte dann weiterlaufen.
»Kann und darf ich Ihnen behilflich sein?« erkundigte sich Josuah Parker und lüftete beim Verlassen der Deckung höflich seine Melone.
Gerald starrte den Butler entsetzt ah, wollte flüchten und registrierte dann überrascht einen kleinen buntgefiederten Pfeil, der plötzlich in seinem linken Oberschenkel stak.
Als er nach ihm greifen wollte – der Pfeil war nicht größer als eine halbe Stricknadel oder eine große Stopfnadel – wirkte bereits das Betäubungsgift.
Gerald seufzte