Thomas Röper

SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020


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neue EZB-Chefin Lagarde im Spiegel lesen: „2008 segnete sie einen Vergleich ab, in dem einem schwerreichen Geschäftsmann 400 Millionen Euro von einer staatseigenen Bank zugesprochen wurden. Lagarde gab an, sie habe der Staatskasse Prozesskosten in Millionenhöhe ersparen wollen. Lagarde wurde wegen fahrlässigen Umgangs mit öffentlichen Mitteln verurteilt, erhielt aber keine Strafe.“

      Ohne die lästigen Details, die ich aufgezählt habe (und ich habe mich sehr kurz gefasst, es gibt da noch einiges mehr über den Fall zu erzählen) klingt das doch recht harmlos, oder?

      In Deutschland wurden Kassiererinnen wegen einem Kassenbon in Höhe von 1,30 Euro fristlos gekündigt, nach der Verschwendung von 400 Millionen werden Ministerinnen zur IWF-Chefin befördert. Ein Jammer, dass sich die Kassiererin nicht mit dem Stress durch die Wirtschaftskrise herausreden kann!

      Über Frau von der Leyen stand im Spiegel zu lesen: „Als Verteidigungsministerin war Ursula von der Leyen, 59, zuletzt von Pech – manche behaupten auch: vom eigenen Unvermögen – verfolgt. Monat für Monat kamen neue Details der Berateraffäre ans Licht: Insgesamt geht es um Berateraufträge in zweistelliger Millionenhöhe, die das Ministerium ohne Ausschreibung vergeben hatte. Auch der Vorwurf der Vetternwirtschaft zwischen Spitzenbeamten und Beraterfirmen steht im Raum, ein Untersuchungsausschuss bearbeitet den Fall seit Januar.“

      „Pech“ hatte sie, oder vielleicht auch „Unvermögen“, sagt der Spiegel. Kein Wort über die Strafanzeigen, über die der Spiegel selbst berichtet hatte, und auch nicht über ihren Sohn David, den der Spiegel früher einmal sogar selbst erwähnt hatte. Stattdessen lesen wir das hässliche Wort „Vetternwirtschaft“. Aber das auch nur als „Vorwurf“, der „im Raum steht“. Die Details lässt der Spiegel weg.

      Es ist doch beruhigend, dass wir die EU-Kommission und die EZB nun für die nächsten fünf Jahre in guten, kompetenten und ehrlichen Händen wissen!

      65 http://www.spiegel.de/politik/ausland/europaeische-union-so-denken-die-deutschen-ueber-die-eu-a-1252954.html

      66 http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wolfgang-schaeuble-plaediert-fuer-reform-der-europaeischen-union-a-1253733.html

      67 https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/fidesz-spitzenkandidat-vergleicht-eu-kommission-mit-politbuero-16081576.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0

      68 http://www.spiegel.de/politik/ausland/ungarn-fidesz-spitzenkandidat-vergleicht-eu-kommission-mit-politbuero-a-1257171.html

      69 http://ec.europa.eu/codecision/statistics/docs/report_statistics_public_draft_en.pdf

      70 https://www.spiegel.de/politik/ausland/was-das-eu-parlament-macht-und-was-das-fuer-sie-bedeutet-a-1267702.html

      71 https://www.anti-spiegel.ru/2019/die-europawahl-in-deutschen-und-russischen-medien-ein-vergleich/

      72 https://www.zeit.de/wirtschaft/2016-12/iwf-chefin-christine-lagarde-der-fahrlaessigkeit-schuldig-gesprochen

      73 https://www.epochtimes.de/politik/deutschland/david-von-der-leyen-mckinsey-und-auftraege-aus-dem-verteidigungsministerium-a2666304.html

      74 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ursula-von-der-leyen-spd-setzt-verteidigungsministerin-unter-druck-a-1230509.html

      75 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/berater-affaere-bei-der-bundeswehr-strafanzeige-gegen-ursula-von-der-leyen-a-1233811.html

      76 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/ursula-von-der-leyen-strafanzeige-wegen-des-verdachts-auf-untreue-a-1248746.html

      77 https://www.spiegel.de/politik/ausland/ursula-von-der-leyen-christine-lagarde-josep-borrell-charles-michel-vier-fuer-die-eu-a-1275529.html

      Frankreich

      Das beherrschende Thema in Frankreich 2019 waren soziale Proteste. Zuerst waren es die Gelbwesten, die seit November 2018 jedes Wochenende demonstriert haben, und zum Jahresende 2019 kam noch der Generalstreik gegen die Rentenreform hinzu.

      Bemerkenswert war dabei, dass die Regierung nicht, wie man es in einer Demokratie erwarten sollte, auf die Forderungen der Menschen eingegangen ist, sondern mit einer Mischung aus Polizeigewalt, Einschüchterung und Verschärfungen des Demonstrationsrechts reagiert hat. Davon war in den deutschen Mainstream-Medien jedoch kaum etwas zu hören.

      Und es sieht so aus, als hätte diese Taktik des Aussitzens funktioniert, denn die Teilnehmerzahlen bei den Protesten gingen immer weiter zurück. 2020 wird sich zeigen, ob die Taktik endgültig aufgeht oder nicht und ob sie auch beim Generalstreik gegen die Rentenreform funktioniert.

      In diesem Kapitel sehen wir uns daher die Chronologie der Ereignisse in Frankreich 2019 an.

      Anfang Januar 2019 wurden die Demonstrationen wieder stärker, nachdem sie sich zum Jahreswechsel abgeschwächt hatten. Umso härter wurde die Tonart der Regierung, die nun verschärfte Gesetze gegen Demonstranten ankündigte, statt sich ihrer Forderungen anzunehmen, die laut Umfragen in Frankreich mittlerweile ca. 75 Prozent der Menschen teilten.

      Macrons Beliebtheitswerte fielen derweil von einem Tiefstand zum nächsten. Das Placebo, das Macron den Franzosen im November angeboten hatte, also eine Verschiebung der Steuererhöhungen und eine kleine Erhöhung des Mindestlohns, wurde von den Menschen als Hohn empfunden. Und wenn selbstherrliche Minister danach den Demonstranten sagten, die Regierung hätte ja ein Paket auf den Weg gebracht, nun sollten sie mit dem Demonstrieren doch mal wieder aufhören, dann klang das in ihren Ohren einfach