des Christentums als Staatsreligion des Römischen Reiches im 4. Jh. Das 4. Jh. n. Chr. stellt einen ersten Höhepunkt des christlichen Antisemitismus dar, was diverse Schriften der Kirchenväter des 4. Jh.s offenbaren wie bspw. Ambrosius von Mailand, Augustinus von Hippo, Eusebius von Cesarea und Johannes Chrysostomos.
2DER ANTISEMITISMUS IM MITTELALTER
Das Mittelalter umfasst die Zeit vom ausgehenden 5. Jh. bis zum Ende des 15. Jh.s. Während die Position der Juden trotz des „Gottesmordvorwurfs“ anfangs weitgehend von Duldung geprägt war, verschlechterte sich ihre Lage im weiteren Verlauf zusehends. Hierfür waren fünf Gründe ausschlaggebend. Erstens: Mit der Herausbildung des feudalen Lehnswesens durften Juden keinen Grundbesitz mehr erwerben, da sie keinen christlichen Treueid auf einen Lehnsherrn ablegen konnten. Der Ausschluss vom feudalen Lehnswesen bedeutete zugleich die weitgehende Exklusion der Juden von der politischen Teilhabe an der mittelalterlichen Gesellschaft. Zweitens: Mit der Etablierung des christlichen Zunftwesens sowie der christlichen Gilden blieb den Juden, denen die Aufnahme verwehrt war, nur noch die Möglichkeit der Führung einer städtischen Randexistenz oder die Übernahme von geächteten Berufen, die christliche Konkurrenten verschmähten. Drittens: Im Kontext der Kreuzzugsbewegung wurden die Juden zur Verkörperung des innen- wie außenpolitischen Feindes und sahen sich vielfältigen pogromartigen Übergriffen ausgesetzt, die vielerorts ganze Gemeinden vernichteten. Viertens: Das 14. Jh. und die in Europa wütende Pest führte zu einer tiefen Verunsicherung der Bevölkerung, deren christlicher Teil die Juden als „Sündenbock“ für die Krisenzeit verantwortlich machte, wodurch es zu schweren Verfolgungswellen kam. Fünftens: Die religiöse Umstrukturierung des Christentums, in dem sich im Kontext der Eucharistie bzw. der Transsubstantiationslehre immer mehr mystische Elemente verankerten, veränderte die Haltung der christlichen Gesellschaft zu den Juden, die sich in einer zunehmend von Reliquienverehrung und apokalyptischer Erwartung geprägten Zeit mit der „Blutbeschuldigung“ in Gestalt der Ritualmordlegende, Vorwürfen der Hostienschändung sowie Verschwörungstheorien konfrontiert sahen, die ihnen die Absicht unterstellten, Christen ermorden bzw. vergiften zu wollen, um die Herrschaft über christliche Länder an sich zu reißen.
2.1Die christlich-feudale Ständegesellschaft
Die Position der Juden in der frühmittelalterlichen Gesellschaft resultierte aus der vom Kirchenlehrer Augustinus (354–430 n. Chr.) entwickelten „Judentheologie“. Die Existenzberechtigung der Juden sowie die Anerkennung des Judentums als zugelassener Religion folgte aus der Sichtweise, dass deren Anwesenheit erforderlich sei, um die Christusprophezeiungen des Alten Testaments zu beglaubigen. Bei Augustinus stellen die Juden »unfreiwillige Zeugen« von der Wahrhaftigkeit der christlichen Botschaft dar. Die Existenz der Juden galt es zu bewahren, da erst das apokalyptische Gericht darüber zu entscheiden habe, was mit ihnen geschehen solle. Diese Sichtweise ging mit der Vorstellung einher, ein Großteil der Juden werde sich in der Endzeit zu Christus bekennen, während der andere Teil sich mit dem Antichristen verbünden und gegen die Christenheit kämpfen werde, die in den Schlachten der Apokalypse obsiegt. Die Aufgabe der mit Blindheit geschlagenen Juden bestehe im Diesseits darin, den Christen zu Diensten zu sein, ihnen die heiligen Bücher zu tragen, deren Botschaft sie sträflich missachteten. Die „christliche Toleranz“ gründete so aus dem Zusammenspiel von Dienstbarkeit, Zeugenschaft zugunsten der Kirche sowie der funktionalen Rolle der Juden im chiliastischen Endzeit-Szenario. Insofern Gott die Juden für ihre Bekehrung am Jüngsten Tag vorgesehen habe, sei es folglich eine Sünde sie zu töten. Die Duldung der Juden war gekoppelt an die christliche Heilsgeschichte bzw. an die göttliche Vorherbestimmung. Die dergestalt lediglich tolerierten Juden verfügten als religiöse Minderheit über gewisse Sonderrechte seitens der politischen wie der religiösen Obrigkeit.
Die strukturellen Elemente des Antisemitismus waren im Status der Juden als sozialer wie religiöser Randgruppe angelegt, die im Spannungsverhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Obrigkeit lebte und deren Position von der Stärke der politischen Zentralgewalt abhängig war, die sie ihrerseits jederzeit ausweisen konnte, wenn dies aus pekuniären Interessen dem Herrscher für opportun erschien. Die germanischen Nachfolgestaaten, die sich auf dem Boden des ehemaligen Römischen Reiches bildeten, duldeten die Juden auf Basis des weiterhin gültigen Codex Theodosianus. Unter Papst Gregor I. (540–604 n. Chr.) avancierte die augustinische „Judentheologie“ zur offiziellen Position der Kirche. Zwar betrachtete der Papst die Judenmission als eines seiner Hauptanliegen, die Ausübung der jüdischen Religion blieb jedoch nicht nur geschützt, auch Zwangstaufen sowie die Enteignung von Synagogen wurden verboten. Im Unterschied zur Gehässigkeit der Adversus-Judaeus Texte propagierte Gregor I. das bei Augustinus angelegte Konzept der Endzeiterwartung. Für Gregor I. resultierte die Behandlung der Juden aus dem Sachverhalt, dass Gott sie bereits durch die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und durch ihre Zerstreuung bestraft habe.
Im karolingischen Frankenreich war die Situation der Juden vergleichsweise erträglich, was aus dem Interesse der Herrscher an rascher Expansion sowie an einem funktionierenden Fernhandel resultierte. Jüdische Händler verfügten über das Orient- sowie Osteuropa-Monopol und sollten helfen, Luxusartikel zu beschaffen. Unter den Karolingern wurden ihnen vielfältige Privilegien gewährt, zumal ihre Aktivitäten angesichts der noch relativ schwach entwickelten Städte maßgeblich zum wirtschaftlichen Wachstum beitrugen. Die karolingischen Herrscher des Frankenreichs untersagten die Taufe heidnischer Sklaven der Juden, um auf diese Weise jüdischen Großgrundbesitz als relevanten Wirtschaftsfaktor zu schützen. Der Sachverhalt, dass es diesbezüglich zu Protesten der Kirche kam, verdeutlicht die strukturelle Problematik jüdischer Existenz, die aus ihrer juristisch kodifizierten Minderheitenrolle sowohl im staatlichen Recht wie im Kirchenrecht resultierte. Auch unter den Ottonen und Saliern, welche die karolingischen Privilegien durch die Gewährung des Schutzes von Leib und Leben sowie die weitgehende Gleichheit vor Gericht erweiterten, blieb die Handelstätigkeit der Juden von herausragender Bedeutung.
Erst die Kreuzzüge stellten eine qualitative, nachhaltige Zäsur der Lage der Juden dar. Die „militärischen Wallfahrten“ bedeuteten nicht zuletzt einen tiefen gruppenpsychologischen Einschnitt, insofern die Erfahrung unmittelbarer exzessiver Gewalt tiefe Spuren hinterließ, und der kriegerische Konflikt einen ökonomischen, sozialen, politischen und kirchenrechtlichen Wandel einleitete, der sich negativ auf die Juden auswirkte. Sozioökonomisch nicht zu unterschätzen ist der Tatbestand, dass bedingt durch die Kreuzzüge die Rolle der Juden im Fernhandel im Schwinden war. Christliche Kräfte eroberten sich auf militärischem Weg neue Routen, sodass sich die wirtschaftlichen Parameter zuungunsten der Juden verschoben. Mit den Kreuzzügen sowie der Vertreibung der Juden aus Spanien brach die Zeit christlicher Handelshäuser sowie christlicher Kaufleute an, die nunmehr den Levante-Handel dominierten. Für die Lage der Juden relevant war ebenso der Sachverhalt, dass im Umfeld mystischer Bewegungen, der kriegerischen Mobilisierung der Volksmassen sowie der Existenz von Bettelorden sich das Christentum tiefgreifend wandelte, wofür nicht zuletzt das Schweigen des Papstes Urban I. angesichts der exzessiven antijüdischen Gewaltwelle im Kontext der Kreuzzüge symptomatisch war. Die Sichtweise der augustinischen Judentheologie wurde durch ein Papsttum relativiert, das sich auf Kosten der Juden mit den unteren sozialen Volksschichten verbündete. Bedingt durch die Lehre von der Transsubstantiation entwickelten sich in Gestalt der Ritualmord- sowie der Hostienfrevellegende völlig neue antisemitische Narrative.
Die kirchliche Judenpolitik verschob sich mit den Kreuzzügen von einer in Gestalt der Judenmission sowie des Ideologems vom endzeitlichen Übertritt der Juden doppelt strukturierten Assimilation zu einer Segregation, welche auf die systematische Separierung zwischen Juden und Christen hinauslief. Die deutliche Verschiebung in der Gewichtung verdeutlichen die Beschlüsse der Laterankonzile. Im Jahr 1179 verbot das dritte Laterankonzil die Beschäftigung von christlichen Dienern in jüdischen Haushalten. Deutlich eingeschränkt wurde die den Juden unter den Karolingern zugesicherte weitgehende Chancengleichheit vor Gericht, insofern nunmehr christliche Zeugen in Prozessen gegen Juden hinzuzuziehen waren. Bereits zuvor verbot das Konzil unter Papst Alexander II. (1010–1073) den Juden die Enterbung jüdischer Konvertiten. Im Jahr 1215 verabschiedete das 4. Laterankonzil unter