und die ihr geholfen hatte, eine Wohnung zu finden und ihr auch Kontakte zu Arbeitern vermittelt hatte, die sie brauchte, um das Internetcafé aufzubauen. Chloé war eine ausgewanderte Französin, Anfang vierzig, das dritte Mal verheiratet, und eher zufällig in Trinidad gelandet, wie viele andere auch. Sie war als Urlauberin hergekommen und verliebte sich in den Eigentümer der Bar – Vincente, ihr dritter Ehemann. Sie hatten sich erfolgreich einen Gastronomiebetrieb aufgebaut, der auf die Inselbewohner abzielte, die auf der Suche nach etwas Besonderem waren. Vier Monate, nachdem sie sich kennengelernt hatten, bat Maya Chloé, ein paar Sachen für sie im Keller aufzubewahren.
Im King’s Arms war an diesem Freitagabend nicht viel los. Wegen des Karnevals spielte sich die meiste Action an der Küste ab, daher waren nur ein paar unerschütterliche Säufer in der Bar, sowie drei dicke Deutsche, die lautstark in ihrer Muttersprache diskutierten, warum niemand außerhalb Deutschlands in der Lage war, anständiges Bier zu brauen. Maya sprach sieben Sprachen, aber als sie die Bar betrat, verheimlichte sie, dass sie alles verstehen konnte, selbst, als sie anzügliche Bemerkungen austauschten, was sie gern alles mit ihr machen würden.
Chloé war gerade dabei, die Flaschen mit einem Lappen abzuwischen.
Maya ging lächelnd auf sie zu.
Chloé hingegen runzelte die Stirn. »Liebes! Was ist mit dir passiert? Was ist mit deiner Hand?«
Maya war klar, dass sie ziemlich mitgenommen aussah. Sie betrachtete die blutverschmierten Papiertücher, die sie hastig um ihre Wunde gewickelt hatte und wusste, dass die Kratzer in ihrem Gesicht deutlich sichtbar sein mussten.
»Ich bin so ein Trampel. Wollte ein paar neue Bilder aufhängen, und das ging gründlich schief. Ich wollte sie mit Draht befestigen und habe mich daran geschnitten, als ich vom Stuhl fiel. Ich werde es nähen lassen, wenn ich hier fertig bin.«
»Was? Nähen? Guter Gott! Hast du dir den Kopf schlimm gestoßen?«, rief Chloé, deren Mutterinstinkt zum Vorschein kam.
»Schlimm genug, aber das meiste hat meine Hand abbekommen. Sieht schlimmer aus, als es ist. Es war dumm von mir, mich auf einen Drehstuhl zu stellen. Hör zu, Chloé, ich muss an die Kiste, die ich bei dir gelassen habe. Sorry, dass ich so spät abends auftauche, aber wäre das möglich? Es dauert auch nur ein paar Minuten.«
»Bist du verrückt? Lass erst einmal deine Hand verarzten. Die Kiste kann warten.«
»Ich weiß, ich weiß, aber nun bin ich schon hier und dort befinden sich eben ein paar Sachen, die ich unbedingt jetzt brauche.«
Chloé seufzte resigniert. »Wenn du das sagst. Ich kann dir den Keller aufsperren, aber ich bin heute allein hier, also musst du selbst zurechtkommen. Vincente ist mit ein paar Freunden zum Karneval. Wir dachten, es würde heute nichts los sein. Alle sind draußen auf der Straße.«
»Ich brauche nur fünf Minuten. Ich weiß, wonach ich suchen muss.«
»Cheri, du machst mir Sorgen. Im Krankenhaus wirst du ein paar Stunden warten müssen, bis du dran kommst. Ich werde einen Freund von mir – einen Arzt – anrufen. Er ist Allgemeinmediziner, aber sicher in der Lage, deine Wunde zu nähen. Er wohnt über seiner Praxis. Es ist nur ein paar Straßen weiter.«
Maya dachte über das Angebot nach, unter Berücksichtigung der Dringlichkeit ihrer allgemeinen Lage. Irgendwann musste sie die Hand versorgen lassen, wenn sie nicht riskieren wollte, dass sie dadurch später in eine Situation geriet, wo sie deswegen handlungsunfähig sein könnte.
»Oh, vielen, vielen Dank, Chloé. Du bist meine allerbeste Freundin. Wirklich. Tut mir leid, dass ich dir so viele Umstände bereite …«
»Unsinn. Ich sperre dir auf, dann rufe ich an. Hoffentlich ist er noch nicht betrunken.«
Sie gingen zusammen nach hinten und Chloé sperrte die Tür zum Keller auf. Sie machte Licht und deutete die baufällige Holztreppe hinunter.
»Es ist genau dort, wo du es gelassen hast, hinten bei den zwei Tauchflaschen.«
»Ich weiß. Kümmere dich ruhig um deine Gäste. Ich bin sofort zurück.« Maya ging an ihr vorbei in den feuchten Raum.
Chloé nickte und machte leise die Tür hinter ihr zu.
Maya schob den Riegel vor, damit sie ungestört war, und ging schnurstracks zu der Kiste, die sie vor fast zwei Jahren hier deponiert hatte. Sie war noch immer mit dem Paketband von damals zugeklebt. Sie zog die Kiste heran und schlitzte das Klebeband mit ihrem Schlüssel auf, dann holte sie einen mittelgroßen Aluminiumkoffer heraus, der für Handgepäck auf Reisen gedacht war. Nachdem sie die Kombination am Zahlenschloss eingestellt hatte, legte sie die Verschlüsse um, die sofort aufschnappten.
Maya schielte zur Tür hoch, dann widmete sie sich dem Inhalt des Koffers.
Als Erstes kam eine Heckler-&-Koch-MP7A1-Maschinenpistole mit Schalldämpfer zum Vorschein, eingewickelt in ein Wachstuch. Dann fand sie die vier Kaliber-Dreißig-Magazine und drei Schachteln mit Munition. Danach holte sie ein Butterflymesser mit rasiermesserscharfer Klinge hervor, sowie zwei Handgranaten. Schließlich noch eine Ruger-P95-Pistole, Kaliber neun Millimeter, und ein ›Super Tool‹, ein Multifunktionswerkzeug, aus rostfreiem Stahl.
Die Waffen lagen ausgebreitet auf dem Boden. Sie holte noch eine schwere, wasserdichte Plastiktüte hervor. Darin befanden sich zwanzigtausend Dollar in Hundertern, ein belgischer und ein nicaraguanischer Ausweis mit unterschiedlichen Namen, dazu passende Führerscheine sowie eine Kreditkarte von der Firma Techno Globus SA, die noch drei Jahre gültig war und mit der sie von jedem Geldautomaten der Welt Zugriff auf ein Konto mit hundertfünfzigtausend Dollar hatte. Die letzten Gegenstände waren ein Verbandskasten, Haarfärbemittel und ein tragbares GPS-Gerät, das auf einem flachen Schweizer Nylonrucksack lag – der Rucksack war praktisch unzerstörbar und hatte zwei Fächer, die bis zu einer Tiefe von fünf Metern wasserdicht waren. Nachdem sie die Magazine geladen hatte, packte sie den Koffer wieder in die Kiste und stellte sie zurück neben die Tauchflaschen. Sie sah auf die Uhr, dann packte sie die Waffen und Dokumente in den Rucksack und war erstaunt, wie wenig Platz die Sachen einnahmen. Maya fühlte sich nun viel besser, da sie ihre eigenen Waffen und zwei neue Identitäten zur Hand hatte.
Sie war schon nach kurzer Zeit wieder in der Bar und dankte Chloé noch einmal.
»Siehst du? Ich sagte doch, es würde nicht lange dauern.«
»Ich habe meinen Freund erreicht. Er kann dich in zehn Minuten in seiner Praxis empfangen. Sie ist neben dem kleinen Café, wo es diese großartigen Croissants gibt. Weißt du noch?«
»Wie könnte ich das vergessen? Danke noch einmal, Chloé. Ich habe deinen aufregenden Abend mit den Jungs hier nur äußerst ungern gestört«, scherzte Maya mit Blick auf die besoffenen Deutschen.
»Solange sie bezahlen, bin ich zufrieden. Brauchst du seine Adresse? Er heißt Roberto. Er sieht auch gut aus.«
»Nein, ich weiß, wo ich hin muss.«
Maya streckte ihren gesunden Arm aus, umarmte Chloé und gab ihr ein Küsschen auf die Wange.
»Ciao, Süße. Viel Glück mit deinen Wunden und ruf mich an, wenn du irgendetwas brauchst. Ich werde bis zwei Uhr hier sein«, sagte Chloé, die immer noch besorgt war.
»Das werde ich. Bleib brav.«
***
Die Straßen füllten sich weiter mit Menschen, als sie sich auf den Weg zurück zur Küste machte. Die Arztpraxis war fünf Blocks vom Strand entfernt – weit genug, um weniger Miete zahlen zu müssen, aber auch nahe genug, um kranke oder verletzte Touristen empfangen zu können. Sie fand sie auf Anhieb, öffnete die Tür und wartete.
»Doktor Roberto?«
»Ich bin hier. Sie müssen Carla sein …« Carla war der Name, den Maya in Trinidad benutzte – ihre dritte Identität, die sie jetzt aufgeben musste.
Sie nickte.
»Kommen Sie herein. Ich sehe mir das mal an.« Er führte sie zu einem kleinen Sprechzimmer, in dem schon Licht brannte.